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Gefahr aus dem Wald. Weil Wildschweine ihre zahmen Artgenossen anstecken können, sollen sie dezimiert werden. Jäger haben grünes Licht.

© dpa

Update

Tierseuche kommt näher: Wie gefährlich ist die Afrikanische Schweinepest?

Politik, Behörden und Jäger haben einen Schlachtplan. Wildschweine werden erschossen, Zäune gebaut. Die Seuche ist auf 12 Kilometer herangerückt.

Die Gefahr rückt von Osten heran, und sie kommt immer näher. Am Mittwoch wurde ein totes Wildschwein zwölf Kilometer von der sächsischen Grenze entfernt auf polnischem Boden gefunden, Anfang des Monats hatte es in Polen bereits ebenfalls einen grenznahen Fund gegeben - gut 20 Kilometer von der Brandenburger Grenze entfernt. Gestorben sind beide Wildtiere an der Afrikanischen Schweinepest, einer Seuche, die von Afrika per Schiff nach Georgien eingeschleppt worden ist und von dort über das Baltikum, Tschechien und Polen nach Westen wandert.

Noch hoffen Politik, Behörden und Schweinehalter das Virus von Deutschland fernzuhalten. Jäger sollen verstärkt Jagd auf Wildschweine machen, die als Überträger der tödlichen Krankheit gelten, Brandenburg und Sachsen wollen mit Zäunen an der polnischen Grenze Wildschweine vom Grenzübertritt abhalten. Denn wenige Meter können darüber entscheiden, ob die deutschen Schweinehalter weiterhin Fleisch nach China liefern dürfen oder nicht.

„Sobald das erste infizierte Wildschwein am Zaun liegt, ist die Krise da“, warnte Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) kürzlich im Tagesspiegel-Interview. „Es ist schwer zu schätzen, wie hoch der Schaden für die deutschen Schweinebauern sein wird“, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken, dem Tagesspiegel. „Wir rechnen mindestens mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag.“

Wovor die Schweinebauern Angst haben

Nachdem die Schweinepreise jahrelang im Keller waren, können sich die gut 21 000 deutschen Betriebe derzeit über vergleichsweise gute Preise freuen. Lag der Schweinepreis vor einem Jahr noch bei 1,37 Euro pro Kilo, so bekommen die Landwirte derzeit 1,82 Euro, berichtet Matthias Quaing von der Interessensgemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). Das liegt vor allem daran, dass China jede Menge Schweinefleisch aus dem Ausland importiert. Das Reich der Mitte hat bereits die Afrikanische Schweinepest im Land, Millionen Tiere mussten notgeschlachtet werden. Davon profitieren die deutschen Schweinehalter. Sie haben im vergangenen Jahr 160 000 Tonnen zusätzlich nach China geliefert, insgesamt gingen 541 000 Tonnen deutsches Schweinefleisch in die Volksrepublik. Was den Handel für die Deutschen besonders attraktiv macht, ist die Vorliebe der Chinesen für Ohren, Schwänzchen oder andere Teile des Schweins, die man in Deutschland bestenfalls zu billigem Hundefutter verarbeiten kann. Doch die lukrativen Geschäfte sind bedroht: Sobald das erste infizierte Wildschwein in Deutschland gefunden wird, nehmen China, Japan, Korea, die Philippinen und Malaysia nach derzeitiger Rechtslage kein deutsches Schweinefleisch mehr ab.

Was die Politik tut

Das Bundesagrarministerium verhandelt auf Hochtouren mit China, um eine weniger strenge Regelung zu erreichen. Das Ministerium will eine Differenzierung erreichen, die etwa danach unterscheidet, ob ein Wild- oder ein Hausschwein betroffen ist. Man bemüht sich zudem um eine Regionalisierung. Das Ziel: „Damit könnte im Fall des Auftretens der Schweinepest bei Wildschweinen der Handel mit Schweinefleisch von Hausschweinen aus Deutschland, unter Garantie aus nicht infizierten Gebieten, mit China fortgesetzt werden“, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage. Die Grüne Woche ist eine gute Gelegenheit für solche Verhandlungen. Am Wochenende traf sich etwa der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Agrarministerium, Hans-Joachim Fuchtel, mit seinem chinesischen Amtskollegen.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) vereinbarte am Dienstag nach einem Treffen mit dem polnischen Agrarminister Jan Krzysztof eine Verschärfung der Präventionsmaßnahmen. So soll es jenseits der Grenze einen eingezäunten Korridor geben, um zu verhindern, dass polnische Wildschweine nach Deutschland einwandern. Das Technische Hilfswerk soll bei Bedarf den Polen bei der Errichtung der Schutzzäune helfen.

Ob sich Menschen anstecken können

Nein, und zwar weder dann, wenn man ein krankes Tier berührt, noch wenn man Fleisch oder Wurst von infizierten Tieren isst. Das Virus befällt nur Wild- und Hausschweine. Diese bekommen Fieber, Durchfall, Atemprobleme, Blutungen und sterben. Einen Impfstoff gibt es nicht, gegen das Virus hilft nur Vorbeugung. Die Schweinehalter haben sich darauf eingestellt. Sie tragen Schutzanzüge, wenn sie in die Ställe gehen, vor dem Eingang zu den Ställen stehen Desinfektionsmatten oder -wannen für die Schuhe.

