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Kultur: Rückkehr einer Punklegende

Die Tigerbombs stimmten den Nil Club auf TV Smith ein

Zwei weiße Transporter stehen am Neuen Palais, direkt vorm Eingang des Nil Clubs. Durch den Nieselregen schleppen ein Dutzend Leute Verstärker und Equipment in den Keller. Fünf der Jungs unterhalten sich in einer selten gehörten Sprache. Ein Blick aufs Kennzeichen verrät: Finnland. Ein weiter Weg, den die Tigerbombs auf sich genommen haben. Aber um den legendären englischen Punkveteranen TV Smith zu supporten, nimmt man gern diese Strapazen auf sich.

Die Tigerbombs dehnen sich vom Studio-Duo um Pepe Trouble und Kido Retro live auf ein Quintett aus. Die quirligen Retro-Rocker haben ihre neue CD „Crazy Kids Never Learn“ seit vergangener Woche im deutschen Plattenhandel positioniert und spielen in den Gewölben des Nil Club befreit auf. Zigarettenrauch kriecht durch die verzweigten Kammern und niedrigen Gänge und produziert einen nikotinreichen Kunstnebel, während die Pausbacken von Sänger Kido Retro regelrecht zu glühen anfangen. In guter skandinavischer Manier rocken sie sich durch ihr Set. Die Elektro-Orgel quietscht, dass es eine Freude ist und einmal angefahren, sind sie in ihrer Spiellaune nicht zu stoppen.

Selten hat eine so gute Vorband so schlecht zum Hauptact gepasst. Auch dem Großteil des Publikums sieht man an, dass die Tigerbombs hier am heutigen Abend nichts zu sagen oder zu singen haben. Das beherzte Buhlen um die Gunst des Publikums kann die Masse nicht in Bewegung versetzen. Alles wartet auf den Meister. TV Smith hat sich wieder eine komplette Band an seine Seite gestellt, nachdem er die letzten Jahre häufig nur in trauter Zweisamkeit mit seiner Akustikgitarre anzutreffen war. Hinter den Drums hat es sich Vom Ritchie von den Toten Hosen gemütlich gemacht. Der hat schon auf dem Album die Sticks geschwungen und ließ es sich nicht nehmen, mit auf Tour zu gehen. Vervollständigt hat Tim Smith, so sein richtiger Name, die Live-Crew mit weiteren gestandenen Musikern aus Düsseldorf. „Das ist vielleicht das kleinste Konzert meiner Karriere“, freut sich Smith über die Intimität des Auftritts. Dann gibt er einen Abriss über die musikalischen Gründe, die ihn zur Punklegende machten. Über drei Minuten schafft es kaum ein Song: „My string will snap“, „Right hands rise“, „Immortal Rich“ und zwischendurch zum kurzen Verschnaufen, „The day we caught the big fish“ mit Akkordeonbegleitung.

Zwischen den Songs lässt sich Smith in gewohnter Manier und akzeptablem Deutsch über Politik, die Medien und die verkommene Gesellschaft aus. Bei „Gary Gilmore’s Eyes“, einem Hit aus Smiths Zeit mit seiner Band The Adverts, ist die Platz- und Luftnot endgültig vergessen.

Parallel zum schlacksigen Armgeschwinge vom Sänger befriedigt das Publikum seinen Bewegungsdrang, dessen Intensität mehrere Bierflaschen zum Opfer fallen. Zum Abschluss wird der unersättlichen und wirbelnden Meute noch „The good times are back“ um die Ohren gehauen. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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