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© Montage: Tagesspiegel | David Heerde, imago

Berliner Forschungszentrum von Bayer und Charité: Warum den Kanzler nun Gen- und Zelltherapie interessiert

Auch Olaf Scholz kommt, wenn Bayer und die Charité einen Inkubator für Medizin-Start-ups gründen. Für einen dreistelligen Millionenbetrag soll in Wedding ein Forscher-Hotspot entstehen.

Dass der Kanzler nach dem EU-Wahldebakel und im steten Ampel-Streit unbedingt auf diese Weddinger Brache möchte, lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Am Berliner Nordhafen soll ein Zentrum entstehen, in dem Forscher aus aller Welt neue Gen- und Zelltherapien entwickeln – salopp gesagt, die Zukunft der Medizin gestalten.

Und so sagte Olaf Scholz (SPD) zur Gründung des Zentrums am Freitag: „Mit dem Startschuss für das neue Translationszentrum feiern wir heute auch eine einzigartige Form der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik.“

Am Nordhafen wollen der Pharma-Konzern Bayer und Berlins landeseigene Universitätsklinik Charité gemeinsam Start-ups ansiedeln, die zu Gen- und Zelltherapien für Krankheiten forschen, die derzeit kaum behandelt werden können. Dafür sind ein sogenannter Inkubator samt Laboren und eine Produktionsstätte geplant.

So soll das Translationszentrum von Bayer und Charité aussehen.

© Henn/ promo

Menschliche Gene fungieren, laienhaft gesprochen, wie Baupläne des Lebens. Mit modifizierten Genen, gewissermaßen leicht optimierten Bauplänen, wollen Ärzte bald Patienten helfen. Erfolgreiche Forschungsergebnisse aus dem Weddinger Zentrum sollen zügig am Krankenbett angewandt werden, was Translation genannt wird und in Deutschland noch vergleichsweise lange dauert.

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Start-ups sollen von Berlin-Wedding aus die Medizin revolutionieren.

Zunächst schaffen Bayer und Charité eine gemeinsame, nicht-gewinnorientierte Gesellschaft. Der Pharma-Konzern wird 33, die Hochschulklinik also 67 Prozent der Geschäftsanteile halten. Das Grundstück für das Zentrum stellt Bayer, die Charité hilft beim Ausbau. Der Investor iQ Spaces wird das Gebäude bis 2027 für 180 Millionen Euro bauen. Dann mietet das Bayer-Charité-Joint-Venture das zehnstöckige Haus mit 18.000 Quadratmetern Nutzfläche. Eine – im Erfolgsfall mögliche – Massenproduktion dort entwickelter Medikamente müsste allerdings anderswo stattfinden.

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Bis zu 20 Firmen, also Life Science- und Medtech-Start-ups mit insgesamt 300 Leuten, könnten sich in dem Translationszentrum ansiedeln. Bayer und die Charité teilten mit, man wolle die Start-ups bis zum tragfähigen Geschäftsmodell begleiten. So solle ein Forscher-Hotspot entstehen, der auch Bayer und der Charité nützt, die nebenan ihre Sitze haben.

Weder der private Bayer-Konzern (2,9 Milliarden Euro Minus im letzten Jahr) noch die landeseigene Charité (135 Millionen Euro Defizit in 2023) finanzieren das Zentrum allein, Senat und Bund sagten je zweistellige Millionenbeträge zu. Kosten: insgesamt 120 Millionen Euro. Am Vortag hatte der Kanzler immerhin verlauten lassen, dass Deutschland „von allen großen Ländern in Europa am meisten in Forschung und Entwicklung investieren“ solle.

Bayer-Pharma-Chef Stefan Oelrich sprach nun von einem entstehenden „Biotech-Ökosystem“ am Nordhafen, Senatschef Kai Wegner (CDU) von Berlin als Deutschlands führendem Wissenschaftsstandort, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von einer „neuen Ära in der Medizin“, was wiederum Charité-Chef Heyo Kroemer so einordnete: „Weil es sich um hochinnovative Medikamente handelt, ist ihre Entwicklung deutlich komplexer als bei anderen Arzneimitteln.“

Vorbild für den Gesundheits-Hotspot ist Boston, das formulierte so schon Ex-Senatschef Michael Müller (SPD). Tausende Biotech-Start-ups siedelten sich in den letzten Jahren in der US-Ostküste-Metropole an – auch, weil mit der Harvard-University und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) zwei Top-Hochschulen in der Nähe sind. Nun sieht es so aus, als käme Berlin einem solchen Forscher-Biotop näher.

Erst letzte Woche übergab das der Charité angeschlossene „Berlin Institute of Health“ ein Strategiepapier für gen- und zellbasierte Therapien an Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Erklärtes Ziel: Zügiger von der Forschung zur Nutzung. Denn, wie die Ministerin sagte, Deutschland habe exzellente Wissenschaftler, doch am letzten Schritt – der Translation – hapere es oft.

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