Wie die Tiere sich anstecken

Das größte Risiko ist der Mensch. Weggeworfene Wurstbrote, in denen der Erreger steckt, können von Wildschweinen gefressen werden. Diese können die Krankheit an Hausschweine weitergeben, wenn sie sich etwa an deren Futter bedienen oder bei Freilandhaltung Kontakt mit ihren zahmen Artgenossen bekommen. Das Virus kann aber auch über Schuhe, Kleidung oder Messer übertragen werden. Einige deutsche Bauern sind auch Jäger und jagen in Polen. Sie könnten das Virus ebenfalls einschleppen.

Was dann passiert

Alle toten Wildschweine in Brandenburg werden auf den Erreger untersucht. Findet man ein infiziertes Wildtier, wird eine Zone von 15 Kilometern um den Fundort zum „gefährdeten Gebiet“ erklärt, Transporte von Hausschweinen – etwa zum Schlachthof – sind in dieser Zone nur möglich, wenn die Tiere gründlich untersucht und vom Tierarzt für gesund erklärt werden. Ist ein Hausschwein befallen, gibt es einen „Sperrbezirk“ um den befallenen Hof. Alle Schweine des Betriebs werden getötet, die Kadaver werden beseitigt. Hatten Nachbarbetriebe direkten Kontakt mit den Tieren, werden auch sie untersucht, und es drohen ebenfalls Notschlachtungen. Im Sperrbezirk herrscht ein absolutes Transportverbot für 30 bis 40 Tage. Das ist problematisch, weil die alten Tiere eigentlich Platz machen müssten für jüngere.

Welche Folgen das für den Export hat

Aus den Restriktionszonen darf kein Fleisch exportiert werden. nicht. Aus anderen Teilen Deutschlands darf Schweinefleisch in Länder der EU geliefert werden. „Dänemark, Spanien und die Niederlande werden die deutschen Exporte nach China übernehmen“, glaubt ISN-Experte Quaing. Deutsches Schweinefleisch würde dann in diesen Ländern die Lücken füllen. Das reduziert den Schaden, ist aber keine Lösung für die weniger edlen Teile des Schweins.

Wie viel Schweinehalter verdienen

Ein durchschnittliches Hausschwein wiegt 120 Kilogramm, der Landwirt kann aber nur 95 Kilo zu Geld machen. Der Rest sind Innereien wie Magen oder Darm, für die es keine Abnehmer gibt. Bei einem Kilopreis von 1,82 Euro bekommt der Schweinebauer knapp 180 Euro für das Tier. Die Kosten für Futter, Tierarzt und Stall liegen bei 1,70 Euro pro Kilo, sagt Quaing. Bleiben 12 Cent Gewinn pro Kilogramm oder 11 Euro pro Tier. „99 Prozent der Schweine werden konventionell gehalten“, weiß der ISN-Marktexperte. Verkauft wird über den Preis.

Was auf die Schlachthöfe zukommt

Deutschlands größter Schweineschlachtbetrieb, Tönnies, schlachtet in seinem Hauptwerk in Rheda-Wiedenbrück rund 25 000 Tiere am Tag. Die Anzahl der Tiere, die maximal an einem Standort pro Tag getötet werden dürfen, sei gesetzlich geregelt, heißt es auf Tagesspiegel-Anfrage. In Rheda-Wiedenbrück liege die Grenze etwa bei 30 000 Schweinen täglich. Man gehe aber nicht davon aus, dies mittelfristig aufgrund der Afrikanischen Schweinepest ausreizen zu müssen, sagt Tönnies. Der Konzern, der Supermärkte und Discounter beliefert, betont jedoch ausdrücklich, dass Menschen weiter Fleisch und Wurst essen können. „Sämtliche in unseren Betrieben produzierten Lebensmittel sind sicher.“

Was geschieht, wenn ein infiziertes Schwein im Grunewald gefunden wird

Die Seuchenbekämpfung ist in Berlin Sache der jeweiligen Bezirke. Direkt am Fundort gibt es den Kernbereich, dieser ist umgeben vom Gefahrenbereich und der noch größeren Pufferzone. Wie groß die Bereiche sind, ist eine Frage des Einzelfalls und wird vom Bezirk entschieden. Der Fundort darf von Spaziergängern so lange nicht betreten werden, bis er gereinigt und freigegeben ist. In den angrenzenden Gefahrenbereich dürfen Spaziergänger dagegen, Hunde müssen jedoch angeleint sein.

Ob Fleisch jetzt billiger wird

Bei Tönnies rechnet man nicht damit, dass Wurst oder Fleisch bei einem Ausbruch der Schweinepest billiger werden. Der deutsche Schweinemarkt sei durch weltweite Handelsbeziehungen vernetzt. Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel sieht das anders: „Die Preise rutschen in den Keller“, glaubt der Grünen-Politiker. Erstaunlicherweise halten sich aber selbst die Preise für Wildschweinfleisch auf dem üblichen Niveau, obwohl die Jäger derzeit grünes Licht für einen massenhaften Abschuss der Tiere haben. Sogar Techniken, die eigentlich unwaidmännisch sind, nämlich der Einsatz von Nachtsichtgeräten oder Fallen, in denen die Wildschweine gefangen und dann erschossen werden, sind jetzt erlaubt. Damit will man die Population dezimieren und das Ansteckungsrisiko reduzieren. „Wir stellen keine Veränderungen fest“, heißt es aber beim Kreuzberger Verkäufer von Wild, Wildfleischhandel Berlin. Das Angebot an Wildschwein sei nicht sonderlich gestiegen. Und so bleibt es im wesentlichen bei den alten Preisen. Das Filet kostet derzeit 29 Euro pro Kilogramm, Rücken ohne Knochen 25 Euro.

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