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Bastian Schweinsteiger soll den FC Bayern zur Meisterschaft führen. Der Rückrundenauftakt ging allerdings daneben.

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Titelkampf in der Bundesliga: So spannend wie lange nicht

Bayern, Dortmund, Schalke oder Mönchengladbach: Welcher dieser vier Traditionsklubs holt am Ende den Titel in der Fußball-Bundesliga? Was denken Sie, liebe Leser? Diskutieren Sie mit!

Später am Abend ist Jürgen Klopp noch nach der Vorlage aus München gefragt worden. München? Klopps Mannschaft hatte gerade 5:1 in Hamburg gewonnen, nächste Woche geht es gegen Hoffenheim, das Duell mit dem FC Bayern steigt erst im April. „Aber die Münchner Vorlage haben Sie schon sehr gut genutzt!“, sprach der Reporter in sein großes Mikrofon. Aha!, der Trainer von Borussia Dortmund lachte kurz in seinen stoppligen Bart und holte aus zu einem Grundsatzreferat. Auszüge: „Dass die Bayern in Gladbach verloren haben, war keine Vorlage für uns. Spätestens jetzt weiß jeder, dass es einen Titelkandidaten mehr gibt. Es war der Beweis, dass eine Mannschaft, die ihren Plan voll durchzieht, erfolgreich sein wird. Wir haben nach dem Spiel nicht gesagt: Yippie Yeah, die Bayern haben verloren. Sondern, dass die Gladbacher nicht nur ein Konkurrent, sondern ein richtiger Konkurrent um die internationalen Plätze sind.“

Marco Reus ist mit Mönchengladbach die große Überraschung in der Spitzengruppe.

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Im unwirtlichen Januar 2012 gewinnt das Produkt Bundesliga an Qualität, wie es kein Marketingstratege schöner auf seinen Flipchart hätte werfen können. Vier Klubs balgen mit gehörigem Abstand zum Fußvolk um die Spitze. Und es sind nicht irgendwelche Klubs, keine gesichts- und geschichtslosen Gebilde, gesponsert mit Software- oder Auto-Milliarden. Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach stehen für die gelebte Fußball-Tradition der vergangenen fünfzig Jahre, für eine Bindung zwischen Fan und Verein, die weit über regionale Grenzen hinausgeht. Für einen Überraschungsmeister Wolfsburg hat sich 2009 außerhalb Wolfsburgs kaum jemand begeistert. Sollten in dieser Saison aber Borussia Mönchengladbach als größtmöglicher Außenseiter seit dem Aufsteiger Kaiserslautern (1998) Meister werden, würde das Jubelbekundungen von Flensburg bis zur Zugspitze zeitigen.

Beim FC Schalke 04 sorgt Klaas-Jan Huntelaar für Titelhoffnung.

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Mag die Tabelle auch eine Momentaufnahme sein – sie lügt nicht und hat nach 18 Spieltagen schon einige Aussagekraft. Die Bundesliga ist so spannend wie sie zuletzt zu Beginn dieses Jahrtausends war. Etwa 2001, als Patrik Andersson die Bayern in der Nachspielzeit beim HSV zum Titel schoss und die schwermütigen Schalker zum Meister der Herzen machte. Oder ein Jahr später, damals stritten Dortmund, Leverkusen und Bayern bis zum letzten Spieltag um Platz eins. Doch schon in der darauf folgenden Saison liefen die Bayern mit der Kleinigkeit von 16 Punkten Vorsprung vor dem Zweiten VfB Stuttgart ein, und seitdem ist der Bundesliga das Spannungs-Gen irgendwie abhanden gekommen – mal abgesehen von dem großen Außenseiter-Finale im Sommer 2007 mit Stuttgart, Schalke und Bremen. Aber da hatte sich die Bayern gerade ein Krisenjahr genommen, und wenn sie nicht oben mitspielen, ist das für Hasser und Verehrer gleichermaßen fad.

Bei Dortmund sticht Shinji Kagawa hervor (in den Armen seines Klubkollegen Jakub Blaszczykowski).

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Wenig spricht dafür, dass in den nächsten Wochen einer abfällt aus dieser Viererbande. Das Gladbacher Spiel wird getragen von einer Intelligenz und Hingabe zum Detail, wie sie Zufälle nahezu ausschließen. Schalkes Offensivkraft mit dem spanisch-holländischen Angriff Raúl/Huntelaar ist auch an weniger guten Tagen kaum zu kontrollieren. Und die Qualität der Bayern ist viel zu hoch, als dass aus einer Niederlage ein Trend abgeleitet werden könnte. „Wir sind weiter Erster, und wenn wir am Ende mit zehn Niederlagen Erster sind, ist mir das auch egal“, sagte Nationalspieler Toni Kroos. Sein Kollege Philipp Lahm gab immerhin zu, „dass die Dortmunder unser ärgster Kontrahent sind – neben uns selbst“. Für Teil eins dieser These steht der stürmische Auftritt der Borussia am Sonntag beim überforderten HSV. „Das war so schnell, dass ich es mir noch mal im Fernsehen anschauen muss“, schwärmte Trainer Klopp, sein Stürmer Robert Lewandowski wählte zur Charakterisierung des Tempofußballs die nahe liegende Formulierung: „So ist eben Borussia!“

Die Dortmunder können als Meister ihr Verlangen nach einem Da Capo schwer leugnen, in München ist der Gewinn der Meisterschaft in der Vereinssatzung niedergeschrieben, und der Schalker Klaas-Jan Huntelaar verkündete nach dem 3:1 über Stuttgart angriffslustig: „Natürlich können wir Meister werden!“ Nur die Gladbacher zieren sich immer noch ein wenig und verweisen auf ihren eher bescheidenen Kader, mit dem sie in der vergangenen Saison beinahe abgestiegen wären. Doch erstens ist die vergangene Saison lange her und steht zudem in direktem Zusammenhang mit einer glanzvollen Aufholjagd nach der Bestellung von Trainer Lucien Favre, in deren Folge die Borussia auf Champions-League-Niveau punktete. Und wer, zweitens, beide Spiele gegen die Bayern gewinnt und nach 18 Spieltagen einen Punkt hinter Platz eins liegt, der muss sich damit abfinden, dass ihm höhere Ambitionen nachgesagt werden.

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