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Fitna

© AFP

Anti-Islam-Video ''Fitna'': Stille nach dem Sturm

Leon de Winter, Geert Mak und andere: Wilders’ Film und die Stimmung in Holland.

Das war beinahe zu erwarten: Im Streit um das Anti-Islam-Video „Fitna“ haben die Botschafter von 26 muslimischen Ländern die niederländische Regierung am Montag aufgefordert, rechtliche Schritte gegen den 15-minütigen Film des umstrittenen Politikers Geert Wilders einzuleiten. Laut Außenminister Maxime Verhagen prüft die Staatsanwaltschaft den Fall; der Verband der Marokkaner in den Niederlanden sowie einzelne Moscheen und Juristen haben Strafanzeige gegen Wilders erstattet.

Umstritten ist Geert Wilders, der nach seinem Austritt aus der liberalen Partei VVD 2006 die rechtsgerichtete Partei der Freiheit gründete, seit geraumer Zeit: wegen seiner provokanten Islamkritik, seiner Forderung eines Einwanderungsstopps für Muslime und des Versprechens, für die Streichung des Diskriminierungsverbots in der Verfassung zu sorgen. Seit dem Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh vor dreieinhalb Jahren wird er selbst mit dem Tod bedroht. Sein Wohnort ist geheim, er wird rund um die Uhr bewacht. Spätestens nachdem Wilders den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ verglichen hatte, waren die Niederlande wegen der Ankündigung seines Films in heller Aufregung.

Was kaum jemand erwartete: Jetzt, nach der Internet-Veröffentlichung von „Fitna“ am vergangenen Donnerstag, ist es still in den Niederlanden. Die erhitzte Debatte über Integration und den Islam ist fast verstummt – auch wenn sich etliche Intellektuelle kontrovers zu Wort melden. So versteht der Schriftsteller Leon de Winter („Der Himmel von Hollywood“) nicht, warum viele seiner Landsleute so lakonisch auf „Fitna“ reagieren. „Mich schmerzen die Bilder der Zerstörung der Twin Towers noch immer sehr. Ich kann mir dieses Massengrab eigentlich nicht mehr ansehen. Wenn man all die Gräueltaten in diesem Film sieht, ist das eine schreckliche Sammlung. Und daran ist nicht Wilders schuld, sondern die Menschen, die diese Taten begangen haben.“

Als Kolumnist des Wochenblatts „Elsevier“ setzte sich de Winter jahrelang scharf mit dem Aufstieg des radikalen Islams auseinander. Ende 2007 schrieb er seine letzte Kolumne, weil „ich annähernd alles gesagt habe, was ich sagen möchte“. Eigentlich müsste er jetzt Politiker werden, aber er wolle nun lieber an seinem neuen Roman schreiben. „Schriftsteller haben nicht die Pflicht, ihre Bekanntheit für gesellschaftliche und politische Diskussionen zu nutzen.“

Damit ist der Schriftsteller und Historiker Geert Mak, nicht einverstanden. Laut Mak, der für sein Buch „In Europa. Eine Reise durch das 20. Jahrhundert“ gerade mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wurde, ist es die Bürgerpflicht jedes Niederländers, sich mit Integration und Rassismus auseinanderzusetzen. „Das macht jeder auf seine Weise: ein Lehrer in der Klasse, ein Polizist auf der Straße, ein Autor auf dem Papier.“ In seinen Augen ist „Fitna“ ein „schreckliches, demagogisches Werk, eine reine Hasspredigt. Offenbar sind manche Leute von den Vorurteilen immunisiert, die seit Jahren tropfenweise wie Gift verabreicht werden.“

Dass es nach der Veröffentlichung des Films keine Unruhen gab und „die meisten Niederländer, Muslime wie Nichtmuslime, sich nicht provozieren ließen“, freut Mak. Es sei „der Beweis, dass die Gesellschaft sich nach dem Mord an Theo van Gogh langsam wieder aufrichtet. Seit dem Attentat im November 2004 war lange kein zivilisiertes Gespräch über die Einwandererproblematik möglich. Es sieht so aus, als habe sich da etwas geändert.“

Der Romancier und Essayist Joost Zwagerman („Die Nebenfrau“) spricht von einer „Verbrüderung“. „Der Protest gegen Wilders eint alle Niederländer, die Einheimischen und die mit ausländischer Herkunft.“ Allerdings glaubt er nicht, dass mit dem Streit über den Islam jetzt Schluss ist.

„Die politische Linke versteht noch immer nicht, wie sie sich verhalten soll. So ist etwa die Emanzipation von Frauen und Homosexuellen, seit Jahrzehnten zentrale Themen für die Progressiven in Holland, durch den intoleranten Zweig des Islams bedroht. Und die Kolumnisten der alten Schule, die sich nicht scheuen, unseren Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende ein ‚Christenschwein’ zu nennen, würden es nie wagen, etwas Vergleichbares zu einem Moslem zu sagen.“

Der Schriftsteller und Dramatiker Ilja Leonard Pfeijffer, der zur jungen Generation der progressiven Intellektuellen gehört, streitet sich in seiner Zeitungskolumne für „nrc.next“ häufig mit Populisten wie Wilders. Bereits in seinem Theaterstück „Das Jahrhundert meiner Tochter“ setzte er sich mit den Kleingeistern in seinem Land auseinander. Da er glaubt, „dass die Bühne für politische Kunst besser geeignet ist als das Buch“, will er dort auch künftig Aktualitäten aufgreifen.

Wilders selbst kündigte gestern an, seinen Film „Fitna“, der auf Internetseiten wie Youtube nach wie vor zu sehen ist und der Bilder von Mordanschlägen muslimischer Terroristen mit Koran-Zitaten kombiniert und ein Ende der „Islamisierung“ fordert, an zwei Stellen zu korrigieren. Er will die Mohammed-Karikatur des dänischen Zeichners Kurt Westergaard entfernen, der Wilders wegen Urheberrechtsverletzungen belangen wollte. Außerdem will er das Foto des Rappers Salah Edi ersetzen, das fälschlicherweise als Bild des Mörders von Theo van Gogh ausgegeben wird. (mit epd und AFP)

Bart Funnekotter

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