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Kultur: Der Mann hinter der Frau

Vor vierzig Jahren durften die Frauen noch pummlig sein.Jedenfalls in der ostdeutschen Werbung für Haushalts-Chemie.

Vor vierzig Jahren durften die Frauen noch pummlig sein.Jedenfalls in der ostdeutschen Werbung für Haushalts-Chemie.Zum Beispiel die Hausfrau Johanna.Seit 1938 machte das freundliche Putzteufelchen Reklame für "Fewa", ein Feinwaschmittel aus Sachsen.Nach dem Krieg erhielt das von Karl Nebel geschaffene Maskottchen ein modernes Image, das nun die DDR-Kunden zum Kauf verführen sollte.Die neue "Fewa"-Johanna hatte einen überdimensionalen Kugelkopf und einen knallroten Dutt.Über dem gestreiften Kleid trug sie die obligatorische Schürze.Die winzige Stupsnase war meist fröhlich gen Himmel gerichtet.

Ihre jüngste Ausstellung hat die Sammlung industrielle Gestaltung in der Knaackstraße am Prenzlauer Berg dem Mann gewidmet, der neben "Fewa" auch dem Geschirrspüler "Fit", dem Waschmittel "Fay" und etlichen anderen Pulvern und Flüssigkeiten zu einem ansprechenden Äußeren verhalf.Schon ein flüchtiger Blick auf die Entwürfe zeigt, daß die Werbegraphik des Chemnitzers Horst Geil weit entfernt ist von jener sterilen Blitzblank-Sauberkeit, die heute im Werbefernsehen allabendlich angepriesen wird.Die "Fewa"-Johanna und ihre Putzkollegen aus der DDR der fünziger und sechziger Jahre haben stets ein augenzwinkerndes Lächeln im Gesicht - und die heutige Betrachterin stellt sich vor, daß sie in den Arbeitspausen gern mal einen Cognac hoben.Reinheit ist wichtig, ja, aber eben nicht das Wichtigste im Leben.

Den Graphiken merkt man an, daß ihr Urheber ursprünglich Comic-Zeichner werden wollte.Mit sonnigen Optimismus scheinen die Figuren selbst an den größten Dreck heranzugehen.Zwischen ihnen und den ernsthaft-kühnen Arbeiter-Darstellungen, welche die sozialistische Kunst jener Zeit ansonsten prägten, liegen Lichtjahre.Diese Heiterkeit läßt die Mühen der Aufbaujahre und den Kalten Krieg vergessen.Selbst die Fliegen, Motten und Wanzen dieser feindbild-freien Werbewelt sind eigentlich recht sympathische Gesellen.Man will kaum glauben, daß die angepriesenen Schädlingsbekämpfungsmittel diesen arglosen Mitbürgern wirklich etwas zuleide tun sollen.Wenn man von der beeindruckenden Zahl der einschlägigen Horst-Geil-Entwürfe ausgeht, scheint es in der DDR übrigens unglaublich viele Fliegen, Motten und Wanzen gegeben zu haben.Sogar Abortmaden.Aber eben nette.

Die "Fewa"-Johanna und ihre Putzkollegen gestaltete der Graphiker damals mit einfachen Methoden."Ich mußte ihm manchmal Modell stehen", berichtete die Ehefrau Inge, die zusammen mit Horst Geil bei der Ausstellungseröffnung anwesend war."In der DDR war die Werbung oft besser als das Produkt", sagt sie."Heute ist es umgekehrt." In späteren Jahren spielten politische Plakate im Straßenbild ohnehin eine größere Rolle als Reklame.Daher bleiben die wirklich guten Entwürfe auch lange in Erinnerung.

Ausstellung in der Knaackstraße 97, bis zum 11.April 1999, mittwochs bis freitags 14 bis 21 Uhr und am Wochenende 10 bis 21 Uhr

JOSEFINE JANERT

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