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Landeshauptstadt: Gefangener erhielt drei Monate „Zugabe“

Streit nach Zechgelage/Angeklagter: Keine Erinnerung an Polizistenbeleidigung

Streit nach Zechgelage/Angeklagter: Keine Erinnerung an Polizistenbeleidigung Von Gabriele Hohenstein Obwohl ein Polizeizeuge noch im Schnee der B1 feststeckt, entschließt sich Amtsrichterin Judith Janik, rechtzeitig mit der Verhandlung zu beginnen. Der wichtigste Mann ist schließlich da – angereist im Gefangenentransporter aus der JVA Brandenburg. „Sie müssen noch bis zum 1. Dezember 2005 sitzen?“, vergewissert sich die Vorsitzende bei Frank B. (37), angeklagt wegen Beleidigung von Polizisten und Widerstandes gegen dieselben. „Nö, ick bin jetzt bei 2006“, meint der Tätowierte lakonisch. „Da is noch wat Neuet zujekommen. Inzwischen kann ick mir mit Vollstreckungsblättern fast eine Wand tapezieren.“ Das Vorstrafenregister des Obdachlosen ist ellenlang. Immer wieder fuhr er betrunken und ohne Erlaubnis Auto. Mehrfach musste er sich wegen Urkundenfälschung sowie Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz, aber auch wegen Bedrohung, Körperverletzung und Beleidigung vor dem Gesetz verantworten. Finanzielle Sanktionen fruchteten bei dem Alkoholiker ebenso wenig wie Bewährungsstrafen. Ein Gutes hat die gegenwärtige Inhaftierung: Frank B. ist notgedrungen „trocken“. Am 24. Mai 2003 hatte er in der Wohnung eines Gleichgesinnten allerdings mächtig gebechert. Dann kam es zum Streit. Der Kumpel fühlte sich bedroht, flüchtete aus seiner Behausung und alarmierte die Polizei. Die kannte die Adresse schon. Die Beamten waren in jener Nacht nicht zum ersten Mal da – und leider wohl auch nicht zum letzten. Wieso der Trinkkumpan die Uniformierten rief, vermag sich der Angeklagte nicht zu erklären. „Als ick kam, fragte er, ob ick Alkohol dabei habe. Weil det so war, durfte ick reinkommen.“ Frank B. hat auch keine Ahnung, wieso die Situation eskalierte. (Kein Wunder bei knapp drei Promille.) Verschwommen erinnert er sich, dass er von den Ordnungshütern „angegrabbelt“ wurde. „Dann haben sie mir den Arm auf den Rücken gedreht“ , beschwert er sich. „Sie sollen die Polizeibeamten als Affen und Wichser tituliert, ihnen zudem den Stinkefinger gezeigt haben“, hilft die Amtsrichterin dem Gedächtnis des Kurzhaarigen auf die Sprünge. „Als man Ihnen die Handfesseln anlegen wollte, haben Sie laut Anklage um sich geschlagen und getreten.“ „Der Herr war ähnlich voll wie bei den Einsätzen zuvor“, schätzt Jens G. (23) – mittlerweile glücklich der schneeverwehten Bundesstraße entkommen – ein. Ihm sei ein Platzverweis ausgesprochen worden, dem er anfangs auch nachzukommen schien. Dann habe er allerdings begonnen, eine Latte wüster Beschimpfungen abzuspulen und ihm den rechten Mittelfinger entgegengestreckt“, so der Polizist, der sich dadurch in seiner Ehre gekränkt fühlte und Frank B. aufforderte, sich auszuweisen. „Als er sich weigerte, drohte ich ihm an, ihn zu durchsuchen. Da rastete er aus.“ „Ihr Register weist 16 Eintragungen auf. Zur Tatzeit standen Sie unter dreifacher Bewährung. Da hätten Sie nicht mal mehr husten dürfen“, erklärt die Staatsanwältin dem Potsdamer und beantragt fünf Monate Haft. Mit drei Monaten fällt das Urteil etwas milder aus.

Gabriele Hohenstein

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