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Am Montag fiel das Urteil vor dem Amtsgericht Tiergarten.

© dpa

Urteil gegen 18-jährigen Serientäter: Aus der kirgisischen Steppe in die geschlossene Psychiatrie

Mit zwölf Jahren war er schwerkriminell, auf einem kirgisischen Bauernhof stabilisierte er sich - doch zurück in Berlin, schlug Andrzej S. wieder zu. Am Mittwoch schickte das Landgericht den 18-Jährigen in die Psychiatrie.

Er begann seine Gangsterkarriere im Grundschulalter. Mit gerade einmal 12 Jahren hatte Andrzej S. 25 Straftaten in der Akte. Das Jugendamt Neukölln brachte ihn auf Staatskosten für fünf Jahre nach Kirgisistan - doch nach der Rückkehr wurde er sofort wieder kriminell. Nach einem Hammerangriff im August 2014 wurde er in Untersuchungshaft genommen.

Am Mittwoch schickte das Landgericht Andrzej S. nach fünf Verhandlungstagen in die geschlossene Psychiatrie. Auf unbestimmte Zeit. Ein Gutachter attestierte dem 18-Jährigen eine Persönlichkeitsstörung.

Der Richter folgte der Einschätzung und entschied auf bedingte Schuldfähigkeit: Ohne psychiatrische Betreuung und medikamentöse Behandlung sei Andrzej S. eine Gefahr für die Allgemeinheit.

Gewalt und Missbrauch in der Familie

Andrzej S. stammt aus zerrütteten Verhältnissen. Mit elf Jahren kam er mit seiner Familie aus Polen nach Berlin-Neukölln, schon früh waren seine Geschwister und er mit familiärer Gewalt und sexuellem Missbrauch konfrontiert.

Nach dem Umzug startete S. sofort eine kriminelle Karriere, mit zwölf Jahren führte ihn die Polizei als Intensivtäter. Mehr als zwei Dutzend Straftaten soll das Kind zwischen 2008 und 2009 begangen haben: Diebstähle, Raubüberfälle, Körperverletzungen.

In Deutschland wollte niemand den Intensivtäter haben

Das Jugendamt Neukölln entschied, den Zwölfjährigen aus der Familie zu nehmen und in einer Spezialeinrichtung für jugendliche Gewalttäter unterzubringen. Ohne Erfolg, niemand wollte sich Andrzej S. aufbürden.

"Wir haben bundesweit gesucht, aber nur Absagen erhalten", sagt Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU). "Also haben wir ihn zu einer Bauernfamilie nach Kirgisistan geschickt."

Ruhige Jahre in der kirgisischen Steppe

Andrzej S. lebte fünf Jahre, bis zum April 2014, auf dem Bauernhof in Zentralasien. Liecke zufolge kostete der Platz auf dem Bauernhof rund 60.000 Euro im Jahr, zwischen 2009 und 2014 wurde 300.000 Euro Steuergelder für Andrzej S. ausgegeben. "Eine Unterbringung in Deutschland hätte das Doppelte gekostet", sagt Liecke.

Immerhin schien die Rechnung aufzugehen: Die Abgeschiedenheit schien S. gut zu tun; er half auf dem Bauernhof, lernte Russisch und versuchte sich am Schulabschluss - allerdings ohne Erfolg. Auch eine Freundin soll er gefunden haben. Zwar sei er immer wieder wegen kleinen Diebstählen aufgefallen, schwere Delikte habe er jedoch nicht mehr verübt.

Rückfall nach neun Tagen

Im April 2014 wurde Andrzej S. 18 Jahre alt, er kehrte kurz vor seinem Geburtstag nach Berlin zurück und zog in eine betreute Wohneinrichtung, wieder nach Neukölln. "Er hatte Heimweh nach Berlin, wollte seine Mutter sehen", so Liecke.

Wieder in der Großstadt, verfiel Andrzej S. aber sofort wieder in alte Verhaltensmuster: Nach nur neun Tagen in Deutschland beging er einen Raubüberfall.

Später ließ er sich mit Drogen erwischen, überfiel eine Arztpraxis, schlug Leute zusammen. Im August soll er zusammen mit einem Freund einen Hausmeister mit einem Hammer schwer am Kopf verletzt haben. Die Serie von Delikten wurde erst durch seine erneute Festnahme unterbrochen, seit August saß er in Untersuchungshaft.

Acht Straftaten in fünf Monaten

Wegen acht Straftaten - begangen im Zeitraum zwischen April und August 2014 - wurde Andrzej S. vor Gericht gestellt, in sieben Fällen sah der Richter seine Schuld als erwiesen an. Nur für den Hammerangriff wurde S. nicht verurteilt: Es war nicht zweifelsfrei festzustellen, ob er selbst oder sein Freund zugeschlagen hatte.

Nun soll Andrzej S. so lange therapiert werden, bis die Ärzte überzeugt sind, dass ein Neuanfang glücken können. Wie lange das dauert, weiß niemand.

Geht es nach Jugendstadtrat Liecke, soll dieser Neuanfang in S.s alter Heimat stattfinden: "Nach der Therapie kommt für mich nur eine Rückführung in das Heimatland Polen in Frage. Es ist nicht vertretbar, dass der Steuerzahler für diesen Täter weiter aufkommen muss."

2013 gab es in Berlin 753 Intensivtäter

In Berlin waren Ende 2013 insgesamt 753 Intensivtäter bei Polizei und Staatsanwaltschaft erfasst, davon kommen 105 aus Neukölln.

Als Intensivtäter gelten Personen, die verdächtigt werden, binnen einen Jahres mindestens zehn Straftaten begangen zu haben - sind diese Taten besonders schwer, reichen auch weniger. Außerdem muss die Gefahr einer sich verfestigenden kriminellen Karriere festgestellt werden, um in der Kartei der Sicherheitsbehörden zu landen.

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