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Vollzeit im Labor, aber nur in Teilzeit beschäftigt: Das ist gängige Praxis in der Wissenschaft.

© Getty Images/iStockphoto / dmbaker

Befristet an der Uni beschäftigt: Die Mehrheit in Berlin promoviert auf Teilzeitstellen

Befristete Verträge, um zu promovieren, sind eher unstrittig. Es kommt aber auf die Dauer an. Und: Mehrheitlich gibt es keine Vollzeitstellen an Berliner Unis.

Die große Mehrheit des angestellten wissenschaftlichen Personals an Berliner Hochschulen ist weiterhin befristet beschäftigt. Spitzenreiterin ist die Technische Universität mit 92 Prozent auf befristeten Stellen, gefolgt von der Freien Universität mit 86 Prozent und der Humboldt-Universität mit 82 Prozent. An der Universitätsmedizin Charité sind es 79 Prozent.

Die hohen Befristungsquoten gehen aus der Antwort der Wissenschaftsverwaltung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Tobias Schulze hervor. Bei den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) verhält es sich ähnlich – bei sehr viel geringeren Beschäftigtenzahlen im „Mittelbau“: 89 Prozent Befristungen an der Berliner Hochschule für Technik, 86 an der Hochschule für Technik und Wirtschaft, 84 Prozent an der Hochschule für Wirtschaft und Recht und 79 Prozent an der Alice-Salomon-Hochschule.

Damit liegt Berlin insgesamt im bundesweiten Schnitt. Nach Zahlen, die das Bundesforschungsministerium im Mai 2022 veröffentlichte, sind 81 Prozent des hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals an Hochschulen unterhalb der Professur befristet beschäftigt. Bei Nichtpromovierten beträgt die Quote 93 Prozent, nach der Promotion 63 Prozent.

Befristungen in der Promotionszeit sind weitgehend unstrittig, handelt es sich doch um eine Qualifikationszeit, nach der sich entscheidet, ob der Karriereweg für einige an der Uni weitergeht oder für die Mehrheit anderswo. Nach dem Anteil befristeter Postdoktorand:innen, die im Zentrum der Debatten um das „Befristungsunwesen“ stehen, hat Schulze, hochschulpolitischer Sprecher seiner Fraktion, jedoch nicht gefragt. Das sei Gegenstand einer gesonderten Anfrage in nächster Zeit.

Während Berlin die bestbezahlten Universitätsprofessuren hat, gehört es auch zu den Spitzenreitern bei der Befristung im Mittelbau.

Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke

Dafür hakte er genauer bei den Vertragslaufzeiten nach, die sich nach der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes von 2016 an der Dauer der angestrebten Qualifizierung oder an der Finanzierung von Drittmittelprojekten orientieren sollen. Hier zeigt sich, dass in Berlin die früher beklagten Kurzzeitverträge von unter sechs Monaten weitestgehend der Vergangenheit angehören. Bis zu einem halben Jahr sind an den Universitäten nur zwei (TU) bis sieben Prozent (TU) der wissenschaftlichen Angestellten beschäftigt.

Fast durchgehend läuft über die Hälfte der Verträge länger als 24 Monate. Führend ist die TU mit 78 Prozent, mit Abstand gefolgt von der FU mit 55 Prozent und der HU mit 52 Prozent. Besser sieht es bei den haushaltsfinanzierten Arbeitsverträgen von Promovierenden aus. Ein Beispiel: Von 516 an der FU haben 149 eine Befristung von weniger als zwei Jahren, 53 haben 24 bis 36 Monate, 109 sind für 36 bis 48 Monate angestellt und bei 205 sind es 48 Monate und mehr.

„Promovieren ist kein Hobby“

In der Gesamtschau kommentiert Tobias Schulze die Zahlen kritisch: „Die Vertragslaufzeiten, aber auch der Stundenumfang bei Promotionsstellen sind noch nicht zufriedenstellend.“ Ziel müsse es sein, dass eine Promotion innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit und auch innerhalb der Vertragslaufzeit möglich ist. „Promovieren ist kein Hobby, sondern Teil des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses“, sagt der Linken-Abgeordnete.

