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Kultur: Süßer die Posaunen nie „bronzen“

Der Santa Claus war schon im Nikolaisaal

Der Santa Claus war schon im Nikolaisaal Um einzustimmen darauf, was am Montag auf Einladung der Freunde des Landespolizeiorchesters im Nikolaisaal unter dem Ende November irgendwie als bedrohlich wirkenden Titel „Santa Claus is Coming to Town“ geschah, stellt man sich am besten den Potsdamer Weihnachtsmarkt vor: wie er klingen würde, wenn er nicht eine billige Budengasse, sondern eine musikalische Komposition wäre. Richtig. Sie wäre laut und vor allem kitschig. Durch diese „Komposition“ führte nun neben der Schauspielerin Heidi Weigelt der Sänger Peter Wieland als Conferencier. Wieland hat etwas von Leslie Nielson, dem Schauspieler aus „Nackte Kanone“. Neben der äußeren Ähnlichkeit z. B. seine Unbekümmertheit und seine ewig gute Laune, unerschütterlich bis zur finalen Aufforderung an das Publikum, kurz nach dem 1. Advent „Oh Du Fröhliche“ mitzusingen. Im Laufe des Abends werden sich Wieland, der für den angekündigten Lutz Jahoda eingesprungen ist, und Weigelt, die Pointen zuspielen. Dazu nesteln sie hier in Potsdam, zu Beginn ihrer Jahresendzeittournee, allerdings noch zu unbeholfen an ihren mit Sternchen versehenen Textkarten. Im Mittelpunkt der vorweihnachtlichen musikalischen Reise steht die Potsdam Big Band unter der Leitung von Frank Hollmann. Verstärkt wird dieser Klangkörper durch eine Abordnung von Streichern der Kammerakademie Potsdam. „Verstärkt“ stimmt gar nicht, weil es nun mal die liebe Angewohnheit von Blasmusikern vornehmlich in Big-Bands ist, bei schmusigen Anlässen wie Weihnachten ihren Spaß, wenn schon nicht aus dem Repertoire, so denn aus ihrer eigenen enormen Lautstärke zu ziehen, „Bronzen“, heißt der lautmalerische Ausdruck in Fachkreisen. Und die von Bandleader Hollmann sehr gut vorbereitete Truppe bronzt ausgiebig und mit Hingabe. Leise geht nicht. Die Sängerin Anke Lauterbach ist vor allem im ersten Teil vor der Pause dieser Übermacht des Blechs trotz Mikrophonverstärkung stimmlich nicht gewachsen, wie auch die fünf Damen und Herren vom Background-Chor. Diese für die musikalische Darbietung wegen ihrer Stimm- und Konzentrationsschwäche verlorenen Gestalten stehen so weit an die Leinwand gedrängt, dass man Angst bekommt, sie würden in den darauf behäbig wechselnden Kitschmotiven, wie Kapelle im Schnee, Baum im Schnee, Sonnenuntergang im Schnee etc., versinken. Textsicher und stimmgewaltig ist einzig der Tenor Mike Kilian. Die anderen müssen immer noch auf ihr Notenpult linsen. Im Publikum ruft jemand sogar: „Bravo, Mike.“ Kilian war Sänger der DDR-Band Rockhaus. Er sieht nicht ganz glücklich aus, wie er neben Wieland, Lauterbach und Weigelt Schmolzetten singt. Aber er tut das trotz der widrigen Technik herausragend. Nachdem alle Sänger ihre italienischen, französischen oder englischen Texte vernuschelt hatten, kommt es mit „Alle Jahre wieder“, „Süßer, die Glocken nie klingen“ und „Leise rieselt der Schnee“ zum Höhepunkt. Das Publikum jubelt. Hinterher, bei den Garderoben, tritt ein älterer Herr an den Band-Leader Hollmann. Einen besseren Dirigenten hätte er noch nie erlebt. Stimmt, die Big Band war gut. Und sehr laut. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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