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Kultur: Berührtes Herz

Klangbrillante CD-Produktion des Staatsorchesters Frankfurt entreißt den Komponisten Eduard Erdmann dem Vergessen

Das „Erformen“ des musikalischen Stoffes, wie es die Meister von Bach über Schubert bis Bruckner in „herrlichster Erfüllung“ betrieben, ist dem Baltendeutschen Eduard Erdmann (1896-1958) Richtschnur seines künstlerischen Schaffens gewesen. Als Klavierspieler war er bekannt, als Tonsetzer weniger. Heute kennt kaum einer noch seinen Namen. Ein Vergessener der Musikgeschichte. Zu recht, zu Unrecht? Auf einer CD-Einspielung hat sich das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt, seit langem ein engagierter Silberscheiben-Produzent von musikalischen Nischenprodukten, der Erdmannschen 3. Sinfonie (1947) und den Capricci (1952) angenommen. Aufgenommen wurden die Stücke in der Frankfurter Konzertkirche „Carl Philipp Emanuel Bach“, deren nachhallheikle Akustik einem Livekonzert nicht immer hilfreich ist. Bei der cpo-Plattenproduktion ist nichts davon zu spüren. Ganz im Gegenteil: Der Raum erscheint hell, klar und offen, sodass sich die Musik gleichsam wie auf Flügeln aufschwingen kann, um das Ohr des Hörers zu erreichen (Christian Feldgen/Schalloran Tonstudio).

Das Herz bleibt gleichfalls nicht unberührt von dem, was der Komponist zu sagen hat. Was mit kompositorischer Finesse erfunden und „erformt“ ist, bewegt sich durchweg in tonalen Gefilden. Ein erstes Thema, bei dem ansteigende Quarten ansteigenden Quinten entgegengestellt sind, eröffnet das gesangvolle Allegretto. In der Weiterverarbeitung zeigt sich der traditionsbewusste Meister. Analytischen Sachverstand bringt der Dirigent Israel Yinon ein, um die dichten Satzstrukturen bis in den letzten Winkel zu durchleuchten. Diese extreme Durchhörbarkeit, gepaart mit ebensolcher dynamischen Bandbreite, ist schlichtweg faszinierend. Die Musiker folgen dem Dirigenten mit einer solchen Hingabe, spielerischen Leichtigkeit und Präzision, wie man sie nur selten in ihren Livekonzerten erlebt.

Ihr brillanter Sound beruht auf einem hellgetönten, gleichsam seidengewebten Streicherteppich, einem kernigen, aber nie vordergründig wirkenden Blech und veritabel auftrumpfenden Holzbläsern. Im ausdrucksvoll ausgesungenen, in berückender kammermusikalischer Transparenz erklingenden Adagio und dem keck und energisch gespielten Scherzo zeigen sie sich von ihrer besten Seite. Das spannungsreiche Melodienfließen scheint auch im Finalsatz fast ohne Ende, das nach anfänglich gemächlichem Streichergesang in einer kurzen Stretta endgültig seinem Ende entgegeneilt.

Kurzweilig und kunstreich zeigen sich die „Capricci“, eine Versammlung von farbig instrumentierten Motivbildungen. Sie schwirren in steter Verwandlung durcheinander – wie ein Kaleidoskop. Vor allem dieses Stück sollten die Frankfurter Musiker ihrem Konzertpublikum nicht länger vorenthalten. Was auf der vortrefflich edierten CD zu erleben ist, offenbart einen großbesetzten, in seiner Klangqualität erstaunlich gewachsenen Klangkörper, den zu amputieren (wie vom Frankfurter Oberbürgermeister geplant) einem Verbrechen gleichkäme. Peter Buske

CD: Eduard Erdmann, Sinfonie Nr. 3 op. 19; Capricci op. 21. Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt, Dirigent: Israel Yinon. Firma cpo 777 068-2. Spieldauer: 63:25 Min.

Am Sonntag, dem 29. Januar ist das Staatsorchester Frankfurt in der Reihe „Klassik am Sonntag“ zum 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart im Nikolaisaal zu erleben.

Peter Buske

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