Tatsächlich ist die Teilzeitquote ein gravierendes Problem für den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs. Auch dies zeigt die Antwort der Wissenschaftsverwaltung. An der FU sind es 64 Prozent, die keine Vollzeitstelle haben. Von den 516 haushaltsfinanzierten Promovierenden hat dort die Mehrheit von 325 Personen eine 50- bis 65-Prozent-Stelle und nur 56 haben eine volle Stelle. An der HU sind 57 Prozent in Teilzeit. Von den 376 Uniangestellten sind hier nur 91 in Vollzeit. Die TU hebt sich mit lediglich 34 Prozent Teilzeitbeschäftigten ab, die Charité mit 39 Prozent.

Zeit zur Arbeit an der Dissertation ist in vielen Arbeitsverträgen nicht eingeplant.
Zeit zur Arbeit an der Dissertation ist in vielen Arbeitsverträgen nicht eingeplant.

© Freie Universität

Übliche Praxis in der Wissenschaft ist es, für einen Halbtagsjob bezahlt zu werden, aber mehr als Vollzeit zu arbeiten, um Lehre, Forschung und das Schreiben der Dissertation unter einen Hut zu bekommen. Dieses Problem haben auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, die in Drittmittelprojekten, also nicht aus den sichereren Haushaltsmitteln der Hochschulen beschäftigt sind. Ihr Anteil liegt an der TU bei 69 Prozent, an der HU bei 58 Prozent und an der FU bei 56 Prozent.

Schulze hat bei der Wissenschaftsverwaltung zur generellen Befristungsdauer nachgefragt: „Werden die Stellen zur Promotion für die Dauer der üblichen Promotionszeit entsprechend der Promotionsordnungen der Fächer ausgeschrieben?“ Wissenschaftsstaatssekretärin Armaghan Naghipour erklärt dazu, dass in den Promotionsordnungen der Hochschulen „keine üblichen Promotionszeiten“ festgeschrieben werden. Stattdessen gebe es jedoch Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien, nach denen sich die Befristung „an der durchschnittlichen Dauer der Bearbeitung von Promotionsvorhaben orientieren“. Diese Vorgaben würden nach Auskunft der Hochschulen eingehalten, berichtet Naghipour.

„Das angestrebte Qualifikationsziel erreichen“

Die Verwaltungsvorschrift der TU Berlin etwa sehe vor, dass die Dauer von Stellen mit dem Qualifikationsziel Promotion in der Regel fünf Jahre betragen soll, so das einzige genannte Beispiel für die Unis. Ein Blick in die Verwaltungsvorschrift der FU zeigt: Dort ist die Dauer der befristeten Beschäftigung „so zu bemessen, dass das angestrebte Qualifikationsziel erreicht werden kann“.

Die regelmäßige Vertragslaufzeit betrage „grundsätzlich vier Jahre“, richte sich aber auch „nach der jeweiligen Promotionsordnung“. Jahre. Die FU sagt auch etwas zu Teilzeitbeschäftigungen: Diese dürften „die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit nicht unterschreiten“.

„Die neuen Zahlen zeigen, dass im wissenschaftlichen Mittelbau Befristung weiterhin die Regel ist und eine Dauerbeschäftigung die Ausnahme bleibt“ resümiert Tobias Schulze. „Während Berlin die bestbezahlten Universitätsprofessuren hat, gehört es auch zu den Spitzenreitern bei der Befristung im Mittelbau.“

„Der wichtigste Faktor für Prekarität an der Hochschule“ bleibe bei allem die projektförmige Finanzierung über Drittmittel. „Die Drittmittelgeber, insbesondere die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Bundesforschungsministerium, müssen sich hier endlich bewegen und die Umsetzung von Projekten auf Dauerstellen ermöglichen“, fordert Schulze. Und verspricht für Rot-grün-rot: „Auf Landesebene werden wir Pooling-Modelle oder auch Rolling Contracts (rollierende Verträge; die Red.) mit den Hochschulen diskutieren – etwa im Rahmen des Forums Gute Arbeit und bei den kommenden Hochschulverträgen.“

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