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Reporter der Karibik. Seit seiner Piraten-Rolle spielte Johnny Depp vor allem fantastische Typen. Diesmal ist er ein Journalist, der 1960 auf Puerto Rico strandet.

© Wild Bunch

Literaturverfilmung: Die Bestechlichen

Traurige Tropen in Puerto Rico: In „The Rum Diary“ nach Hunter S. Thompson spielt Johnny Depp einen Journalisten, der zwischen Korruption und Moral ins Taumeln gerät.

Wer 1960 aus den USA nach San Juán auf Puerto Rico fuhr, der wollte einen All-inclusive-Urlaub: Glücksspiel, Suff und Sonne, vielleicht ein bisschen Sex – all das war für Dollars zu haben in diesem Außengebiet der Vereinigten Staaten. Weil auf Puerto Rico all das weiterhin existierte, dem in Kuba ein Jahr zuvor ein Ende bereitet worden war, von Fidel Castro und seinen Leuten. Billiger Rum, karibische Traumstände, korrupte Verwaltungsangestellte und eine liberale Steuergesetzgebung machten das Archipel zum idealen Nährboden für die Profitgier von Investoren jeglicher Couleur.

Die Massentouristen sind also schon da, als der Journalist Paul Kemp 1960 auf der Insel eintrifft, um dort einen Job als Reporter der „Daily News“ anzutreten. Ein desillusionierter Dreißiger, den die Abenteuerlust mal hierhin, mal dorthin verschlägt, jetzt eben nach San Juán. Die Zeitung wird von einem Dutzend gescheiterter Existenzen gemacht, die sich eigentlich für Helden halten – Kemp passt bestens in diesen Trupp. Eingeweiht ins Tropenleben wird er von dem Fotografen Bob Sala, der kein schlechter, aber ein schwacher Kerl ist, wie die anderen Kollegen auch. Kemp wiederum wird von Johnny Depp als eine Art tropischer „Mad Man“ dargestellt: Sein Styling und die Trinksitten erinnern an die Kultserie. In einem nicht enden wollenden Rumrausch taumelt Depp alias Kemp über die Insel.

Dennoch, er ist neu, er kommt angeblich aus New York, und so erscheint er den Investoren und ihren PR-Leuten als der geeignete Mann für Werbetexte. Zum ersten Mal in seinem Leben muss Paul Kemp sich über journalistisches Ethos und Loyalitäten, über Moral und Freundschaft Gedanken machen. Johnny Depp, der verrückte karibische Pirat, der auch in jüngerer Zeit fantastische Rollen spielte – den verrückten Hutmacher in „Alice im Wunderland“ oder einen Vampir in „Dark Shadows“, beides bei Tim Burton –, muss diesmal auf den Habitus als Exzentriker verzichten. Sein Protagonist ist ein verzweifelter, bindungsunfähiger Halbintellektueller, dem jedes stabile Wertesystem abhanden gekommen ist.

Die Figur passt in die von Autor und Regisseur Bruce Robinson in schmuddeliges, grün-gelbes Licht getauchte traurige Tropenatmosphäre der „Rum Diaries“. Rund um die Hotels finden sich zwar die Hütten der Einheimischen, aber Touristen und Puertoricaner kommen kaum miteinander in Berührung. Teile des Strands sind privatisiert, und da das Land auf einer Insel ein knappes Gut darstellt, ist den amerikanischen Investoren jedes Mittel recht, um mit Unterstützung mafiöser Einheimischer in seinen Besitz zu kommen.

Der dem Film zugrunde liegende Roman stammt von Hunter S. Thompson. Der 1937 geborene US-Journalist war um 1960 selbst auf Puerto Rico, ein Teil der geschilderten Erlebnisse dürfte auf seinen eigenen Erinnerungen basieren. Berühmt wurde Thompson vor allem mit seinem Roman „Fear and Loathing in Las Vegas“, der 1998 verfilmt wurde, ebenfalls mit Johnny Depp in der Hauptrolle. Die Essenz der „Rum Diaries“ hat Regisseur Robinson kongenial erfasst: Auch der Film lässt keinen Zweifel an der kritischen Haltung gegenüber der Anfang der 60er Jahre weithin akzeptierten Expansionspolitik der USA, die ihren Einflussbereich immer weiter ausdehnte. Robinson gesteht der Insel eigene, beinahe bösartige Kräfte zu, mit denen sie Einheimische wie Zugereiste in ihrem Bann hält. Rum und Sonne erweichen den Verstand besonders bei denjenigen, die ihn am dringendsten bräuchten.

In 18 Berliner Kinos. OmU: Odeon, OV: Cinestar Sony-Center

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