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Landeshauptstadt: „Lebendig, quirlig, ehrlich“

Das Potsdamer Selbsthilfe-, Kontakt- und Informationszentrum Sekiz feiert seinen 15. Geburtstag

„Unser Haus soll so lebendig bleiben wie bisher, quirlig, ehrlich und es dürfen auch mal die Fetzen fliegen, wenn wir uns danach wieder vertragen.“ Das wünscht sich Angelika Tornow, Geschäftsführerin von Sekiz, anlässlich des 15jährigen Bestehens des Potsdamer Selbsthilfe-, Kontakt- und Informationszentrums am 1. Juni.

Viele Vereinsumzüge hat die Potsdamerin hinter sich, die erste Sitzung 1991 fand mit sieben Mitstreitern in ihrem Wohnzimmer am Stern statt. Der Ruf nach sozialer und gesundheitlicher Hilfe war da in der DDR, nur wurden die Probleme in der Gesellschaft öffentlich nicht klar definiert. Lediglich unter dem Dach der Kirche gab es Anfänge organisierter Selbsthilfe. Als Diplom-Lehrerin hatte Angelika Tornow vor 1989 in der täglichen Arbeit auch mit verhaltensgestörten Kindern zu tun, bei denen es nicht reichte, den moralischen Zeigefinger zu heben. Sie weiß: „Alkoholprobleme überforderten manche Familien mit der Erziehung. Therapeuten fehlten.“

Dank der Fördermittel zum Programm „Aufschwung Ost“ konnten Anfang der 90er Jahre Büros für Sekiz gemietet werden, diese wurden aber bald zu klein und manchmal zu teuer. Seit dem Jahr 2000 gibt es die einladenden Räume im liebevoll mit Blumen bepflanzten Hinterhof Hermann-Elflein-Straße 11, die über 40 Selbsthilfegruppen nutzen. Beschäftigt sind in den sieben Räumen drei Frauen hauptberuflich. Aber auch die ehrenamtliche Mitarbeiterin Hannelore Steinbrink verbringt täglich acht Stunden im Haus. Öffentlichkeitsarbeit und Raumkoordinierung wären ohne sie nicht zu schaffen. Internetkenntnisse hat sie sich autodidaktisch angeeignet, damit Sekiz immer aktuell präsent ist. Allein die Vermittlung von 735 Teilnehmern in Selbsthilfegruppen, so die Prognose für 2006, und rund 7000 Teilnehmer an Kursen, Kultur- und Ferienveranstaltungen in der Begegnungsstätte belegen den Bekanntheitsgrad von Sekiz. Wichtig ist der Geschäftsführerin, dass Sekiz selbständig geblieben ist. „Wir haben uns nie versorgen lassen, im Gegenteil, für die Schwachen viel angeschoben, wie die Potsdamer Tafel,“ sagt Tornow selbstbewusst, „es war und ist ein steiniger Weg der Finanzierung.“ Die Potsdamer Kommune sei aber ein zuverlässiger Partner. Man habe Respekt vor dem Sekiz-Team, das sich dem sozialen Frieden in der Stadt verpflichtet fühlt. Denn unzufriedene Bürger engagierten sich nicht.

Sind es schwache Menschen, die ihre Probleme nicht allein in den Griff bekommen? Tornow widerspricht: „Es gehört Mut dazu, sich zu öffnen.“ Als sie anfing, erinnert sie sich, „glaubten viele Patienten noch an die Götter in Weiß.“ Heute wären die Patienten nicht nur mündig, sondern kompetent. Als Vermittler zwischen Arzt und Patient könnten Selbsthilfegruppen viel bewegen. Zum Beispiel bei Erkrankten mit Weichteilrheuma: Vor kurzem noch als Spinner abgestempelt, werde ihre Krankheit nun akzeptiert und Angebote zur Erleichterung geschaffen. Neue Gruppen entstehen allerdings immer mehr wegen der heutigen Lebensumstände. Und mehr junge Menschen als in den Jahren davor suchen einen Ausweg: Zu wenig Geld, keine Arbeit, das führt zu Partnerschaftsproblemen – ein Kreislauf - und immer drückender dabei werden Angstgefühle.

Angelika Tornow selbst ist seit frühester Kindheit „hingefallen und wieder aufgestanden“. Sie hat sich ihre Sensibilität für soziale Probleme bewahrt, großes Wissen angeeignet und professionelle Distanz geschaffen. Das sei die Voraussetzung, die Aufgaben als Sekiz-Chefin zu lösen. Ihre resolute und energische Art bringt Sekiz immer wieder ein Stück voran. Aber sie ist auch ein warmherziger Mensch. Aufmunternde persönliche Worte gehören zu jedem Gespräch, das sie mit großer Menschenkenntnis führt.

Zwei Wünsche nennt Angelika Tornow dann noch zum 15-jährigem Jubiläum: „Wir Frauen, die hier arbeiten, sind alle über 50. Gesundheit ist ganz wichtig.“ Und den praktischen Wunsch ergänzt sie lachend: „Hier wird täglich so viel Tee und Kaffee beim Gespräch getrunken, ein Abwaschautomat wäre eine wunderbare Erleichterung.“ Brigitte Einbrodt

Brigitte Einbrodt

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