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Das böhmische Viertel in Neukölln zeigt die deutlichsten Spuren der tschechischen Glaubensflüchtlinge.

© imago/Joko

Von Kafka bis „Raumschiff Enterprise“: Neue Stadtführung zeigt die Spuren böhmischer Einwanderer in Berlin

Das Tschechische Zentrum will Berlinern und Touristinnen das kulturelle Erbe früher Einwanderer näherbringen. Dafür gibt es eine neue Führung von Mitte bis Neukölln.

An verschiedenen Orten in Berlin lässt sich noch heute der Einfluss der früheren böhmischen Bewohner:innen feststellen. Viele denken dabei zunächst vor allem an das Böhmische Dorf rund um den Richardplatz in Neukölln, in dem noch heute Nachfahren der tschechischen Glaubensflüchtlinge leben.

Aber auch an anderen Orten der Stadt haben tschechische Einwander:innen Spuren hinterlassen: nicht zuletzt der wohl bekannteste, Franz Kafka. Mit einer neuen Stadtführung will das Tschechische Zentrum ab Ende Mai auf das kulturelle und architektonische Erbe im Stadtbild aufmerksam machen.

Architekturhistorikerin Bettina Güldner beginnt ihre zweistündige Führung am Potsdamer Platz in Mitte, wo sie über das Berlin von Kafka spricht. „Berlin ist eine so viel bessere Stadt als Wien, dieses absterbende Riesendorf … Die stärkende Wirkung von Berlin fühle ja selbst ich oder vielmehr weiß ich, ich würde sie zu spüren bekommen, wenn ich nach Berlin übersiedelte“, schrieb der Autor 1914 in einem Brief.

Bettina Güldner ist Dozentin für Kunstgeschichte und Kuratorin. Sie hat sich auf die Geschichte von Architektur und Design spezialisiert.

© Zuzana-Markéta Macková

Rund um den Potsdamer Platz finden sich die meisten Bezugspunkte Kafkas: Da wäre das frühere Hotel Askanischer Hof, wo er residierte. Das befand sich am gleichnamigen Platz am Anhalter Bahnhof, an dem heute unter anderem auch das Redaktionsgebäude des Tagesspiegels steht.

Am Potsdamer Platz selbst befand sich das berühmte Künstlercafé Josty, das Kafka häufig besuchte. Und gleich nebenan am Leipziger Platz wurde im Kaufhaus Wertheim das letzte und wahrscheinlich berühmteste Porträtfoto des Autors aufgenommen.

Die Führung führt dann zum Gebäude der Tschechischen Botschaft in der Wilhelmstraße, das 1978 nach Entwürfen der Architektin:innen Věra Machoninová und Vladimír Machonin eröffnet wurde.

Mittlerweile gilt das Haus, das oft auch als „Raumschiff Enterprise“ betitelt wird, als Architekturikone. Das futuristische Gebäude wird aktuell erstmals renoviert und kann nur von außen besichtigt werden.

Die Tschechische Botschaft in Mitte trägt den Spitznamen „Raumschiff Enterprise“.

© Thilo Rückeis TSP

Die stärksten Spuren hinterließen die Religionsflüchtlinge: Sie wurden im 18. Jahrhundert während der Zwangskatholisierung der böhmischen Länder gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Eine neue fanden sie erst rund um das heutige Hallesche Tor und, bei einer zweiten Siedlungswelle, im damaligen Rixdorf.

Teils campierten Hunderte böhmische Einwander:innen in der Hasenheide, weil sie zunächst keine Häuser hatten. Vor allem das Böhmische Dorf erinnert heute an diese Geschichte: Die Nachfahr:innen halten die Erinnerung und auch Traditionen weiter lebendig. Die Böhm:innen gründeten hier eigene Kirchen, eine Dorfschule (in der sich heute das Böhmische Archiv befindet) und den Gottesacker, also Friedhof.

Neben den Anwohner:innen zeugen heute etwa der in den 1990er Jahren angelegte Comeniusgarten und das Strohballenrollen Popráci (das leider zuletzt ausfallen musste) vom kulturellen Erbe. Die Stadtführung endet dann auch in Rixdorf, bei einem Rundgang durch die erhaltenen dörflichen Strukturen.

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