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Löcher stopfen. Die öffentliche Infrastruktur ist vielerorts marode - auch in Berlin.

© Hannibal Hanschke/picture alliance / dpa

Konjunkturausblick 2018: Ökonomen sehen Staat in der Pflicht

Die Wirtschaftsforscher des gewerkschaftsnahen IMK fordern mehr öffentliche Investitionen - und schlagen eine Entschuldung besonders klammer Kommunen vor.

Man sollte das Dach ausbessern, wenn die Sonne scheint. Das geflügelte Wort der Ökonomen gilt auch im Winter. Es besagt: Wenn die Wirtschaft so rund läuft wie im Moment, sollte der Staat die Gunst der Stunde nutzen, Löcher stopfen und investieren – in Infrastruktur, in Bildung und in Personal.

„Rein ökonomisch gesehen ist die Situation gut“, konstatierte am Mittwoch Gustav Horn, Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), in Berlin. Beschäftigung und reale Löhne steigen, privater Konsum und die Auslandsnachfrage sind kräftig, die Unternehmen investieren endlich wieder, die Steuereinnahmen sprudeln. „Wir erleben einen recht balancierten, soliden Aufschwung ohne akute Gefahren einer Überhitzung“, sagte Horn. 2018 werde die deutsche Wirtschaft um 2,3 Prozent so stark wachsen wie 2017. Die Sonne scheint also. Und Horn hält deshalb einen „wirtschaftspolitischen Neustart“ in Deutschland und in Europa für geboten.

Tilgungsfonds in Höhe von mindestens 20 Milliarden Euro

Der Wirtschaftsforscher fordert deutlich mehr öffentliche Investitionen und eine stärkere Unterstützung für hoch verschuldete Kommunen. In seinem am Mittwoch vorgestellten Jahresausblick schlägt das IMK einen Tilgungsfonds für Altschulden in Höhe von mindestens knapp 20 Milliarden Euro vor, um Städte und Gemeinden mit besonders hohen Schulden teilweise zu entschulden. Außerdem sollten die Kommunen bei den Sozialausgaben entlastet werden. Kurzfristig könne dafür die Flüchtlingsrücklage in Höhe von 18,5 Milliarden Euro genutzt werden, empfahl Horn. Das Geld könne immerhin rund ein Drittel der besonders teuren kommunalen Kassenkredite tilgen – die Entschuldungshilfe müsse aber darüber hinaus angelegt werden.

Mit der schrittweise deutlichen und dauerhaften Erhöhung öffentlicher Investitionen sollten auch die Personalengpässe behoben werden, die in den Verwaltungen entstanden seien. Erste Priorität sehe das IMK bei den öffentlichen Investitionen, weniger bei Steuersenkungen. Angesichts der gezielten Tarifanpassungen gegen die „kalte Progression“ und der allgemeinen Steuerquote sei eine Steuerreform derzeit nicht gerechtfertigt.

Einkommen entwickeln sich massiv auseinander

Allerdings müssten niedrige und mittlere Einkommen gezielt entlastet werden, weil sich die Einkommen seit den 1990er Jahren in Deutschland auseinanderentwickelt hätten. Der wichtigste Grund: die Ausweitung des Niedriglohnsektors, dessen relative Größe inzwischen laut IMK vergleichbar ist mit der in den USA und Großbritannien. „Es gilt, die Früchte der Globalisierung und der europäischen Integration allen zugänglich zu machen und sie nicht ausschließlich einer Schicht anpassungsfähiger Globalisierungsgewinner zu überlassen“, forderte Horn. Er sieht weltweit „nationalistisch-völkische Politikvorstellungen“ aufkeimen und einen „Rückzug ins Nationale“, dem es etwas entgegenzusetzen gelte. Das IMK plädiert dafür, den Vorschlag von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eines eigenen europäischen Investitionshaushalts aufzugreifen.

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