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Sport: Die Show ist aus

Marcel Hacker rudert bei der WM nur auf Platz fünf

Aus den riesigen Boxen an der Strecke erklang die Melodie der neuseeländischen Nationalhymne, der Wind trug die Musik bis zu den Bootshallen der Ruderstrecke in München-Oberschleißheim. Dort trug gerade ein Mann zwei Ruder in eine Halle, er hatte mit der Siegerehrung des Männer-Einers 200 Meter weiter nichts zu tun. Marcel Hacker war allein mit sich, mit seiner Enttäuschung, seinen Schmerzen, seinen Gedanken. Hier war er authentisch.

Aber vor den Kameras und den Journalisten, da inszenierte sich Marcel Hacker aus Kassel. Er liebt Inszenierungen. Platz fünf im Einer-Finale der WM, sieben Sekunden Abstand zum Sieger Mahe Drysdale? Das reduzierte sich diesmal zum heftigen Patzer eines ziemlich coolen Typen. „Ich habe Scheiße gebaut“, sagte Hacker markig, „es war nicht mein Tag. Damit kann ich leben.“ Er kam nicht in seinen Rhythmus, und damit „ist man raus aus der Party“. Ist halt so, was soll’s. „Neues Spiel, neues Glück.“

Er lachte viel, und am meisten lachte er bei dem Satz: „Ich bin happy, dass ich nicht Letzter wurde.“ Nur hatte er spätestens da seine Inszenierung verpatzt. Marcel Hacker, Weltmeister, Vize-Weltmeister, der Mann, der in München Gold als Ziel verkündete, der ist happy, dass er den schwedischen Freizeitruderer Lassi Karonen hinter sich lassen konnte? Das war denn eine Umdrehung zu hoch.

Man könnte jetzt Platz fünf als Pleite eines Sprücheklopfers beschreiben. Aber der Fall Hacker liegt viel komplizierter. Platz fünf ist keine Schande. Drysdale war Titelverteidiger, der Tscheche Ondrej Synek, der gestern Silber gewann, ist Weltcup-Sieger, Olaf Tufte, der Norweger, der Bronze holte, ist Olympiasieger von 2004. Marcel Hacker wurde in einem Weltklasse-Feld geschlagen. Und es gibt Tage, an denen nichts läuft, jeder Sportler kennt so etwas. Und dass Marcel Hacker sich inszeniert? Das gehört zu seinem Job. Er ist Profi, er fährt das einzige Boot, das neben dem Deutschland-Achter, Medien und Sponsoren anlockt. Er muss einen Typen geben, damit sie auch kommen.

Das Problem ist nur, dass Marcel Hacker in seiner Rolle überzieht und die Rolle im Zweifelsfall ihn im Griff hat. Der 30-Jährige schärft nicht sein Profil, er provoziert. Vor Rennen paradiert er in Surfhose und freiem Oberkörper über den Sattelplatz, vor der WM bezeichnete er die halbe Achter-Besatzung als abgehoben, er erzählte zufrieden, „dass einige schon abkotzen“, wenn er „mit freiem Oberkörper rumstolziere“ und verkündete, er sei der „coolste Ruderer von allen“.

Aber mit jedem Satz erhöht er auch den Druck auf sich selber. Selbsternannte Siegertypen dürfen sich keine Schwäche erlauben. Doch Hacker scheitert immer wieder an diesem Druck. WM 2001, WM 2003, Olympische Spiele 2004, stets versagte Hacker nervlich. 2004 kam er nicht mal ins Finale, 2003 wurde er nach 42 Siegen in Folge nur Vize-Weltmeister.

Im Innenraum der Tribünenanlage von München hängt ein riesiges Poster. Hacker posiert darauf in Badehose wie ein Bodybuilder. Nach dem Einer-Finale kam eine junge Frau mit einem Tacker, den sie irgendwo aufgetrieben hatte. Sechsmal tackerte sie Hacker den Mund zu. „Damit er endlich seinen Mund hält“, sagte sie.

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