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Flüchtling auf Kreta. Die Stärkung des Frontex-Mandats geschah nicht zuletzt auf Drängen Griechenlands.

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Europäischer Grenzschutz: Frontex bekommt mehr Macht - aber rettet keine Flüchtlinge

Die Europäische Union stattet ihre Sicherheitsagentur Frontex mit zusätzlichen Befugnissen aus. Künftig soll sie mit eigenem Personal die europäischen Außengrenzen schützen.

Vom heutigen Donnerstag an wird die Europäische Grenzschutzagentur Frontex ein weiteres Mal mehr Rechte und Mittel bekommen. Die EU-Behörde, die ihren Sitz in Warschau hat, soll ab sofort auch Mitgliedsstaaten zwingen können, die sie im Verdacht hat, ihre Grenzen nicht ausreichend abzudichten, oder die Nicht-EU-Bürger nicht oft genug abschieben.

Die Behörde, die ursprünglich lediglich Koordinationsaufgaben für gemeinsame Grenzschutzaktionen der EU-Staaten hatte, erhält zudem eine stehende, 1500 Männer und Frauen starke Truppe und wird sich künftig Flugzeuge selbst mieten dürfen, ohne davon abhängig zu sein, ob die Mitglieder sie zur Verfügung stellen – das lief in der Vergangenheit oft schief.

Frontex macht damit, so sagte es kürzlich ihr Chef Fabrice Leggeri dem Handelsblatt, einen großen Schritt hin zu einer „echten EU-Grenzpolizei“. Weitere müssten folgen. Dass man erst auf halbem Weg zwischen einem nationalen System und einem gemeinschaftlichen sei, sei keine sonderlich „komfortable Situation“. Die innenpolitische Sprecherin der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier, lobte denn auch im Juli, als die Reform durchs Straßburger Parlament ging: Zum ersten Mal hätten sich Mitglieder und EU-Parlament geeinigt, gemeinsam Verantwortung für den Schutz der Außengrenzen zu übernehmen.

Ein wesentlicher Punkt der Frontex-Reform sind auch Operationen außerhalb der EU. Im Gespräch sind dabei etwa Mazedonien und Serbien, die in der Flüchtlingskrise des vergangenen Jahres eine Schlüsselrolle hatten. Aber auch der Frontex-Chef spricht davon, dass die EU wegen der Migrationsströme „mit den Staaten im Nahen Osten oder in Afrika zusammenarbeiten“ müsse. Libysche Grenzschützer werden mithilfe von Frontex bereits ausgebildet.

Dass Frontex schon bisher mehr war als eine bloße Koordinierungsstelle, zeichnete sich in den vergangenen Jahren vor allem im Budget des Warschauer Amts ab, das nur eine Richtung kannte: steil nach oben: Lag es im letzten Jahr noch bei 142 Millionen Euro, kletterte die Rechnung für Frontex in diesem Jahr auf 250 Millionen und soll im nächsten Jahr 330 Millionen Euro betragen.

Suche und Rettung

Eigentlich sollte auch die Rettung von Flüchtlingen und Migranten Teil des Frontex-Mandats sein. Die innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im Straßburger Parlament, Birgit Sippel, hatte noch im Sommer betont, dass es „überfällig“ gewesen sei, dass die Agentur nun auch ausdrücklich für die Suche nach und Rettung von Menschen verantwortlich sein soll.

Doch das, so klagt ihre Grünen-Kollegin, die Migrationspolitikerin Ska Keller, sei nun vom Europäischen Rat, also den nationalen EU-Regierungen, abgeschmettert worden. „Obwohl Frontex jetzt eine Agentur für Grenz- und Küstenschutz ist, gehören Rettungsoperationen nicht zum Mandat“, erklärt Keller. „Die EU schottet sich damit weiter ab und wälzt ihre Verantwortung für Flüchtlinge auf Länder außerhalb Europas ab. Sie nimmt in Kauf, dass Menschenrechte und der Schutz von Flüchtlingen unter die Räder geraten.“

Frontex und Seenotrettung ist allerdings nicht erst jetzt ein heikles Thema. Schon als die italienische Rettungsaktion „Mare nostrum“ im November 2014 auslief und die europäische „Triton“-Mission an ihre Stelle trat, war zwar von einer Fortsetzung der Rettungen die Rede. Tatsächlich aber merkten Frontex-Offizielle immer wieder an, das sei nicht Teil des Mandats ihrer Behörde und es gebe dafür auch nicht die nötigen Mittel. Die Bundesregierung bestätigte diese Lesart in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.

Dennoch legt die EU immer wieder Wert darauf zu betonen, dass ihre Einsätze im Mittelmeer, an denen auch die Bundesmarine beteiligt ist, Menschenleben rette. 22 000 waren es den Angaben nach bis September. Die italienische Küstenwache teilte am Mittwoch mit, sie habe zu Beginn der Woche mehr als 4600 Migranten aus dem Mittelmeer vor Libyen gerettet. Bei den mehr als 30 Einsätzen am Dienstag seien auch 28 Leichen geborgen worden, teilte die Küstenwache mit. (mit rtr)

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