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Das historische Bauhausgebäude in Dessau (Foto) ist auch heute noch die Hauptattraktion für Besucher der Stadt.

© Arnulf Hettrich

Bauhaus in der DDR: Im Schatten der Parteiideologie

Im Arbeiter- und Bauernstaat wurde das Bauhaus einst geächtet – und später gefeiert.

Die Auseinandersetzung mit dem Bauhaus war in Ostdeutschland immer eine politisch brisante Angelegenheit, stets verbunden mit grundlegenden Fragen zu Architektur, Design, bildender Kunst, Pädagogik, Fotografie und anderen Medien. In den ersten Jahren nach Kriegsende war in der sowjetischen Besatzungszone ein weites Spektrum an gestalterischen Konzepten möglich. Das Bauhaus wurde dabei oft wie in Westdeutschland als ein von der nationalsozialistischen Ideologie unbeflecktes Phänomen, ja geradezu als deren Opfer gewertet, an dem eine neue Gesellschaft anknüpfen sollte.

So wurden an mehreren Orten wie Weimar, Berlin-Weißensee, Halle an der Saale und Dresden Architektur- und Gestaltungshochschulen wieder- und neu eröffnet, die bewusst das Bauhaus als Vorbild nannten. Bezüge auf gestalterische Konzepte aus dem Bauhaus finden sich auch an anderen Orten, etwa in Dessau.

Oft schon vor Gründung der DDR im Jahre 1949 endeten diese Entwicklungen vorzeitig, es setzte eine Politik ein, die sich gegen moderne Konzepte richtete. Auch mit Druck der sowjetischen Besatzungsmacht wurden die Prinzipien des „sozialistischen Realismus“ massiv durchgesetzt. Der Höhepunkt der Ablehnung des Bauhauses war die sogenannte Formalismusdebatte. Im „Kampf gegen Formalismus in Kunst und Architektur“ wurden „modernistische“ Gestaltungs- und Planungsmethoden von Politikern der SED als ein Affront zu den propagierten „nationalen Traditionen“ gesehen. Architektur wurde ab 1950 als eine spezifische Form ideologisch wirksamer Kunst zur Erziehung des „neuen Menschen“ aufgefasst. Beispielhaft hierfür ist die damalige Stalinallee in Ost-Berlin. Trotz des „Kampfes um die nationalen Traditionen“ gab es andere Auffassungen, die weniger offensichtlich an Bauhaus-Konzepte anknüpften. Ein Beispiel von vielen ist das Rundfunkzentrum in der Ost-Berliner Nalepastraße (1951–1956) von Franz Ehrlich.

Der Kurswechsel geschah aus ökonomischen Zwängen

Der baupolitische Kurswechsel geschah vor allem aus ökonomischen Zwängen und wurde durch eine Rede Nikita Chruschtschows von 1954 eingeleitet, in der er die konsequente Industrialisierung des Bauens forderte. In der DDR setzte das erst in der kurzen Phase des „Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ ab 1961 ein, als Wissenschaft und Technik und moderne Managementmethoden einen höheren Stellenwert erhielten. Besonders im Bauwesen wurden Erfahrungen des Neuen Bauens der 1920er Jahre und mit ihnen das Bauhaus wieder interessant. Das herausragende Projekt jener Jahre war die Entstehung von Halle-Neustadt (1961–1974), geleitet vom Bauhäusler Richard Paulick, der zuvor auch an der Stalinallee beteiligt gewesen war.

In der Auseinandersetzung der politischen Systeme ging es den Staatsoberen der DDR ab 1961 weniger um Konkurrenz im Kulturellen, sondern eher im Sinne eines Lebensstandards, der vom Konsum bestimmt war. Besonders das Design – anders als zuvor – war herausgenommen aus engen ideologischen Debatten. Das konnte den Blick frei machen zu thematisieren, welche Verantwortung Gestalter aller Disziplinen gegenüber der menschlichen Umwelt als Ganzes haben.

Gleichzeitig begann die Forschung zum Bauhaus. 1963 wurde die deutsche Übersetzung einer sowjetischen Publikation vom Institut für angewandte Kunst, dem späteren Amt für Industrielle Formgestaltung, herausgegeben. Mitte der 1960er Jahre erschienen die ersten Bücher ostdeutscher Autoren, es gab erste Ausstellungen. Doch war diese Auseinandersetzung nicht ohne ideologische Hemmnisse, einige schon vorliegende Studien wurden erst Mitte der 1970er Jahre veröffentlicht.

Das Bauhaus wird zum Teil der offiziellen Kultur der DDR

Als Staatsziel wurde 1971 verkündet, das Wohnungsproblem bis 1990 zu beseitigen. Der Siegeszug der Plattenbauten begann, begründet mit Prinzipien aus dem Bauhaus. Die Krisen der DDR-Wirtschaft ließen kaum gestalterische Spielräume, die Zeiten der großen Namen in der Architektur der DDR waren vorbei. Es erscheint paradox, dass genau in dem Moment, in dem im Westen die postmoderne Kritik am Bauhaus einsetzte, das Bauhaus in der DDR zu einem Hoffnungsträger wurde. An der Hochschule für Architektur- und Bauwesen in Weimar besann man sich ab 1970 wieder auf das Bauhaus. Der bis 1976 wichtigste Beförderer dieser Entwicklung war der Architekt und Hochschullehrer Konrad Püschel, von 1926 bis 1930 am Bauhaus Dessau Student bei Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe. Er begeisterte auch Bernd Grönwald, später Vizepräsident der Bauakademie der DDR, der eine Strategie in der Aktualisierung des Bauhauses entwickelte. Er begann sie mit Geschick umzusetzen. So konnte die Finanzierung für eine Restaurierung des Bauhausgebäudes 1975 auf Regierungsebene geklärt werden.

Ein „Ständiger Arbeitskreis Bauhausforschung in der DDR“ entwickelte ein Netzwerk, das sich international ausweitete. Im Oktober 1976 fand in Weimar das erste Internationale Bauhaus-Kolloquium statt, am 4. Dezember wurde das restaurierte Bauhausgebäude in Dessau eröffnet. Konrad Püschel, Hubert Hoffmann, Max Bill, Richard Paulick und Grete Reichardt waren beteiligt. Das Bauhaus war nun Teil der offiziellen Kultur der DDR. 1976 wurde zudem das Wissenschaftlich-kulturelle Zentrum (WKZ) Bauhaus Dessau gegründet, das dem Bauhaus durch Ausstellungen, Vorträge und dem Aufbau einer Sammlung Präsenz und Kontinuität verlieh. Viele der Projekte, die das Bauhaus Dessau – wie sich die Institution ab 1987 wieder nannte – initiierte, scheiterten. 1994 wurde die Stiftung Bauhaus Dessau gegründet.

Der Autor ist Sammlungsleiter der Stiftung Bauhaus Dessau.

Wolfgang Thöner

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