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Augen zu und durch. Dominic Peitz (r.) im Luftduell mit dem Wolfsburger Divock Origi. Mit Kiel verpasste der 34-Jährige im Mai in der Relegation gegen den VfL den Bundesliga-Aufstieg, 2015 scheiterte er mit dem KSC am HSV. Für den 1. FC Union machte Peitz zwischen 2009 und 2011 47 Zweitligaspiele (5 Tore, 6 Vorlagen).

© Fabian Bimmer/Reuters

1. FC Union - Holstein Kiel: Dominic Peitz: "Fußballer müssen Statements liefern"

Kiels Dominic Peitz über das Duell mit seinen ehemaligen Kollegen von Union, die Özil-Debatte und den Umbruch bei Holstein.

Von David Joram

Herr Peitz, wie hat der Kaffee mit Bruno Labbadia geschmeckt?

Wir haben leider noch keinen zusammen getrunken...

...obwohl Sie nach dem verpassten Aufstieg im Mai mit Kiel gegen seine Wolfsburger im 11Freunde-Interview sagten, Sie würden sich über einen Anruf freuen – „um mal einen Kaffee trinken zu gehen.“

Vielleicht hat er das Interview einfach nicht gelesen.

Labbadia hat ein Team vor dem Abstieg bewahrt, von dem Sie sagten, die Spieler seien die Saison über „mit Geld zählen beschäftigt gewesen.“ Wollten Sie wissen, wie er das geschafft hat?

Es war eine emotionale Aussage im Nachgang meiner eindeutigen Aussage, dass Wolfsburg über beide Spiele hinweg die bessere Mannschaft war. Prinzipiell ist es einfach so, dass Labbadia ein großartiger Spieler war und als Trainer immer bewiesen hat, dass er mit Drucksituationen besonders gut umgehen kann. Egal ob in Stuttgart, beim HSV oder in Wolfsburg. Seine Sicht auf die Dinge wäre für mich sicher interessant. Und man muss ja nicht immer über Fußball reden, das können auch andere Dinge sein.

Die Özil-Debatte etwa?

Ein heißes Thema. Da muss man aufpassen, was man sagt. Das wird ja schnell in die eine oder andere Richtung ausgelegt.

Und intern, in der Kabine?

Das Foto von Özil mit Erdogan war für mich zunächst kaum ein Thema. Ich war im Urlaub. Und mittlerweile haben sich viele zu Wort gemeldet, das Ganze ist immer umfangreicher geworden, mit vielen Facetten. Sich da eine richtige Meinung zu bilden ist nicht einfach.

Bietet Holstein Kiel Platz für gesellschaftliche Diskussionen?

Die sportliche Ebene nimmt sehr viel Raum ein. In erster Linie muss der Verein also schauen, dass das Team funktioniert, dass die Mitglieder, Fans und Sponsoren zufrieden sind und sich wiederfinden.

St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig fordert, dass der Fußball Werte vermitteln müsse. Kommt das bisher also zu kurz?

Fußballspieler sind öffentliche Figuren, die Trends setzen und großen Einfluss haben können. Ich habe mal die Fairplay-Medaille erhalten, als ich noch bei Union spielte – da habe ich auch gesagt, dass der Fußball ohne Werte verliert. Und klar: Werte muss man übertragen und Statements liefern. Zum Beispiel finde ich es klasse, dass sich Neven Subotic mit seiner Stiftung in Äthiopien für den Brunnenbau einsetzt. Da würde ich gern mal mitfahren. Einen Kaffee zwischen Saint-Étienne und Kiel zu vereinbaren, könnte zwar schwierig werden, aber vielleicht meldet er sich ja, wenn er das hier liest (lacht).

Sollten Fußballer auch in politischen Fragen klarer Stellung beziehen?

Ich finde es nicht schlimm, wenn es manche nicht tun. Man steht als Fußballer eh schon im Rampenlicht und sollte sich nicht zu viel draus machen, dass man Fußballer ist. Leider zweckentfremden einige ihre Stellung und nehmen sich zu wichtig.

Und nun zum Sport: Warum kommt das offensiv ausgerichtete Holstein-Spiel unter dem neuen Trainer Tim Walter nicht mehr ganz so euphorisch daher wie unter Markus Anfang, der zum 1. FC Köln ging?

Unseres hohes Pressing in der letzten Saison war prägnant. Das sah aber vielleicht nur deshalb so euphorisch aus, weil wir zudem im Ballbesitz die vorgegebene Linie befolgt und zwei, drei Optionen verinnerlicht haben. Wenn du dann zehn, zwölf etablierte Spieler, den Manager und den Trainer wechselst, funktioniert hinterher eben nicht alles genauso wie vorher. Es kann auch ein anderer Weg zum Erfolg führen, in unserem Falle der von Tim Walter. Es bringt uns überhaupt nicht weiter, immer zu vergleichen, was letztes Jahr war. Umstellungen brauchen eine gewisse Zeit, das ist in jedem Beruf so.

Einen Absturz in die Dritte Liga wie ihn der KSC oder Braunschweig in Folge der verlorenen Relegation erlebt haben, wird es in Kiel also nicht geben?

Wir sind nach 36 Jahren gerade mal wieder seit einem Jahr in der Zweiten Liga. Wir haben eine wirklich beeindruckende Saison gespielt und jetzt geht’s weiter. Wir sollten weiter demütig bleiben und an der Entwicklung und dem Fortschritt unseres Vereins arbeiten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Für Sie ist im Sommer mit der aktiven Karriere Schluss?

Sag niemals nie im Fußball, wobei der Weg grundsätzlich klar ist: Ich stehe kurz vor meinem Bachelor-Abschluss im Sportbusiness-Management und kann mir gut vorstellen, dann in diesem Bereich zu arbeiten. Die Kontakte sind da, meine Familie und ich fühlen uns in Kiel sehr wohl. Ich bin offen für viele Richtungen, am Ende ist aber auch entscheidend, wie es mit dem Verein weitergeht. Besteht überhaupt eine Vakanz? Ergibt sich ein Mehrwert für beide Seiten? Ein spannendes Aufgabenfeld? Das muss man alles ausloten.

Sie standen in dieser Saison bislang kein einziges Mal im Kader. Arg frustriert?

Dass man mit 34 Jahren nicht mehr erste Geige spielt, ist kein Drama. Ich bin mit meinem sportlichen Leben zufrieden, gerade auch mit der Zeit in Kiel. Im ersten Jahr sind wir in die Zweite Liga aufgestiegen und dort dann sensationell Dritter geworden. Jetzt gilt es, professionell mit der Situation umzugehen.

Auch gegen gegen Union sitzen Sie auf der Tribüne. Wollen Sie einen Tipp abgeben?

Nee, ich werde dieses Spiel einfach nur genießen. Die Alte Försterei ist einmalig.

Das Gespräch führte David Joram.

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