zum Hauptinhalt

Berlin: Der Glanz der goldenen Soultage

Eine Tribute-Show im Estrel feiert den 50. Geburtstag des legendären Plattenlabels Motown

So schnell kann’s gehen mit dem Popstarruhm. Eben war Martha Reeves noch eine unbekannte Background-Sängerin aus Detroit und im Hauptberuf Sekretärin beim Plattenlabel Motown, und schon landete sie 1964 mit „Dancing in the Street“ auf Platz 2 der US-Billboard-Charts und wurde über Nacht zum Soulstar der Sechziger.

Wie das kam? Ganz einfach, erzählen William „Mickey“ Stevenson, Motowns künstlerischer Leiter, und Martha Reeves am Dienstag lachend im Estrel Festival Center. Songwriter Stevenson und Sänger Marvin Gaye waren mit keinem der Demotapes zufrieden, die sie einst zusammen spät abends im Motown-Studio produzierten. Außer ihnen war nur noch Martha Reeves im Haus. Die wurde kurzerhand zum Singen rangeholt, und fertig war der Hit.

Das ist nur eine von unzähligen Pop-Legenden rund um die berühmte Hitschmiede der R&B-Musik. Ab dem heutigen Mittwoch sind die Storys live und aus erster Hand bei „Memories of Motown“ zu hören. Das Estrel in Neukölln feiert den 50. Geburtstag der Plattenfirma – der eigentlich erst am 12. Januar ist – mit einer glamourösen Tribute-Show. Dazu haben sich neben den Doppelgängern berühmter Motown-Stars wie Diana Ross und den Supremes, Marvin Gaye oder Jackie Wilson außer der Chart-Stürmerin Martha Reeves weitere echte Helden aus goldenen Soultagen angesagt: The Miracles und The Contours. Letztere landeten mit „Do you love me“ ebenfalls einen der sagenhaften 110 Top-Ten-Hits, die Motown zwischen 1961 und 1971 berühmt machte.

Die in die Musikshow eingebundenen Geschichten aus den Anfangstagen des 1959 gegründeten Labels erzählen Leute, die dabei waren: Al Abrams, Motowns erster fest angestellter Mitarbeiter und späterer PR-Direktor, der damals „als weißer Jude schwarze Musik an weiße Radio-DJs bringen sollte“, wie er erzählt. Und eben Mickey Stevenson, der mit seiner Künstler- und Songauswahl den berühmten satten Motown-Sound geschaffen hat.

„Wir wollten eigentlich nur Musik machen“, grinst Stevenson, „und nicht Geschichte“. Aber genau das passierte, denn Motown wurde die wichtigste unabhängige Plattenfirma der USA und revolutionierte in den Sechzigern und Siebzigern das Selbstbewusstsein der schwarzen Amerikaner: Zum ersten Mal waren schwarze Musiker erfolgreicher als weiße, und Bands wie die Temptations, Four Tops, Jackson 5 oder später The Commodores und Stevie Wonder wurden mehrheitsfähig. Der elegante Mainstream-Soul begeisterte als „The Sound of Young America“ schwarze wie weiße Teenager. Die steckten nachts alle unter ihren Bettdecken und hörten im Radio heimlich Motown-Songs, erzählt Mickey Stevenson. „Obwohl die Eltern es gehasst haben.“ Da sei der für Motown selbst unerwartete Erfolg ihres Sounds fast wie ein Fingerzeig Gottes in einer von Rassenhass erfüllten Zeit gewesen.

Und was genau ist nun der Motown-Sound, der bei all den vielen Künstlern mal nach Rock’n’Roll, Twist, Funk oder Soul klingt? Da grübelt der angegraute Musikmanager und kommt dann auf die Formel: „Talent, Liebe und Familiensinn“. Das gegossen in Supersongs wird darüber hinweg trösten, dass Diana Ross oder Stevie Wonder nicht live bei „Memories of Motown“ dabei sind und das Plattenlabel vor Jahren vom Musikriesen Universal geschluckt wurde.

„Memories of Motown“ im Estrel Festival Center, Sonnenallee 225, Neukölln, 7.Januar bis 1. Februar, Mi-Sa 20.30 Uhr, Sa/So 17 Uhr, Tickets 19-47 Euro, Tel. 6831-6831

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false