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Laurent (Guillaume Canet) und Alice (Alba Rohrwacher) sinnieren über Lebensentscheidungen und verpasste Möglichkeiten.

© Alamode Film

„Zwischen uns das Leben“ im Kino: Fiebrige Wunden und sensible Espressomaschinen

In seinem Liebesfilm „Zwischen uns das Leben“ erzählt Stéphane Brizé ganz unverbraucht und ohne Kitsch die Geschichte eines Wiedersehens nach 15 Jahren.

Der Laufcoach erscheint zu spät zur vereinbarten Trainingseinheit am Strand und hat nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Er sei gerade einem Seeregenpfeifer begegnet, erklärt er dem griesgrämig dreinblickenden Schauspieler Laurent. Das Zusammentreffen mit einer so seltenen, vom Aussterben bedrohten Tierart sei etwas Besonderes, sogar zu einem intensiven Blickkontakt sei es gekommen: „Ich habe alle seine Reisen in seinen Augen gesehen“. Kurz darauf hat Laurent (Guillaume Canet) selbst eine Begegnung, die tief in die Vergangenheit weist und ihn empfänglich für andere Erfahrungen macht.

Stephane Brizé gilt im französischen Kino eigentlich als Spezialist für eindringliche, dokumentarisch auftretende Dramen über Arbeitskämpfe und das Ringen um menschliche Würde – in Filmen wie „Streik“ (2019) und „Un autre monde“ (2021) auch mit deutlich erzieherischem Gestus.

In „Zwischen uns das Leben“ wirft Brizé (in Zusammenarbeit mit der Journalistin und Drehbuchautorin Marie Drucker) dagegen einen ironisch-distanzierten Blick auf einen privilegierten Mann, der bei einem Spa-Aufenthalt mit ganz anderen Dingen zu kämpfen hat: einer besonders sensiblen Espressomaschine etwa, einem Massagegerät und seinem angeknackstem Ich.

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Mitten in den Proben zu seinem ersten Auftritt auf einer Theaterbühne hat Laurent, in einem Magazinbeitrag gerade noch mit „Der Wagemutige“ betitelt, plötzlich kalte Füße bekommen. Weshalb er nun im Bademantel in einem aseptischen, halb verlassenen Thalazzo-Zentrum an der Westküste Frankreichs herumsitzt, schlechte Drehbücher liest, weint und Selfies mit Therapeuten macht.

Die Tücken des modernen Lebens

Die Nachricht vom Aufenthalt des Filmstars macht schnell die Runde und erreicht auch seine frühere Liebe Alice (Alba Rohrwacher), die mit Mann und Tochter ganz in der Nähe lebt. Und so entwickelt sich „Zwischen uns das Leben“ von der anfänglich komödiantischen Betrachtung eines krisengeplagten Mannes und den Tücken des modernen Lebens zu einem fließenden, weichen und zuweilen auch wehmütigen Drama über Lebensentscheidungen und verpasste Möglichkeiten.

Beim ersten Wiedersehen erzählen sich Laurent und die Klavierlehrerin und verhinderte Musikerin gegenseitig noch von ihrem „guten“ Leben, ihrer beständigen Beziehung, dem wunderbaren Kind. Und erneut bestätigen sich einige Wahrheiten des weisen Fitnesstrainers. Hatte er nicht gesagt, alles drehe sich um den Einklang zwischen Innerem und Äußerem, Gezeigtem und Verborgenen, Sagbarem und Unsagbarem?

Laurent (Guillaume Canet) flüchtet sich vor seinen Lebensentscheidungen ins Spa.

© Gaumont/Alamode Film

Alice, die vor 15 Jahren von dem aufstrebenden Schauspieler verlassen wurde, lässt bald jede Zurückhaltung fallen, und spricht geradezu fiebrig über ihre Wunden: „Du hast mich kaputtgemacht.“ Laurent, der bei seiner gestressten Frau auf wenig Empathie stößt, tut sich deutlich schwerer damit, aufrichtig zu sein. Was die Wiederbegegnung genau auslöst, ist für beide schwer zu greifen. Sicher aber ist: Es geschieht etwas mit ihnen.

Dass diese schon oft erzählte Geschichte weder verbraucht noch jemals kitschig wirkt, verdankt sich zum einen dem feinen Zusammenspiel von Alba Rohrwacher und Guillaume Canet, die ihren Figuren Raum geben, ihre inneren Widersprüche zu entfalten. Zum anderen den wechselnden Tonarten, wie auch den immer wieder unerwarteten Erzählbewegungen.

Neben Abschweifungen zu Seeregenpfeifern und Vogelstimmenimitatoren macht der Film auch einen Schlenker in die dokumentarische Form. In einem vielsagenden Video, das sie Laurent schickt, befragt Alice eine ältere Freundin zu ihrem Beziehungsleben. Nach einer langjährigen Ehe hat sie, die ihr Begehren verbarg, mit weit über 70 die Liebe zu einer Frau gefunden.

Das berührende Bekenntnis deutet auf einen anderen Möglichkeitsraum, steht als „Film-im-Film“ aber ganz für sich. Brizé nimmt Alice und Laurent ernst, aber auch nicht allzu wichtig. Zwei innerlich aufgewühlte Menschen sind nicht die ganze Welt.

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