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Bundeskanzler Olaf Scholz.

© Imago/photothek/Kira Hofmann

Update

Kanzler kritisiert „Mini-Anpassung“: Olaf Scholz plädiert für Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro

Verdi, Grüne und Linke hatten bereits eine deutlichere Anhebung der Lohnuntergrenze gefordert. Nun schließt sich der Kanzler an. Arbeitgeber und Ökonomen widersprechen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ausgesprochen. „Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben“, sagte Scholz dem „Stern“.

Gleichzeitig übte er Kritik an der Mindestlohnkommission. „Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt.“ Außerdem hätten sie mit der Tradition gebrochen, einvernehmlich zu entscheiden, so der SPD-Politiker. Aktuell ist vorgesehen, den Mindestlohn im kommenden Jahr von derzeit 12,41 Euro auf 12,82 Euro anzuheben.

Der Arbeitgeberverband BDA warf Scholz Einmischung in die Festlegung des Mindestlohns vor. „Wenn Politik und Gewerkschaften weiter die Verhandlungen zum Mindestlohn in der Presse führen, dann kann man die Mindestlohnkommission auch gleich auflösen“, kritisierte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.

Der Bundeskanzler behaupte, die Arbeitgeber hätten einen Tabubruch begangen, so Dulger. „Bei allem gebotenen Respekt: Das ist Unsinn. Richtig ist, dass die Gewerkschaften nicht mehr bereit waren, eine Regel zu akzeptieren, die ein gemeinsames Entscheiden ermöglicht hätte.“

Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

© dpa/Sven Hoppe

Die Arbeitgeber haben sich nach Darstellung von Dulger rechtskonform verhalten. Die unabhängige Vorsitzende der Mindestlohnkommission habe diesen letzten Vorschlag gemacht und mitgetragen. „Wenn jemand einen Tabubruch begeht, dann der Bundeskanzler. Er hat zugesagt, nicht mehr in die Arbeit der Mindestlohnkommission eingreifen zu wollen“, sagte Dulger weiter.

Für die Wirtschaft, die Arbeitsplatzsicherheit und die Tarifautonomie ist es nach den Worten des BDA-Chefs „brandgefährlich, aus wahlkampftaktischen Gründen den Druck auf die Mindestlohnkommission stetig zu erhöhen – und das bereits mehr als ein Jahr vor der nächsten Entscheidung“.

Auch der Ökonom Stefan Kooths kritisiert Scholz’ Vorstoß zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. „Die derzeitige Debatte um den Mindestlohn zeigt vor allem eins: Mit der Anhebung auf zwölf Euro im Oktober via Regierungsintervention ist die Politisierung nicht beendet worden, sondern geht weiter“, sagte der Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. „Ein nach politischer Opportunität geführter Überbietungswettlauf im Wahlkampf wird der Rolle des Lohnes als Preissignal auf dem Arbeitsmarkt nicht gerecht, und die Tarifautonomie wird weiter zurückgedrängt.“

Die Argumente gegen den Mindestlohn würden weiterhin schwer wiegen. „Insbesondere ist er als sozialpolitisches Instrument zu wenig zielgenau“, sagte Kooths. Längst nicht alle Mindestlohnbezieher seien bedürftig. Ein „armutsfester“ Mindestlohn bleibe daher eine Schimäre. „Unabhängig davon ist ein bundesweiter Mindestlohn ohnehin konzeptionell fragwürdig, weil er für die Arbeitsmarkt- und Kaufkraftunterschiede in verschiedenen Regionen blind ist“, sagte der Ökonom. „Was in München unschädlich ist, kann in strukturschwachen Regionen beschäftigungsschädlich sein.“ Marktkräfte könnten das viel besser differenzieren. Sie spielten zunehmend für die Arbeitnehmerseite, was zusätzliche staatliche Regulierungen noch fragwürdiger mache, so Kooths.

Die Argumentation, die Mindestlohnregulierung hätte bislang keine negativen Arbeitsmarkteffekte gezeitigt, sei so nicht haltbar. „Etwa die Hälfte der hierzu vorliegenden Studien zeigt Beschäftigungseinbußen, wobei die Bandbreite groß ist und bis zu 260.000 Stellen reicht“, sagte Kooths. Hinzu kämen noch negative Effekte durch die Arbeitsreduzierung.

Die Forderung nach einer Lohnuntergrenze von 15 Euro war zuvor auch aus den Reihen von Grünen, Linken sowie der Gewerkschaft Verdi gekommen. Damit alle mit ihrem Einkommen auskommen könnten, sei ein gesetzlicher Mindestlohn noch in diesem Jahr von 14 Euro und im nächsten Jahr von 15 Euro geboten, sagte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt kürzlich. Auch aus der SPD wurde Kritik laut, die geplante Anhebung sei zu niedrig. (dpa)

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