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Danzigs Bürgermeister Pawel Adamowicz

© Reuters/Agencja Gazeta/Bartosz Banka

Messerattacke auf Pawel Adamowicz: Danziger bangen um ihren Oberbürgermeister

Danzigs populäres Stadtoberhaupt ringt nach einem Messerangriff um sein Leben. Die Bürger stehen Schlange, um Blut zu spenden für Pawel Adamowicz.

In Danzig stehen die Menschen Schlange. Sie wollen Blut spenden für ihren beliebten Oberbürgermeister. Pawel Adamowicz ringt um sein Leben. Er war am Sonntagabend am Rande einer Benefizveranstaltung von einem Messerstecher attackiert worden. Mehrere Stiche trafen ihn in die Brust nahe dem Herzen und in den Unterleib, ehe Sicherheitskräfte den 27-Jährigen überwältigen konnten. Adamowicz schwebt nach einer mehrstündigen Operation weiter in Lebensgefahr.

Täter hatte psychische Probleme

Nach bisheriger Erkenntnis war es ein unpolitisches Attentat. Es ereignete sich aber in einem parteipolitisch aufgeladenen Kontext. Der Messerstecher gab an, er habe unschuldig im Gefängnis gesessen und sei dort „gefoltert“ worden. Dafür mache er die damalige Regierungspartei „Bürgerplattform“ verantwortlich, und deshalb müsse Adamowicz sterben.

Der Angreifer wohnt in Danzig und hatte fünf Jahre wegen Banküberfällen im Gefängnis gesessen. Kürzlich war er entlassen worden. Während der Haft sei er mit psychischen Problemen aufgefallen, hieß es in polnischen Medien.

Wahlsieg ohne Unterstützung der Partei

Der 53-Jährige Adamowicz ist seit 20 Jahren Bürgermeister von Danzig. Viele Jahre war er Mitglied der liberalen Bürgerplattform. Vor drei Jahren trat er aus und ist seither parteilos. Bei der Kommunalwahl im Herbst hatte er für die Vereinigung „Alles für Danzig“ kandidiert und war zum sechsten Mal zum Bürgermeister gewählt worden. Die Bürgerplattform hatte Polen von 2007 an acht Jahre regiert. 2015 verlor sie die Parlamentswahl. Seither ist die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ an der Macht. In den Großstädten hat die Bürgerplattform jedoch weiter die Mehrheit.

Adamowicz war am Sonntag beim Finale der Spendenaktion „Wielka Orkiestra Swiatecznej Pomocy“ (zu deutsch: Großes Orchester der Weihnachtshilfe) aufgetreten. Die WOSP ist eine der größten Benefizveranstaltungen in Polen. Sie sammelt Geld für medizinische Geräte in Krankenhäusern und konzentriert sich jedes Jahr auf eine andere Patientengruppe: Kinder, Herzkranke, Neugeborene, Insulinpatienten, Krebskranke. Bei Spendern bedankt sie sich mit einem Aufkleber in Form eines roten Herzens sowie im Sommer mit dem „Pol'and' Rock-Festival“ in Küstrin an der Oder, das auch den Spitznamen „Polnisches Woodstock“ hat. Das Finale der Spendenaktion fällt traditionell auf den ersten oder zweiten Sonntag des neuen Jahres. 2019 fand es auf dem Kohlemarkt in Danzig statt. Der Angreifer stürmte die Bühne kurz vor 20 Uhr und stach auf den Oberbürgermeister ein. Danach wandte er sich in einer triumphierenden Geste an die vor der Bühne versammelten Menschen.

Die Spendenaktion ist Teil des politischen Wettbewerbs

Nach dem Regierungswechsel 2015 hatten die Behörden und die Katholische Kirche der Aktion ihre Unterstützung entzogen. Sie werfen dem Gründer Jerzy Owsiak eine Zweckentfremdung von Geldern vor. Die Opposition hat die Unterstützung für WOSP daraufhin zu einem politischen Bekenntnis gegen die PiS-Regierung gemacht. 2018 sammelte WOSP 126 Millionen Zloty ein (30 Millionen Euro). Der Betrag ist zweieinhalb Mal so viel wie 2015, dem letzten Jahr vor dem Regierungswechsel zur nationalkonservativen PiS.

Pawel Adamowicz wurde 1965 in Danzig geboren, besuchte das traditionsreiche Nikolaus-Kopernikus-Gymnasium und studierte Jura an der Danziger Universität. 1988 war er Anführer des Streikkomitees der Universität, das an der Seite der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc für ein Ende des kommunistischen Machtmonopols eintrat. Sie hat ihren Ursprung in den Arbeiterunruhen auf der Danziger Werft. Nach dem Sturz der Diktatur wurde Adamowicz Prorektor der Uni für studentische Angelegenheiten und parallel ins Stadtparlament gewählt. 1998 wurde er Bürgermeister. Er ist eine progressive Stimme im heutigen Polen und setzt sich, zum Beispiel, für Homosexuelle ein.

Polnische Politiker aller Parteien verurteilten den Angriff. Präsident Andrzej Duda rief dazu auf, für Adamowicz zu beten.

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