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Kurzzug hält mittig. Immer öfter müssen die Wagen, die West-Berlin einst für seine S-Bahn anschaffte, in die Werkstatt. Auf den Strecken fehlen sie dann.

© imago/Jürgen Heinrich

Fahrplan leidet unter kaputten Zügen: S-Bahn = Schrott-Bahn

Weil es nicht mehr genügend intakte Fahrzeuge gibt, werden die Züge der Berliner S-Bahn kürzer oder fallen ganz aus. Schuld daran ist auch der Senat.

Die große Krise der S-Bahn mit dem massenweisen Ausfall von Fahrten soll vorbei sein. Und auch ein neuer Streik ist derzeit nicht in Sicht. Trotzdem ist der Normalbetrieb noch lange nicht erreicht. Das Unternehmen hat vielmehr – bei einem ohnehin abgespeckten Angebot – erneut einen Wagenmangel. Die Folge: Züge fahren mit weniger Wagen als vorgesehen. Oder Fahrten fallen aus. Weil mehr Fahrzeuge in die Werkstatt müssen als geplant, fehlen die Wagen jetzt zunehmend im Betrieb.

Zunächst hatte die S-Bahn, wie berichtet erklärt, nur die Reserve sei aufgebraucht, an Tagen mit einem „höherem Störgeschehen (Polizei- und Notarzteinsätze, Infrastruktur- oder Fahrzeugstörungen)“ könne es in „Einzelfällen“ zu Zugausfällen oder verkürzten Zügen kommen. In den vergangenen Tagen waren aber häufiger verkürzte Züge zu beobachten, vor allem auf der nachfragestarken Ost-West-Stadtbahn. Und am gestrigen Sonntag twitterte die S-Bahn lapidar: „Leider entfallen einzelne Fahrten“ auf den Linien S 1 (Wannsee–Oranienburg) und S 9 (Flughafen Schönefeld–Pankow).“

Den größten Mangel gibt es bei den Altbaufahrzeugen der Baureihe 480, die in den 1980er Jahren im Auftrag der BVG entwickelt und gebaut worden waren. Die BVG war von 1984 bis 1994 für den Betrieb der S-Bahn im Westteil der Stadt zuständig. Nach der Wende bestellte die Reichsbahn nochmals eine Serie dieser Bauart. Insgesamt gab es davon 85 Doppelwagen, Viertelzug genannt. Die gesamte Fahrzeugflotte besteht aus 650 Doppelwagen.

Senat verschlief Ausschreibung

Die 70 heute noch vorhandenen Doppelwagen der Reihe 480 sollten 2017 ausgemustert werden. Weil der Senat die Ausschreibung des Betriebs auf dem Ring – und damit auch das Bestellen neuer Züge – verschlafen hat, müssen die Oldtimer nun mindestens bis 2023 durchhalten. Das schaffen sie nur, indem sie ein aufwändiges Werkstattprogramm durchlaufen – wie auch die fast zeitgleich für die Reichsbahn der DDR gebauten Bahnen der Reihe 485 mit ihren heute noch vorhandenen 80 Doppelwagen. Rund 50 Einzelschritte zur Sanierung hat ein Expertenteam ermittelt.

Risse an den Drehgestellen

Bei regelmäßigen Kontrollen habe sich gezeigt, dass Risse an den Drehgestellen sofort beseitigt werden müssten, hatte die S-Bahn im April mitgeteilt. Vorgesehen war die Drehgestell-Sanierung innerhalb des „Maßnahmekonzepts“ erst in den nächsten Jahren. Die Reparaturzeit sei lang, weil die Drehgestelle im Bombardier-Werk in Siegen bearbeitet werden müssten, sagte der Bahnsprecher.

Unabhängig von diesem Problem sind Züge der Reihe 480 abgestellt, weil sie ihre Laufleistungsgrenze überschritten haben und nun komplett überholt werden müssen. Weitere Doppelwagen stehen unmittelbar vor dem Erreichen der Laufleistungsgrenze und müssen dann ebenfalls aus dem Verkehr genommen werden. Und auch Unfälle machen der Reihe 480 zu schaffen: Ausschließlich sie sei, warum auch immer, zuletzt von Sturmschäden betroffen gewesen, sagte der Sprecher. Bei dem Zug, der im Januar auf dem Ring gegen einen umgestürzten Baum gefahren war, seien alle sechs Wagen beschädigt worden und immer noch nicht wieder fahrbereit.

Zu wenig Wagen um Fahrplan einzuhalten

Um den derzeitigen Fahrplan einhalten zu können, muss die S-Bahn 532 Doppelwagen einsetzen. Der Senat hat sogar den Einsatz von 562 Doppelwagen bestellt. Derzeit könnten in der Regel zwischen 520 und 530 losgeschickt werden, sagte der Sprecher.

Immerhin: Im Herbst sollen zumindest die Probleme mit den Drehgestellen behoben sein. Und bei der S-Bahn hofft man, dass es dann auch keine weiteren Überraschungen geben wird, die zum Ausfall von Zügen führen.

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