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Still ruht der Fluss: Der Warenverkehr gerät derzeit immer mehr ins Stocken.

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Update

Weltweiter Warenverkehr geht zurück: Jetzt werden die Folgen von Brexit und Handelsstreit spürbar

Der Außenhandel in China und in Großbritannien bricht ein, immer neue Zölle stehen an. Deutsche Firmen, die auf die EU setzen, fühlen sich im Stich gelassen.

Der weltweite Handel gerät immer weiter unter Druck. Bereits seit vielen Monaten weisen Unternehmen und Ökonomen darauf hin, dass politische Unsicherheiten wie der Brexit oder der Handelsstreit zwischen China und den USA den Warenverkehr empfindlich stören; aktuelle Zahlen belegen diese Entwicklung nun deutlich.

So ist Chinas Außenhandel im September stärker eingebrochen als erwartet. Die Exporte aus der Volksrepublik gingen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,2 Prozent zurück, wie der chinesische Zoll am Montag mitteilte. Es ist der stärkste Einbruch seit acht Monaten. Die Importe sanken sogar um 8,5 Prozent. Die Importe aus den USA verringerten sich im September noch deutlich stärker. Hier ging es um über 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bergab.

Vielleicht waren es auch diese Zahlen, die am Wochenende für einen Hoffungsschimmer im Handelsstreit zwischen beiden Ländern geführt haben. In einer Teileinigung, die US-Präsident Donald Trump als „Phase eins“ vor einem angestrebten umfassenderen Abkommen bezeichnete, wurden Vereinbarungen zum Agrarsektor, dem Schutz geistigen Eigentums und Finanzdienstleistungen getroffen.

Die Börsen trauen dem Frieden nicht

So soll unter anderem deutlich mehr Schweinefleisch aus den USA nach China verkauft werden – wohl auch deshalb, weil die Volksrepublik von einer massiven Schweinepest geplagt wird und das Fleisch dort knapp wird. Da aus diesem Grund aber auch sehr viel weniger Futter für die Schweine in China gebraucht wird und die USA hier als großer Lieferant einen Rückgang erwarten müssen, wird der Deal vielerorts nicht so positiv gesehen, wie Trump ihn verkauft hat.

Auch die Börsen sehen in der Teileinigung keine Lösung des grundlegenden Konflikts und starteten verhalten in die Woche. Die für Dienstag geplante Verschärfung der US-Strafzölle sei zwar vorerst vom Tisch, fasste Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets zusammen. Dies gelte aber nicht für den im Dezember angepeilten nächsten Schritt. „Dieser sogenannte Deal wird den Ausblick für den Welthandel kaum ändern, da China kaum mehr als den Kauf zusätzlicher US-Agrarprodukte versprochen hat.“

Zudem dreht sich auch der Zollstreit zwischen den USA und der EU weiter. Am Montagnachmittag gab die Welthandelsorganisation (WTO) grünes Licht für die neuen milliardenschweren Strafzölle der USA, die Trump wegen rechtswidriger Subventionen für den europäischen Flugzeugbauer Airbus auf EU-Produkte verhängen will. Sie sollen nach US-Angaben von Freitag an gelten und betreffen EU-Einfuhren im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar. Das war die höchste Summe, die in der fast 25-jährigen Geschichte der WTO je genehmigt wurde.

Betroffen sind neben Flugzeugen und Flugzeugkomponenten auch Produkte wie Käse, Schinken, Olivenöl und Wein, die mit einer zusätzlichen Abgabe von 25 Prozent belegt werden. Besonders betroffen sind Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien. EU-Handelskommissarin Cecila Malmström hofft aber noch immer auf eine Lösung. „Wir werden die Amerikaner bis zur letzten Minute drängen, doch noch eine Einigung zu finden oder zumindest die Zölle vorerst einzufrieren“, sagte sie in Brüssel. Bisher habe sie mit dem Anliegen in Washington aber nichts bewirkt.

Außenhandel mit Großbritannien bricht ein

Und auch das zweite große geopolitische Risiko, der Brexit, wirft seine Schatten voraus. So ist der Außenhandel zwischen Deutschland und Großbritannien zwischen Januar bis Juli deutlich zurückgegangen. Das Vereinte Königreich liegt mit einem Handelsumsatz (Exporte und Importe) von 68,5 Milliarden Euro auf Rang sieben der wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik. 2015 – im Jahr vor dem Referendum zum EU-Austritt – sogar auf Rang fünf.

Von Januar bis Juli 2019 wurden den am Montag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge Waren im Wert von 47, Milliarden Euro von Deutschland in das Vereinigte Königreich exportiert und Waren im Wert von 21,3 Milliarden Euro nach Deutschland importiert. Damit fielen die deutschen Ausfuhren um 4,6 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum, während die Einfuhren um 3,7Prozent sanken.

Zölle wegen Pommes-Frites-Streit

Auch abseits dieser Großbaustellen sieht sich die EU mit protektionistischen Maßnahmen konfrontiert. Wie gestern bekannt wurde, wird die Kommission Kolumbien wegen Einfuhrbeschränkungen für tiefgekühlte Pommes Frites vor der WTO verklagen. Sie habe die Anweisung gegeben, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten, sagte Malmström. Die Regierung Kolumbiens hatte Ende vergangenen Jahres beschlossen, Strafzölle auf Tiefkühl-Fritten bestimmter deutscher, belgischer und niederländischer Unternehmen zu erheben. Bogotá wirft den EU-Produzenten subventionierte Preise vor, die kolumbianischen Produzenten schaden würden.

Um sich trotz dieser Unwägbarkeiten im weltweiten Handel durchzusetzen, setzen deutsche Unternehmen auf eine starke Europäische Union – fühlen sich dabei aber von der neuen Kommission allein gelassen. Wie die Stiftung Familienunternehmen am Montag in München mitteilte, sprachen sich in einer Umfrage der Organisation 86 Prozent der befragten Unternehmen dafür aus, Anstrengungen zu verstärken, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu erhöhen. Von den 500 größten Familienunternehmen waren es demnach sogar 95 Prozent. Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer sprach von einem „Handlungsauftrag“ an die neue EU-Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen.

Bisherige Ankündigungen von der Leyens werden allerdings von vielen Unternehmern skeptisch bewertet. So wandten sich den Angaben zufolge 49,4 Prozent gegen das Projekt einer europäischen Rückversicherung für nationale Arbeitslosenversicherungen, 46,2 Prozent gegen einen europäischen Mindestlohn, 41,9 Prozent gegen eine gemeinsame Einlagensicherung der EU sowie 36 Prozent gegen ein Eurozonen-Budget. Begrüßt werden dagegen Anstrengungen zu einer Harmonisierung des Steuerrechts.

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