zum Hauptinhalt
PRODUKTION - 20.03.2024, Südsudan, Renk: Flüchtlinge aus dem Sudan sitzen dicht aneinandergedrängt in einem Boot, das sie von der südsudanesischen Grenzstadt Renk auf dem Weißen Nil nach Malakal zur weiteren Unterbringung bringen soll. Der blutige Machtkampf im Sudan, der vor einem Jahr begann, hat mittlerweile die größte Flüchtlingsbewegung weltweit ausgelöst. Mehr als neun Millionen Menschen sind innerhalb des Sudans und in den angrenzenden Staaten auf der Flucht vor den Kämpfen. (zu dpa: «Ein Jahr Sudan-Konflikt: Hunger, Flucht und düstere Zukunftsszenarien») Foto: Eva-Maria Krafczyk/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Eva-Maria Krafczyk

Journalisten in Südsudan: Die Hölle auf Erden

Der Südsudan ist ein extrem gefährlicher Ort für Journalisten. Joseph Oduha berichtet von seinem eigenen Schicksal und dem seiner Kollegen.

Von Joseph Oduha

Nach 13 Jahren Bürgerkrieg ist der Südsudan immer noch ein extrem gefährlicher Ort für Journalisten, die ihren Beruf ohne staatliche Eingriffe ausüben wollen. Für Journalisten ist es höchst riskant, sich mit ihren Kameras in der Öffentlichkeit zu bewegen oder Interviews zu führen, selbst auf Marktplätzen.

Im Dezember 2013 erodierte die unabhängige Presse im Südsudan nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs. Die Regierung schloss den zivilen und politischen Raum und machte es politischen Kritikern, Medien, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidigern schwer, frei über die Lage im Land zu sprechen.

Mitte Dezember 2013 begann ein langwieriger und besorgniserregender Angriff auf die südsudanesischen Medien durch die Regierung des Landes und die für die Medienbranche zuständigen Institutionen. Seitdem hat sich dieser Angriff leider als äußerst effizient erwiesen.

Seit dem Ausbruch des Krieges im selben Jahr zwischen den vom amtierenden Präsidenten Salva Kiir Mayardit und seinem Erzrivalen Dr. Riek Mahcar Teny angeführten Fraktionen wurden mehrere Journalisten getötet, einige ins Exil verbannt und andere haben aus Sicherheitsgründen ihren Beruf gewechselt.

Der amerikanische Journalist Christopher Allen führt die Liste der Journalisten an, die von staatlicher Seite getötet wurden, als sie über die politische Krise im Südsudan berichteten.

Gegenwärtig haben einige Medienorganisationen beschlossen, ihre Berichterstattung auf vermeintlich sichere Themen zu beschränken und stellen sicher, dass ihre Mitarbeiter einen ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergrund haben, der für die Machthaber akzeptabel ist. Einige der Medien wurden von der Regierung des Landes gewaltsam geschlossen.

Während sich das Land auf seine ersten allgemeinen Wahlen im Dezember dieses Jahres vorbereitet, intensiviert der staatliche Sicherheitsdienst „National Security Service“ seine Spionageaktivitäten gegen private und unabhängige Medieneinrichtungen im Land, um gegen Kritiker und Menschenrechtsverteidiger vorzugehen. Es sind Maßnahmen, um den medialen, zivilgesellschaftlichen und politischen Raum in dem vom Krieg zerrissenen Land weiter zu verkleinern.

Wurde entführt und gefoltert: Joseph Oduha Elipidio.

© privat

Neben Angriffen auf Journalisten, Bürgerrechtler und politische Kritiker hat die staatliche Sicherheitsbehörde auch Sicherheitsbeamte in die wichtigsten Druckereien in der Hauptstadt Juba entsandt, um Artikel zu zensieren, die als kritisch gegenüber den Behörden des Landes angesehen werden.

Die Leiter privater, unabhängiger und kommunaler Radiosender und die Redakteure von Tageszeitungen sehen sich häufig dem Zorn des Sicherheitspersonals und der Anhänger prominenter Politiker ausgesetzt, wenn sie es zulassen, dass kritische Berichte ausgestrahlt oder in Zeitungen veröffentlicht werden.

Die Presse wird unterdrückt, um die Interessen der Eliten zu schützen.

Joseph Oduha

Die in den Druckereien eingesetzten Sicherheitskräfte fungieren in der Regel als Endredakteure. Sie genehmigen, was in den Zeitungen gedruckt werden soll und was nicht. Die Pressefreiheit wird unterdrückt, um die politischen Interessen der herrschenden Eliten zu schützen.

Medienorganisationen im Südsudan dürfen nicht einmal Workshops in irgendeinem Teil des Landes durchführen, ohne zuvor eine Genehmigung der staatlichen Sicherheitsbehörde einzuholen. Sie müssen auch eine Genehmigung einholen, um internationale Aktionstage wie den Welttag des Radios, den Welttag der Pressefreiheit, den Internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit für Verbrechen gegen Journalisten und den Tag des Zugangs zu Informationen zu begehen.

Nebel aus Unwissenheit und Unsicherheit

Diejenigen, die sich diesem harten Vorgehen widersetzt haben, wurden inhaftiert oder systematisch schikaniert und mussten körperliche Gewalt erleiden. All dies geschieht trotz der bestehenden Mediengesetze und der Garantie für Medien- und Meinungsfreiheit in Artikel 24 der Übergangsverfassung des Landes.

