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Sport: Schöner reden

Wie die Beteiligten das Fußball-Länderspiel gegen Serbien-Montenegro wichtiger machten, als es war

Bremen. Sie versuchten es wieder und wieder, und fünf Minuten vor dem Ende des Spiels war den serbisch-montenegrinischen Bemühungen endlich der gewünschte Erfolg beschieden. Zum wiederholten Male an diesem Abend flog aus dem Block der Gästefans eine brennende Bengalo-Fackel, und zum ersten Mal landete sie jenseits der Werbebande auf dem Spielfeld, genau im Strafraum der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Der Anhang vom Balkan jubelte, und so hatten auch Serben und Montenegriner an diesem Abend noch Grund zur Freude.

Hinterher waren sie alle zufrieden, nach diesem 1:0 der Deutschen gegen die besten Fußballer aus dem Rest des einst großen Jugoslawien, das sich kurz vor seiner Abschaffung noch einen Doppelnamen zugelegt hat. Der Vizeweltmeister freute sich vor allem über den Sieg, den ersten in diesem Jahr, und anders als der serbisch-montenegrinische Anhang hatten die Deutschen ihr kleines Erfolgserlebnis schon im ersten Versuch bejubeln dürfen. Der Schuss, mit dem Sebastian Kehl aus gut 30 Metern den Siegtreffer erzielte, war der erste Torschuss aus dem Spiel heraus. Eine Stunde hatten beide Mannschaften zu diesem Zeitpunkt schon gespielt.

„Wir konnten uns nicht die Chancen erarbeiten, wie ich mir das erwünscht hatte“, sagte Teamchef Rudi Völler. Wie so vieles an diesem Abend war das eine recht freundliche Umschreibung der Tatsachen. „Wir haben gut kombiniert“, sagte Völler und meinte damit das weitgehend zweckfreie Passspiel durchs weiträumige Mittelfeld des Gegners. In den Strafraum kamen die Deutschen selten, sodass die Begegnung als das erste Länderspiel in die Geschichte eingeht, das Deutschland gewonnen hat, ohne sich eine einzige Torchance erarbeitet zu haben.

Vor dem Spiel ist ausgiebig über den Sinn der ganzen Veranstaltung diskutiert worden, und ein wenig klangen die Kommentare wie eine nachträgliche Rechtfertigung. Weil dem Teamchef die besten Akteure fehlten, wurde das Freundschaftsspiel im Nachhinein zum Bewerbungstest für nachstrebende Talente umgedeutet. Eine würdige deutsche Nationalmannschaft sei das gewesen, sagte Völler. Kehl lobte die ungewohnte Fluktuation im Kader: „Dass der eine oder andere dazukam, hat ein bisschen Schwung reingebracht.“ Nur zu dumm also, dass mit Oliver Kahn, Michael Ballack und Dietmar Hamann bald der alte Trott zurückkehrt.

Die Einschätzung der Beteiligten sagt einiges über den Gemütszustand der Nationalmannschaft im Jahr eins nach der WM. Ihr letzter Sieg war das souveräne 2:1 gegen die Halbprofis von den Färöern im vorigen Oktober. Seitdem haben die Deutschen gegen Holland verloren, gegen Spanien ebenso, und Litauen ein 1:1 abgetrotzt. Fredi Bobic hat vor dem Spiel an Teil eins seiner Nationalmannschaftskarriere erinnert, als Berti Vogts noch Bundestrainer war. Von den 45 Spielen, bei denen Bobic damals zum Kader gehörte, hat er ein einziges verloren. Seitdem Völler ihn im vorigen Herbst ins Nationalteam zurückgeholt hat, hat Bobic ein Spiel gewonnen, das gegen Serbien-Montenegro.

„Gerade für den Trainer ist es sehr wichtig, dass wir mal wieder ein Erfolgserlebnis hatten“, sagte Sebastian Kehl, der nach seinem Tor auf die Knie ging und mit der Hand auf den Rasen hämmerte, als hätte er gerade die Champions League entschieden. Und weil den Deutschen zuletzt vorgeworfen worden war, gegen starke Gegner nicht gewinnen zu können, erklärte Torhüter Frank Rost das Team der Serben und Montenegriner gleich noch zu einer guten Mannschaft. Dieses Problem wäre damit auch gelöst.

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