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Alessandra Todde ist die neue Regionalpräsidentin auf Sardinien.

© dpa/Lapresse

Melonis erste Niederlage: Italiens linke Mitte gewinnt Regionalwahl auf Sardinien

Zum ersten Mal seit Übernahme der Regierung in Rom verliert das Rechtsbündnis. Die sozialdemokratische Oppositionsführerin kann dagegen erstmals aufatmen.

Nach fast eineinhalb Jahren weitgehend ruhigen Regierens haben Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und ihr Rechtsbündnis in der Nacht zum Dienstag den ersten schmerzhaften Rückschlag kassiert: Sie haben die erste Regionalwahl – Italiens Regionen entsprechen deutschen Bundesländern – verloren. Die Wahlen in den wichtigen Regionen Latium und der Lombardei hatte die Rechte dagegen vor etwas mehr als einem Jahr für sich entschieden.

Neue Regionalpräsidentin wird die studierte Ingenieurin und Politikerin der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Alessandra Todde (Titelfoto), die mit 45,4 Prozent ihren Konkurrenten von rechts, Paolo Truzzu (45 Prozent), mit einem hauchdünnen Vorsprung abhängen konnte.

Toddes Erfolg ist, kurios genug, zugleich einer für Elly Schlein, als Chefin des größeren sozialdemokatischen Partito democratico (PD) auch Oppositionsführerin. Schlein hatte gegen Widerstände in der eigenen Partei durchgesetzt, dass auf der Insel kein Mitglied des PD ins Rennen ging.

Erfolg für die Strategie der Oppositionschefin

Stattdessen wurde Todde, Mitglied des kleineren M5S, zur gemeinsamen Kandidatin der Opposition in Rom, unterstützt von den beiden größeren und der kleinen links-grünen Allianz. Der Erfolg der Strategie verschafft Schlein jetzt mindestens eine Atempause. Der klassisch sozialdemokratische Kurs nämlich, auf den sie die Partei seit ihrer Wahl vor einem Jahr gebracht hat, ist in ihrer Partei ganz und gar nicht unumstritten.

Die Schwerpunkte Mindestlohn, ökologischer Umbau, der Einsatz für Frauen- und Minderheitenrechte: Das scheint einigen Parteifreund:innen alles zu links. Der PD, der 2007 aus Resten der KP, der christdemokratischen Linken und liberalen Überbleibseln hervorging, war von Anfang an ein Flickenteppich unterschiedlichster Interessen und Überzeugungen. Davon zeugt unter anderem eine lange Liste kurz amtierender Parteichefs.

Der Wind dreht sich.

Elly Schlein, Chefin der oppositionellen Partei PD, zum Erfolg auf Sardinien

Der Erfolg auf der Insel ist für die PD-Chefin einer nach Maß: „Die schönste Art, den ersten Jahrestag meiner Wahl zu feiern“, erklärte sie am Dienstag bei ihrer Ankunft auf Sardinien.

Schlein durfte sich zugleich darüber freuen, dass ihre Partei den Verzicht auf den eigenen Kandidaten nicht bezahlen musste: Der sardische PD wurde stärkste Partei, wenn auch mit keinem berauschenden Ergebnis: Magere 13,8 Prozent genügten für den Spitzenplatz, dem Melonis Fratelli d’Italia (FdI) mit 13,6 Prozent folgen. FdI musste damit quasi eine Halbierung ihres Erfolgs von 2019 hinnehmen.

National sind die Zahlen der Rechten ziemlich stabil

Schlein kann jetzt hoffen, über den Erfolg ihrer großzügigen Geste, den Chef des M5S – der es nur auf die gute Hälfte des PD-Ergebnisses brachte, 7,8 Prozent – zu weiteren Schulterschlüssen zu bewegen. Schließlich hat der Verzicht des PD nicht nur Sardinien die erste Frau an der Spitze beschert, sondern dem M5S die erste Regionalpräsidentschaft überhaupt.

Damit könnte die Zerrissenheit des Mitte-Links Lagers überwunden werden, das in den letzten 30 Jahren immer dann unterlegen war, wenn es einer meist geeinten Rechten getrennt entgegenmarschierte.

Kollege Giuseppe Conte freilich, zwischen 2018 und 2022 italienischer Ministerpräsident, entzog sich Schleins Werben bisher öfter, aus Sorge ums Überleben seiner Partei, aber wohl auch um die eigene Sichtbarkeit.

Bis zur Ära Schlein versuchte eher der PD, die Konkurrenz kleinzuhalten, zu der die eigenen Wähler:innen etwa ein Jahrzehnt lang in Scharen abgewandert waren.

Wenn ich etwas nicht ertrage, dann ist das Illoyalität.

Giorgia Meloni, italienische Ministerpräsidentin, nach der Wahl auf Sardinien

„Der Wind dreht sich“, erklärte Elly Schlein, als spät in der Nacht die Auszählung der Stimmen auf Sardinien beendet war. Das allerdings ist noch nicht ausgemacht. Die Zahlen der regierenden Rechten sind national recht stabil.

Die Siegesgewissheit scheint auf der Rechten hingegen vorbei. Man werde die Fehler analysieren, hieß es am Dienstag vom Regierungslager. Für Italiens Medien scheinen sie festzustehen: „Ein Übermaß an Selbstsicherheit“, urteilte der konservative Corriere della sera.

Risse im Bündnis werden tiefer

Was in Zahlen nur wie ein kleiner Rückschlag aussehe, heiße viel mehr – auch für die Ministerpräsidentin. Schließlich habe sie persönlich ihren Kandidaten durchgesetzt. Neben zu viel Siegesgewissheit sei der Rechten auch die falsche Einschätzung zum Verhängnis geworden, es genüge „irgendein Kandidat, um eine vereinte Opposition praktisch im Vorbeigehen zu schlagen“ .

Melonis Stimmung war denn auch am Dienstag nicht die beste. Sie sei ja schon als 15-Jährige eher ernst gewesen, scherzte sie während eines Treffens mit Roms ausländischer Presse am Abend. „Was soll ich da heute sein?“ Ein Tag nach Sardinien, das sei „nicht einer der schönsten Abende zu feiern“, sagte sie.

Und fügte beim Plaudern über sich selbst, Vorlieben und Schwächen, hinzu, eigentlich könne sie nur „Illoyalität“ nicht ertragen. An diesem Abend ließ sich das durchaus als Urteil über ihren Bündnispartner Matteo Salvini verstehen.

So wie der ihr vorwirft, gegen seinen Kandidaten in Sardinien ihren durchgeboxt zu haben, wirft sie ihm trotzigen Boykott vor. Er habe Wahlkampf nur für seine Lega gemacht, nicht für den gemeinsamen Kandidaten. Die Risse im Bündnis sind mit dieser Woche tiefer geworden.

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