zum Hauptinhalt
Der israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir.

© AFP/Menahem Kahana

„Die größte Abrissaktion an einem Tag seit 2010“ : Israel macht 47 Beduinenhäuser in der Negev-Wüste dem Erdboden gleich

350 Beduinen werden durch die Abrissaktion in der Negev-Würste obdachlos. Israels rechtsextremer Polizeiminister Ben-Gvir und die rechte Siedlerbewegung jubeln.

Israel hat am Mittwochmorgen 47 Häuser in einem nicht anerkannten Beduinendorf in der Negev-Wüste abgerissen. Nach Angaben des israelischen Adalah-Rechtszentrums für Minderheiten handelt es sich um „die größte Abrissaktion an einem einzigen Tag“ seit 2010. Betroffen sind demnach 350 Beduinen, die durch die Abrisse obdachlos wurden.

Der israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, lobte das Vorgehen unter seiner Führung. Der Abriss der illegalen Gebäude sei „ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Regierungsführung“ in dem Gebiet, schrieb er am Mittwoch auf der Plattform X. Die israelische Polizei führe einen „brutalen Krieg“ im Negev gegen jene, die „sich Land aneignen und versuchen, vor Ort eine andere Realität zu schaffen“.

Nach Angaben von Adalah hatten die israelischen Behörden zunächst versucht, die Bewohner des nichtanerkannten Ortes Wadi al-Khalil in einen Teil des benachbarten Dorfes Umm al-Batin zwangsumzusiedeln. Die dortigen Bewohner hätten jedoch Neuzuzüglern mit Gewalt gedroht. Bitten der Ortsbewohner, in einem neuen Stadtteil von Tel Scheba angesiedelt zu werden, wurden demnach abgelehnt.

Kritik am Abriss

Der Vorsitzende der Vereinten arabischen Liste, der arabisch-israelische Abgeordnete Mansour Abbas, kritisierte den Abriss. „Alle Versprechungen, die Probleme der Beduinen im Negev anzugehen, werden in Abrissen und der Vertreibung von Familien aus dem Land ohne eine gerechte Lösung umgesetzt“, so Abbas auf X.

Erfreut zeigte sich unterdessen die rechte israelische Siedlerorganisation „Regavim“. Die betroffenen Beduinen seien „Eindringlinge in staatliches Land“ und blockierten seit Jahren den Ausbau der Autobahn 6, die eine wichtige Lebensader für Israel sei, schreibt die Organisation auf X.

Rund die Hälfte der rund 250.000 in Stämmen organisierten Beduinen in der Negev-Wüste lebt in Dörfern, die aus israelischer Sicht illegal errichtet wurden

Israels konfliktreiches Verhältnis mit Beduinen

Die Beduinen in der Negev-Wüste sind eine in Stämmen organisierte, traditionelle islamisch-arabische Minderheit. Sie sind die Nachfahren nomadischer Hirtenstämme, die seit Jahrhunderten die Region bewohnen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Stämme teilweise sesshaft, verstärkt nach der Gründung Israels 1948 und auf Druck der israelischen Politik.

Viele Beduinen verließen im israelischen Unabhängigkeitskrieg das Gebiet in Richtung Jordanien oder Sinai-Halbinsel. Nach dem Sechstagekrieg (1967) entstanden in der Negev-Wüste sieben Beduinensiedlungen, darunter Rahat, die heute mit rund 80.000 Einwohnern größte arabische Stadt Israels. Daneben entstanden Dutzende Beduinendörfer, von denen bis heute 35 nicht von Israel anerkannt sind.

Die Bevölkerung zählt rund 250.000 Beduinen in 25 Stämmen, viele von ihnen mit israelischer Staatsbürgerschaft. Knapp die Hälfte der Beduinen lebt in nichtanerkannten, aus israelischer Sicht illegalen Dörfern. Ihre Siedlungsfläche beträgt rund 10 Prozent des Negev. Viehwirtschaft spielt weiterhin eine große Rolle in der beduinischen Gesellschaft.

Das Verhältnis zwischen den Beduinen und dem Staat war seit der Staatsgründung konfliktreich. Streitigkeiten über Grundbesitz, Landenteignungen und Umsiedlungsprogramme sorgten für Spannungen. Israel macht geltend, dass es rund 60.000 ungenehmigte Bauten innerhalb beduinischer Siedlungen gibt, und geht immer wieder mit Evakuierungs- und Abrissbefehlen dagegen vor.

Mit der Nichtanerkennung bestimmter Dörfer versucht Israel, die Beduinen dazu zu bewegen, in bereits anerkannte Städte zu ziehen, die zu den am stärksten vernachlässigten Städten des Landes gehören. Die betroffenen Beduinen weigern sich mehrheitlich, weil sie damit ihre Ansprüche auf ihr historisches Land verlören. (KNA)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false