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Politik: Gut frisierte Querköpfe

Die Grünen feiern ihren 25. Geburtstag – manche vermissen den Streit und die Debatten der frühen Jahre

Von Matthias Meisner

Es ging nicht ohne Melancholie, nicht ohne die Erinnerung an die gute alte Gründerzeit. „Blick zurück nach vorn“, unter dieses Motto hatte die Heinrich-Böll-Stiftung ihren Kongress zum 25. Geburtstag der Grünen gestellt. Zwei Tage lang wurde in der Berliner Kulturbrauerei in mehreren Runden diskutiert: Was ist noch lebendig von den Idealen? Und vor allem: Was sind die grünen Perspektiven über den nächsten Wahltag hinaus?

Die Beantwortung der ersten Frage fiel den Kongressteilnehmern dann doch wesentlich einfacher als die der zweiten. Schon Ralf Fücks, der Chef der Böll-Stiftung, hatte es in seiner Begrüßungsrede als „fast ein Wunder“ bezeichnet, dass die Partei „trotz all dem Tohuwabohu“ der ersten Jahre überlebt habe. Und doch gelte bis heute, dass die Grünen mit dem Ökologie-Thema einen Zentralnerv getroffen hätten. Professionalität trat an die Stelle von Aufbruchstimmung. Fücks ermahnte seine Parteifreunde: „Inzwischen huldigen wir der Tugend der Geschlossenheit in einem Maß, von dem Angela Merkel nur träumen kann.“ Aufpassen sollten die Grünen, dass sie nicht Debattierfreude und produktive Unruhe verlieren, die eine Reformpartei brauche.

Wilhelm Knabe hatte das Schlusswort auf dem Gründungskongress im Januar 1980 in Karlsruhe gehalten. 25 Jahre später erinnerte er nun daran, wie sich damals die „Querköpfe der Nation“ bei den Grünen gesammelt hatten. Marieluise Beck, die Anfang der 80er Jahre von einer K-Gruppe zu der neuen Partei gestoßen war und heute die Integrationsbeauftragte der rot-grünen Regierung ist, weiß noch um die „moralische Aufgeladenheit“ der Gründerzeit. Niemand habe die Erwartung, dass es die noch geben könne. Doch zum Rückblick gehörten auch die Mahnungen, dass die Grünen auf dem Weg durch die Institutionen eben doch zu glatt geworden seien.

Der DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz sehnt sich nicht nach den Theoriedebatten der Altlinken. „Wir durften ja diese zerstrittene WG auflösen“, attackierte er die West-Grünen von 1990. Und doch vermisst er Visionen. „Wir sind ein zahmer Koalitionspartner geworden.“

In einer Runde saß Wolfgang Schäuble mit auf dem Podium – als einziger der Diskutanten gehörte er nicht zur grünen Familie. Er wolle die Grünen nicht bejubeln, sagte der CDU-Politiker. Doch gab er zu, dass sie anderen Parteien Anstöße gegeben hätten. Tief in die Wunde legte er den Finger aber mit seiner Bemerkung, dass ihm zu viel darüber geredet werde, was die Grünen in den vergangenen 25 Jahren alles verloren hätten. Nicht beantwortet sah er die Frage, was die Partei in den nächsten 25 Jahren machen wolle.

Das war dann die schwierigere Frage. Die Spitzenfunktionäre der Grünen machten auf dem Kongress allerlei Andeutungen dazu. Sie redeten über einen neuen Freiheitsbegriff, eine kinderfreundliche Gesellschaft und über die Bildung. Die Agenda 2010 wurde kein Mal erwähnt. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hob den Einfluss der Grünen auf die Politik der anderen hervor – und nannte es beispielsweise „bemerkenswert und erstaunlich“, dass nun schon Kanzler Gerhard Schröder über die Tobin-Steuer rede. Anstelle von Zweifeln entschied sie sich für die Selbstbeschwörung: „Es wird uns weiter auszeichnen, dass unser Blick nach vorn nicht in Legislaturperioden zu messen ist, sondern in Generationen.“

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