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Kultur: „Trendy – Hipp – Cool – Crazy“

Der Theaterjugendclub HOT mit „Creeps“ im Theaterhaus am Alten Markt

Der Theaterjugendclub HOT mit „Creeps“ im Theaterhaus am Alten Markt Castingshows – für einen Teil des deutschen Fernsehpublikums nur eine Bühne zur Selbstdarstellung meist talentloser Möchtegern-Stars. Oder doch die quasi-demokratische Möglichkeit die Besetzung der Medien-, Musik- oder Moderatorenszene mitzubestimmen? Während die Single-Charts von einem Krokodil beherrscht werden, das sich seit Wochen (immerhin ungecastet) durch die Gegend „schni-schna-schnappt“, finden wir an der Spitze der Album-Charts: „Nu Pagadi“, den aktuellen „Popstars“ - Auswurf. Für Nachschub ist also gesorgt. Der Theaterjugendclub HOT präsentiert im Theaterhaus am Alten Markt seine ganz eigene Version einer Casting-Show. Bei „Creeps“ wird eine Moderatorin für eine Fernsehshow gesucht. Drei Kandidatinnen haben es in die Endrunde geschafft. Im sterilen Studio starrt eine Kamera die Mädels voyeuristisch an. Aus dem Off eine Stimme: „Alles ganz relaxed, chillt erstmal. Und immer in die Kamera gucken.“ Die Luft knistert. Die Konkurrenten werfen sich blitzende Blicke zu. Schnell kann das Publikum Schubladen zimmern, in denen die Charaktere verstaut werden – vorübergehend zumindest: da ist Lilly, die verwöhnte, arrogante Hamburger Zicke, Petra, das Techno-Girlie aus Chemnitz und Maren, die schüchterne Umweltschützerin. Den umworbenen Medienjob in Aussicht, werden harte Bandagen angelegt, Fallen gestellt und Sticheleien provoziert, um vor der Kamera das beste Bild zu machen. Jeder Charakter kommt übrigens in dreifacher, kaum zu unterscheidender Ausführung daher. Diese außergewöhnliche Besetzungsidee, belebt die Bühne und kann die Konflikte räumlich ausgedehnt präsentieren. Arno, der im ganzen Stück nur stimmlich präsente Produzent der Sendung, versucht indes alles aus den Mädels herauszukitzeln. Schließlich gilt es, die für den Job unerlässlichen Attribute „trendy“, „hipp“, „cool“, „crazy“ unter Beweis zu stellen. Die Mädchen lassen viel mit sich machen. Doch die Mini-Rebellion lässt nicht lange auf sich warten. Mit dem Blick hinter die Fassade der Medienwelt und der eigenen Seele beginnt jedes Mädchen zu grübeln, zu zweifeln. Radiohead, deren verzweifelter Song „Creep“ den musikalischen und teilweise inhaltlichen Rahmen bildet, bringen es auf den Punkt: „What the hell am I doing here? I don''t belong here.“ (übersetzt: „Was mache ich hier überhaupt? Ich gehör hier nicht hin.“). Durch die neu gewonnene Erkenntnis zusammengeschweißt, sind sie bereit dem System „Medien“ abzuschwören. Doch das Aufbegehren ist harmlos. Am Ende hebt sich der Schleier vom eigentlichen Geheimnis, das die ganze Ohnmacht der drei Mädchen verdeutlicht. Das Stück von Lutz Hübner wurde von Manuela Gerlach und Markus Laubach mit den jungen Schauspielerinnen eindrucksvoll in Szene gesetzt. Wolfgang Hinze als einziger männlicher Akteur in der Rolle des unsichtbaren Produzenten Arno ist eine Ohrenfreude in dem durchgedrehten Spiel. Christoph Henkel „Creeps“ heute ein letztes Mal, 19.30 Uhr im Theaterhaus am Alten Markt.

Christoph Henkel

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