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Der ärztliche Leiter der Notaufnahme des Klinikums Mutterhaus geht durch eine automatische Schiebetür in den Flur der Notaufnahme.

© dpa/Harald Tittel

Tagesspiegel Plus

26 Notaufnahmen zu viel: Berlins Kassenärzte-Chef würde zwei Drittel der Rettungsstellen schließen

Der Bund will die Notfallversorgung reformieren. Ein Gespräch darüber, wie man Leute mit Bagatellen von der Notaufnahme fernhält und ob Gewalt auch in Arztpraxen ein Problem ist.

Herr Ruppert, 43.000 Menschen kommen pro Jahr allein in die Rettungsstelle der DRK-Klinik Köpenick – obwohl die Kapazität für 25.000 ausgelegt ist. Sind die Leute zu bequem?
Wir haben 37 Notaufnahmen in der Stadt, das ist einmalig in Deutschland. Eine Notaufnahme ist also nie weit weg und hat immer geöffnet. Ich will die Patienten nicht verteufeln, sie fühlen sich krank und suchen Hilfe. In Berlin fehlen familiäre Strukturen, wie sie teilweise noch auf dem Land existieren: Eltern, Großeltern. Das Generationenwissen geht verloren. Viele haben auch keinen Hausarzt oder kennen das System nicht, weil sie aus einem anderen Land stammen.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin betreibt elf Notdienstpraxen an verschiedenen Kliniken. Wenn alle Patient:innen, die heute unberechtigt in der Notaufnahme sitzen, dorthin gehen, verschiebt sich der Kollaps nicht nur?
Derzeit haben wir eine Versorgungsstruktur, die sehr teuer ist, weil sie die Patienten nicht steuert. Die KV Berlin verfolgt bereits gute Ansätze, aber die Menschen müssen lernen: Ruft die Telefonservicestelle 116117 an! Dort hört sich ein Mitarbeiter die Symptome an und beurteilt mithilfe einer standardisierten Ersteinschätzung, ob der Patient sofort ins Krankenhaus muss, ob er in eine der Notdienstpraxen gehen sollte oder ob wir einen Arzt zum Hausbesuch schicken. Oft reicht es auch, wenn der Patient am nächsten Tag zum Hausarzt geht. In Berlin führen allein unsere Beratungsärzte 100.000 Gespräche im Jahr. 66.000 Menschen sind abschließend beraten. Das heißt, zwei Drittel aller Anrufer müssen nicht am selben Tag zum Arzt. Auch muss nicht jeder Akutfall in die Klinik, dafür haben wir die Fast Lane.

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