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Berlin: Als Marzahn Weltpolitik machte

Vor 25 Jahren entstand ein neuer „Stadtbezirk“: Senat und West-Alliierte sahen es mit Argwohn

Was könnte Bezirksbürgermeister Uwe Klett (PDS) feiern? Den Bezirk, wie er einst geschaffen wurde, gibt es nach seit drei Fusionsjahren nicht mehr. Sein Name führte einst zu diplomatischen Verwicklungen. Ein Jubiläum ist es aber doch: Genau vor 25 Jahren wurde offiziell der Ost-Berliner „Stadtbezirk“ Marzahn gegründet.

Schon 1977 waren im Nordosten, auf früherem Acker- und Kleingartengebiet, die ersten von rund 60 000 Plattenbauwohnungen hochgezogen worden, was im Westen niemanden sonderlich aufregte. Als aber die Ost-Berliner Stadtverordnetenversammlung auf Drängen von Staats- und Parteichef Erich Honecker am 5. Januar 1979 den Lichtenberger Ortsteil Marzahn offiziell zum neuen „Stadtbezirk“ erklärte, schien der Weltfriede in Gefahr. Ein Sprecher der Alliierten erklärte damals, es verstoße gegen den Vier-Mächte-Status von ganz Berlin, die Zahl der Ost-Berliner Bezirke von acht auf neun zu erhöhen. Der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Heinrich Lummer, sah den Vier-Mächte-Status „provokativ in Frage gestellt“, der Senat reagierte weniger heftig. Die drei West-Alliierten konsultierten wegen Marzahn die Regierung in Moskau und stellten danach fest, ihre Rechte seien nicht bedroht. Sie warnten die Ost-Berliner Behörden aber, ihre Ankündigung wahrzumachen und in einigen Jahren das Bezirksgelände auf DDR-Gebiet auszudehnen. Deren Außenministerium konterte, die Organisation der städtischen Hauptstadt sei souveräne DDR- Angelegenheit.

Die politische Stimmung war bei der Geburt des neunten Ost-Berliner Stadtbezirks denkbar frostig. „9. Stadtbezirk“ wurde Marzahn zunächst auch genannt, was das westliche Wilmersdorf ärgerte, das auch den Anspruch erhob, im Gefüge der West-Berliner Bezirke neunter zu sein.

Marzahn war nicht nur aus westlicher Sicht schwer zu begreifen. Es bestand eben nicht nur aus der eintönigen Hochhauslandschaft, die da emporwuchs. Da gehörten auch der kleine dörfliche Kern dazu, ebenso Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf, von denen die letzten beiden später dem 1986 entstandenen Stadtbezirk Hellersdorf zugeschlagen werden sollten. Da wurden Bezirksgrenzen kräftig verändert, wie schon 1985 bei der Gründung von Hohenschönhausen, das Weißenseer Ortsteile, aber auch Stücke von Pankow bekam.

Der Senat und die Alliierten verfolgten mit Argwohn, wie da am Berliner Nordostrand herumgedoktert und tatsächlich hier und da auch die Grenze überschritten wurde: Nördlich von Marzahn und östlich von Hellersdorf etwa. Grundlage hierfür war eine Vereinbarung zwischen den „Bezirksplankommissionen“ Berlin und Frankfurt/Oder zur „Entwicklung der Hauptstadt der DDR-Berlin“, wobei „Befugnisse der örtlichen Organe der Staatsmacht“ vom Bezirk Frankfurt an den Ost-Berliner Magistrat übertragen wurden.

Aus (welt)politischen Gründen blieben die Liegenschaften formal beim Bezirk Frankfurt/Oder, verwaltet aber wurden sie von den Ost-Berliner Behörden. So konnte die Sowjetunion den Westmächten immer wieder versichern, dass sich die nordöstlichen Stadtgrenzen nicht verändert hätten.

Das kleine Dörfchen Marzahn aber, Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden, im 18. Jahrhundert sogar von Pfälzern besiedelt, geriet als Namensgeber des großen Bezirks fast in Vergessenheit.

Uwe Klett, Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, lädt zwar nicht zum großen Feiern ein, dafür aber zur öffentlichen Gesprächsrunde mit allen früheren Bezirksbürgermeistern. Mittwoch, 19 Uhr, im Foyer des alten Marzahner Rathauses, Helene-Weigel-Platz 8.

Christian van Lessen

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