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Geld verpestet die Welt. Aktivisten protestieren gegen die Klimapolitik der Europäischen Zentralbank.

© Sebastian Bellwinkel

Von der Bewegung zum Konzern: Grün, grüner, Greenpeace

Eine Arte-Dokumentation rekapituliert 50 Jahre Umweltbewegung von den Anfängen bis zu den Profi-Aktionen

Während der Fußball-EM im Juni dieses Jahres stürzte ein Kamikazeflieger in die Münchener Allianz-Arena. Düstere Erinnerungen wurden wach. Denn das letzte Mal, als Deutschland in Paris gegen Frankreich spielte, hörte man im Fernsehen Schüsse: der gespenstische Auftakt für einen Massenmord.

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Diesmal war es kein islamistischer Selbstmordattentäter. Mit dieser halsbrecherischen Inszenierung, bei der glücklicherweise niemand zu Tode kam, versuchte Greenpeace die TV-Öffentlichkeit für eine Ökobotschaft zu nutzen. Von dieser Aktion spannt der Fernsehautor Sebastian Bellwinkel einen weiten Bogen zurück bis zu den Anfängen der Umweltschützer.

Gegründet wurde die Organisation am 15. September 1971 im kanadischen Vancouver. Eine Gruppe von Hippies, Buddhisten und Kriegsdienstverweigerern hatte eine zündende Idee. Sie lasen Marshall McLuhan und wussten: Das Medium ist die Botschaft. In diesem Sinn attackierten die Ökopaxe – nach dem gescheiterten Versuch, einen amerikanischen Atomtest zu verhindern – ein russisches Walfangschiff. Ein Harpunier massakrierte währenddessen einen Potwal. Das Meer färbte sich blutrot. Diese Bilder, mit einer hochwertigen Kamera dokumentiert, ploppten in den Medien auf.

[„Von der Ökobewegung zum Konzern. 50 Jahre Greenpeace“, Arte, Donnerstag, 20 Uhr 15]

Mit solchen „mind bombs“ wurde Greenpeace 1975 über Nacht berühmt. Fortan inszenierten sich die Schlauchbootaktivisten als raubeinige Helden der Zivilgesellschaft im Kampf gegen Umweltsünder und Robbenschlächter. Dank ihrer öffentlichkeitswirksamen Methode expandierten die Ökokrieger zu einem globalen Netzwerk, das schon bald über viele Millionen Dollar verfügte. Die französische Regierung hatte so viel Angst vor ihnen, dass sie die „Rainbow Warrior“, mit der die Aktivisten gegen Kernwaffentests auf dem Mururoa-Atoll protestieren wollten, 1985 versenken ließ.

Warum hat dieser Skandal dem französischen Ableger keinen Auftrieb verschafft? Diese Frage wird nicht vertieft. Bellwinkel konzentriert sich in seinem Film auf die deutsche Abteilung, die mit ihrer Besetzung der Ölplattform „Brent Spar“ im Jahr 1995 einen der spektakulärsten Erfolge für Greenpeace erzielte.

Umweltministerin Merkel

Ein Fernsehinterview mit Angela Merkel, damals Umweltministerin, erinnert daran, wie Spitzenpolitiker sich die grüne Botschaft reflexartig zueigen machten. Gegen die Wucht der Kampagne hatte Shell nicht den Hauch einer Chance. Der Kampf David gegen Goliath hatte sich ins Gegenteil verkehrt – Greenpeace war zu einem Goliath geworden.

Angestachelt von spektakulären TV-Bildern, boykottierten Autofahrer seinerzeit den Shell-Konzern. Sie tankten aber gedankenlos bei Esso oder Aral, Konzerne, die aber nicht besser sind als Shell. Der NDR-Redakteur Jochen Graebert, der seinerzeit mit auf der „Brent Spar“ war, kritisiert den Tankstellenboykott heute „als ein Stück Heuchelei“.

Verdienste der Idealisten

Der Film würdigt durchaus die Verdienste der Greenpeace-Idealisten, die dafür sensibilisierten, dass die Notwendigkeit, unsere Lebensgrundlagen zu schützen, allgemein anerkannt wird. Allerdings verdeutlicht die Dokumentation auch die Sackgasse des sich allmählich totlaufenden Kampagnen-Aktivismus. Greenpeace wendet sich gegen Bösewichte. Man fragt aber nicht „nach den Strukturen, die dahinter stehen“.

Der Film verdeutlicht, wie sich die in die Jahre gekommenen Öko-Aktivisten sich verjüngen. So zieht Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan mit Luisa Neubauer, dem jugendlichen deutschen Gesicht von „Fridays for Future“, demonstrativ an einem Strang. Die vom Bundesverfassungsgericht stattgegebene Klage gegen das Klimaschutzgesetz, größter Erfolg der hiesigen Schulstreiker, sei von Greenpeace finanziert worden. Schlauchboot-Helden von einst werden zu diskreten Strippenziehern. Manfred Riepe

Manfred Riepe

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