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Das teuerste Bild der Messe liefert George Condo mit seiner Comic-Katze, die über eine Million Euro kostet.

© Misa/König Galerie

Kunstmesse in St. Agnes: Aus der Knautschzone

Supershow der Bilder: Der Galerist Johann König geht mit seiner „Messe in St.Agnes“ auf Kundenfang.

Es brennt in Kreuzberg. Vorerst bloß auf einem Bild von Bernd Zimmer, das trotz seiner enormen Maße und seines Alters – es ist nicht bloß wild gemalt, es stammt auch aus den frühen achtziger Jahren – knapp über 60.000 Euro kosten soll. „Auto, brennend (Bullenwinkel)“ heißt die rot-orange Feuerorgie vor nächtlicher Hochhauskulisse. Ein Stück Zeitgeschichte, das die Kunstmesse MISA in St. Agnes zwischen weiteren Vertretern jener heißen Berliner Phase präsentiert: Rainer Fetting, Bernd Koberling, Helmut Middendorf, Elvira Bach.

MISA firmiert als nun dritte Ausgabe des ungewöhnlichen Verkaufsformats, das nach den Kriterien des Kunstmarktes gar keine Messe ist. Denn dort bieten stets mehrere Galerist:innen unter eigenem Namen Werke von Künstlern an, die sie vertreten. Im säkularisierten Kirchenraum des Galeristen Johann König aber wirkt nun alles, als käme es aus Königs Händen, weil die Messe in den Galerieräumen stattfindet. Und während diesmal nahezu alles an MISA noch ein Stück professioneller geworden ist – die Quantität des Angebots, die temporäre Architektur, der von der neuen Messedirektorin Lena Winter fein kuratierte Überblick –, fehlt in der Schau nun jeder Hinweis darauf, wer die Bilder und Skulpturen eigentlich verkauft.

König selbst steuert Kunst von Katharina Grosse, Erwin Wurm oder Alicja Kwade bei, den herausragenden Protagonisten seines Programms. Vieles andere aber kommt von Kollegen, Sammler:innen und Künstler:innen, die (noch) ohne Galerie sind. Bei erfolgreicher Vermittlung winkt König eine Provision, sein Kapital ist nicht zuletzt ein junges, im digitalen Business reich gewordenes Sammlerpublikum, mit dem er sich unablässig vernetzt. Dass letzteres angesprochen werden soll, machen die angebotenen NFTs von Stars der Digital Art wie Pionierin Claudia Hart oder Manuel Rossner deutlich, der auf einem Screen leuchtend blaue Farbwürmer aufeinanderprallen lässt: fiktive Räume und Knautschzonen zu Preisen ab 2000 Euro. Aber auch die Texttafeln in den gut sortierten Segmenten der MISA erzählen von neuen Kunden, die erst lernen müssen, wer ein Maler wie Bernd Zimmer überhaupt ist.

Den umfassenden Internetauftritt begleiten noch mehr Werke, ihre Preise lassen sich mithilfe der Datenbank Artfacts abgleichen, damit sofort einsehbar wird, was andere Arbeiten derselben Künstler kosten. Überhaupt bricht MISA mit der sonst üblichen klandestinen Verkaufspolitik. Jedes Werke der Messe ist für alle sichtbar ausgepreist, und so stromert man durch die an visuellen Reizen überreiche Ausstellung und staunt darüber, wie hoch inzwischen Hans Hartung mit seinen informellen Gemälden rangiert, die im kleineren Format bis 285.000 Euro kosten, und für wie wenig weiterhin ein Bild von Ulrich Erben zu haben ist, dessen „Farben der Erinnerung“ für 34.000 Euro angeboten werden.

Die Messe erklärt Kunstgeschichte

Satt erweitert hat sich das Angebot von Namen und Strömungen. Die Kunst der siebziger Jahre fällt einem aus dem Großformat „Blondine schön braun“ (29.500 Euro) von Hermann Albert förmlich entgegen – ein Dokument figürlicher Malerei wie männlicher Arroganz, die heute bloß noch nervt. Aber MISA experimentiert, geht weg von Gängigem und probiert etwas, das andere etablierte Kunstmessen in der Vergangenheit nicht mehr leisten wollten: Sammler jenseits des Kanons mit wenig präsenten Positionen zu überraschen. Die sollen bitte selbst entscheiden, was von der Kunst des 20. Jahrhunderts sie interessiert.
[MISA, St. Agnes, Alexandrinenstr. 118-121, bis 22. August, www.misa.art]

Das führt unter anderem zur Erweiterung des Angebots um Malerei aus der ehemaligen DDR, sonst eine Domäne weniger Galerien und Auktionshäuser. Bilder von Max Uhlig, Walter Libuda oder Gerhard Altenbourg sind für Summen zwischen 2000 und 25000 Euro zu erwerben. Einziger Ausreißer: das expressive Quadrat „Der verbrauchte Ikarus“ von Bernhard Heisig, das mit Mehrwertsteuer knapp 300 000 Euro kosten soll.

Es geht aber noch höher. Ein Preis von 1,3 Millionen Euro macht den monumentalen Comic-Kater von George Condo zum teuersten Werk und dokumentiert, was der Bildbesitzer der Messe und damit Johann König an Vermittlungstalent zutraut. Falsch ist das nicht. Berlin fehlt seit dem Wegfall der Kunstmesse Art Berlin im vorvergangenen Jahr eine Plattform für international hoch gehandelte Künstler wie Condo. Königs Messe hat die Lücke erst mit der improvisierten „Messe in St. Agnes“ gefüllt und baut das bislang erfolgreiche Modell nun sukzessive aus. Dennoch handelt es sich um eine durchaus explosive Mischung.

St. Agnes wird ja nicht bloß für zwei Wochen zur Handelsplattform. Im Bewusstsein der Besucher mischen sich die Modelle Galerie und Messe. Für Johann König ist das kein Problem, er hat die klassischen Grenzen zwischen Primär- und Sekundärmarkt längst überwunden. Schwierig dürfte es es für jene Galeristen werden, die schon jetzt bloß noch online als „Einlieferer“ gelistet sind. Jedes ihrer in St. Agnes gezeigten Werke trägt zugleich das Label „König“. Und wenn es irgendwann heißt: Das habe ich bei König gekauft, ohne dass die anderen Galeristen noch eine Rolle spielen, dann wird es richtig heiß in Kreuzberg. Denn dann beginnt der Kampf um die nächste Generation von Käufern. Christiane Meixner

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