Neben den Journalisten und der Wahrheit selbst haben vor allem die Menschen im Südsudan unter diesen Angriffen gelitten. Sie haben keine Möglichkeit mehr zu erfahren, was in ihrem Land wirklich vor sich geht, und keine Möglichkeit, ihre Sorgen und Wünsche zu äußern.

Flüchtlinge im Südsudan.

© dpa/AP/Sam Mednick

Jeder Angriff auf die Medienfreiheit wird die Menschen immer in einem Nebel aus Unwissenheit und Unsicherheit zurücklassen. Die Konflikte und Eigeninteressen haben das Vertrauen in die südsudanesische Gesellschaft geschwächt.

Eine unabhängige Presse, eine Stimme, auf die sich die Menschen verlassen können, weil sie sachlich und unparteiisch ist, ist von entscheidender Bedeutung, um das Vertrauen und die Unterstützungssysteme wiederherzustellen, die in der südsudanesischen Kultur früher so zahlreich waren und auf die man sich verlassen konnte.

Unabhängige Medien und eine freie Presse können durch eine genaue Berichterstattung, die zu kritischem Denken führt, ermöglichen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Entscheidungen in Kenntnis der Sachlage treffen können.

Entführt und gefoltert

Es war im Sommer 2019, als ich beschloss, aus dem Land zu fliehen, um Sicherheit und Schutz in Deutschland zu finden, nachdem ich zahlreiche von der Regierung geplante Verfolgungen aufgrund meiner journalistischen Tätigkeit überlebt hatte.

Doch bevor ich nach Deutschland floh, überlebte ich das schrecklichste Ereignis in meinem Leben, als ich am 14. September 2019 in Kampala-Uganda entführt und gefoltert wurde, während ich ein Visum von der deutschen Botschaft in Kampala beantragen wollte. Die Entführung folgte auf eine Reihe von Warnungen und Drohungen des staatlichen Geheimdienstes des Landes, des National Security Service, der mir bei zahlreichen Gelegenheiten negative Medienberichte über die Angelegenheiten des Landes vorwarf.

„Gefahr für die nationale Sicherheit“

Im Jahr 2016 hatte ich schon einen ähnlichen Angriff überlebt, nachdem ich öffentliche Drohungen vom Oberkommando der Armee erhalten hatte - als Vergeltung für einen Artikel über Landraub, den ich geschrieben und den die Zeitung The Dawn Daily im März veröffentlicht hatte. Ich floh nach Nairobi, Kenia, und verbrachte fast ein ganzes Jahr im Exil. Im November desselben Jahres kehrte ich nach Hause zurück und nahm meine Arbeit in den Medien wieder auf.

Als ich nach meiner Rückkehr aus dem Exil in Juba lebte, wurde ich 2017 und 2018 mehrfach vom Nationalen Sicherheitsdienst (NSS) vorgeladen und verwarnt, weil ich kritisch über die Angelegenheiten des Landes berichtet hatte. In einer dieser Vorladungen wurde ich als Gefahr für die nationale Sicherheit des Landes bezeichnet, weil ich Menschenrechtsverletzungen untersuchte und darüber berichtete.

Im Juni 2018 floh ich erneut aus dem Land ins Exil, u. a. mithilfe internationaler Pressewächter wie dem Committee to Protect Journalists und Free Press Unlimited. Später im Jahr 2019 beschloss ich, den Kontinent zu verlassen und nach Deutschland zu gehen, wo ich mich sicher und geschützt fühlen kann.

Herausforderungen des Exils

Ein Mensch, der sich in einer neuen Umgebung befindet, hat mit Herausforderungen der sozialen Integration wie Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede, Arbeit, angemessene Unterkunft und Anpassung an das tägliche Leben zu kämpfen. Aber für diese Herausforderungen gibt es Lösungen. Sie können durch Lernen überwunden werden.

Die ersten drei Jahre nach meiner Ankunft in Deutschland waren nicht einfach, da ich aufgrund der schrecklichen Ereignisse, die ich in meiner afrikanischen Heimat erlebt habe, von Traumata und Depressionen geplagt war.

Ich danke dem Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) und Freunden, die sich mit mir solidarisiert haben, um meinen Heilungsprozess hier in Deutschland zu unterstützen. Im September 2021 bot mir das ECPMF ein sechsmonatiges Stipendium in Leipzig an, wo ich meine ersten Therapiesitzungen erhielt. Es war sehr erleichternd, in Leipzig zu sein.

Ein unvergesslicher Moment, den ich in Deutschland erlebte, war, als ich im April 2022 von zwei Mitbewohnern körperlich angegriffen wurde, weil ich ihnen gesagt hatte, dass sie in der Wohnung keine harten Drogen rauchen sollten.

Der Vorfall ließ schreckliche Erinnerungen aus der Vergangenheit wieder aufleben, und ich wurde zweimal zur Trauma- und Depressionsbehandlung in das Pfalzklinikum in Rheinland-Pfalz eingeliefert.

Es war auch eine Erinnerung daran, dass diese digitale Welt für Journalisten und Menschenrechtsverteidiger nahezu überall unsicher ist und dass wir in jeder Umgebung wachsam sein sollten. Angesichts dieser schrecklichen Erfahrungen ist die Situation für Medienschaffende im Südsudan wirklich die Hölle auf Erden.

Dieser Beitrag ist vor allem dem Welttag der Pressefreiheit gewidmet. Es ist der Tag, an dem wir der Journalisten gedenken, die in Ausübung ihrer Pflicht getötet wurden, und für diejenigen beten, die weltweit hinter Gittern sitzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false