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Politik: Blaumann statt Blaupause

IG METALL

Von Alfons Frese

Jürgen Peters ist angekommen. Fast ein ganzes Gewerkschaftsleben hat der Maschinenbauer an die Spitze der IG Metall gewollt. Nach einem quälenden Kampf, in dem er Klaus Zwickel besiegte, hat es Peters geschafft. Weil seine Zielstrebigkeit, sein Beharrungsvermögen und seine Durchsetzungskraft weit über den Möglichkeiten seiner Gegner liegen. Peters Vision ist immer der erste Vorsitz gewesen. Jetzt hat er die Macht. Aber was will er damit? Die Führungskrise der IG Metall ist erstmal beendet, die Krise keineswegs. Ist Peters der richtige Mann in dieser Phase, die er selbst als eine der schwierigsten in der Geschichte der Gewerkschaft beschreibt?

Gut zwei Tage haben sich die 600 Delegierten mit der Niederlage im Arbeitskampf im Osten, der Schlammschlacht ihres Führungspersonals sowie der allgemeinen politischen Lage beschäftigt. Das Ergebnis ist – enttäuschend. Zu Beginn gab Peters die Richtung vor: im großen Bogen um den Schlamassel herum. Kein Wort dazu, ob das Ziel einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden richtig war. Stattdessen etwas zu Afghanistan, Nahost, Irak, Europa und Terrorismus. In Floskeln über Armutsbekämpfung, friedliche Konfliktlösung und Beschäftigungssicherung in aller Welt ist die Gewerkschaft ganz groß – aber zugleich unfähig, Auswege aus der eigenen Notlage zu suchen.

Das ist die IG Metall heute: eine Gewerkschaft im freien Fall. Immer weniger Akzeptanz in der Öffentlichkeit, in der sozialpolitischen Debatte ein einsamer Rufer, vom Bündnispartner SPD verlassen und ohne einen Schimmer, wie die Zukunft aussehen soll. Darum sehnt sie sich nach Gruppenwärme und alten Gewissheiten. In dieser Lage das RoteFahne und Blaumann-Image in Frage stellen? Bloß nicht, das käme ja dem Hissen der Weißen Fahne gleich. Deshalb haben sich die Metaller Peters zum Chef gewählt. Ein Mann mit klarem Weltbild, einfachen Einsichten und Stehvermögen. Peters hat die Feinde identifiziert: die Kapitalisten, die SPD, die Medien und die Weichspüler in den eigenen Reihen. Peters will den Kampf aufnehmen.

Grundlage seiner Sicht auf die Dinge ist der altbackene Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital. Ausgeblendet werden die Effekte der Globalisierung auf die Firmen, der zunehmende Wettbewerbsdruck. Und unterstellt wird ein einheitliches Arbeitnehmerbild: abhängig Beschäftigte, die identische Interessen hätten und zum Beispiel mit einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung beglückt werden müssten. Mit der Realität hat das nichts zu tun. In vielen Betrieben, etwa in der Autoindustrie, sinkt der Arbeiteranteil, weil es auch innerhalb der Industrie einen Wandel zur Dienstleistung gibt. Die Angestellten werden zur größten Gruppe – aber die wollen von der IG Metall auch deshalb nicht viel wissen, weil es keine differenzierten tariflichen Lösungen gibt.

Tarifpolitik ist das Kerngeschäft der Gewerkschaften. Wie dieses Geschäft weiter entwickelt und der Flächentarif gesichert werden kann, sagt Peters nicht. Er will „Angriffe auf die Tarifautonomie“ abwehren, denn wenn sich die bösen Politiker mit ihrer Idee nach Öffnungsklauseln durchsetzen, wären die Arbeitnehmer „dem Erpressungsdruck der Arbeitgeber ausgeliefert“. Aber warum kommen die Politiker überhaupt auf solche Ideen? Und warum wohl werden die Gewerkschaften als Nein-Sager wahrgenommen? Will die IG Metall bei der Gestaltung der Gesellschaft wieder eine Rolle spielen, darf sie sich nicht auf Meckerei beschränken. Peters wirft der rot-grünen Regierung vor, „auf den Knochen der Arbeitslosen“ Politik zu machen. Aber welche Verantwortung tragen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände für die Arbeitslosigkeit und die hohen Kosten, die die Sozialsysteme erdrücken?

Mit solchen Fragen beschäftigt sich Jürgen Peters nicht. Immerhin räumt er ein, die IG Metall wisse noch nicht, wie sie wieder stark und zukunftsfähig werden könne. Davon sollte der erste Vorsitzende allerdings eine Vorstellung haben. Und der zweite Vorsitzende auch. Am besten wäre es, beide hätten ähnliche Vorstellungen. Was man von diesem Tandem nicht erwarten kann. Peters und Berthold Huber passen eigentlich überhaupt nicht zusammen. Sie bilden nur eine Notgemeinschaft zur Sanierung der IG Metall. Die Skepsis der Basis ist sehr berechtigt.

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