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Kultur: Potsdamer „Stolpersteine“

Klassik plus Gespräch: Kammerakademie und Hartrmut Dorgerloh im Nikolaisaal

Klassik plus Gespräch: Kammerakademie und Hartrmut Dorgerloh im Nikolaisaal Von Babette Kaiserkern „Ich habe nie heimlich am Grünen Gitter gerüttelt!“ bekannte Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, beim Gespräch mit Klaus Büstrin bei „Klassik plus Gespräch“ der Kammerakademie Potsdam im Foyer des Nikolaisaals. Der seit eineinhalb Jahren amtierende Chef von 500 Mitarbeitern, 300 baulichen Anlagen, 200 vermieteten Wohnungen und rund 1000 Hektar Parklandschaft erwies sich als aufgeschlossener und eloquenter Gesprächspartner. Ein bloßes Stichwort genügte und schon sprudelten aus dem jungen Stiftungschef Anekdoten, Argumente und Anmerkungen zu unterschiedlichsten Themen. Mitglieder der Kammerakademie Potsdam trugen mit der hinreißenden Aufführung des selten gespielten Streichquintetts G-Dur von Anton Dvorak einen gut Teil zum Gelingen des Abends bei. Das ausladende Werk brachte spätromantische, kammermusikalische Traditionen noch einmal zu schönster Blüte. Moderne Akzente setzte der Kontrabass mit dunkel-rhythmischen Klängen. Matan Dagan, Violine, brillierte mit delikaten Figurationen und berückenden Kantilenen. Unter seiner Leitung verwoben Barbara Duven, Violine, Christoph Starke, Viola, Anna Carewe, Cello, und Tobias Lampelzammer, Kontrabass, ihre subtil gesponnenen Klangfäden zu einem facettenreich strahlendem Musikstück. In Tuchfühlung mit dem opulenten Erbe der Hohenzollern kam Hartmut Dorgerloh schon als „Führungsassistent“ während seiner Schulzeit im Potsdam. Noch als Schüler des Helmholtz-Gymnasiums, wo er Griechisch und Latein lernte, fing er als Aufsicht in den Schlössern Sanssouci an. Sehr unterschiedliche Besuchergruppen - wie LPG-Kollektive, Lehrer oder russische Soldaten - vermittelten ihm früh eine wichtige Erfahrung fürs Leben: „Wie gewinne ich die Menschen ?“ Nach dem Studium an der Humboldt-Universität in Berlin arbeitete Hartmut Dorgerloh zunächst „in der zweiten Reihe“ als Referatsleiter Denkmalschutz im Brandenburgischen Ministerium, bevor er die verantwortungsvolle Aufgabe als oberster Schlossherr in Berlin und Brandenburg übernahm. An der Bewerbung Potsdams zur Kulturhauptstadt Europas war die Schlösserstiftung „von Anfang an“ beteiligt. Vor allem die europaweiten, politischen und familären Verbindungen der preußischen Herrscher hinterließen ihre Spuren im Gesamtkunstwerk der Preußischen Schlösser und Gärten. Außer Frage steht, dass „Potsdam schon eine europäische Kulturhauptstadt ist. Das Besondere liegt jedoch darin“, formulierte Hartmut Dorgerloh dezidiert, dass hier europäische Geschichte bis zur Gegenwart sichtbar werde. Geradezu „spannend“ findet der promovierte Kunsthistoriker die Potsdamer „Stolpersteine“, ein milder Begriff für Zerstörungen und Bausünden der Vergangenheit, die Fragen aufwerfen und mittels derer „Geschichte erzählt werden kann“. Problematisch sei eher die anhaltende Präsenz der Bilder des alten Potsdams mit seinen nicht mehr vorhandenen Gebäuden. Zum brisanten Thema des Wiederaufbaus von Stadtschloss und Garnisonkirche reagierte Hartmut Dorgerloh differenziert. Seine Gegenfrage, ob man das vorhandene Geld nicht besser zum Erhalt des Vorhandenen verwenden solle, rief spontanen Zuhörerbeifall hervor. Dass in Potsdams Mitte etwas passieren solle, stünde außer Frage, „aber ein Ort muss seine Geschichte transportieren und die alte Zeit kriegt man nicht wieder“. Zur Debatte um die Einführung von Eintrittsgeldern für die Parks, fragte der Schlösserchef, ob diese denn überhaupt als Kunstwerke und nicht eher als öffentliche Grünflächen wahrgenommen würden. Da bleibt zu hoffen, dass die grünen Gitter, an denen Dorgerloh nicht rütteln musste, nicht doch dereinst zu heftigem Rütteln verführen.

Babette Kaiserkern

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