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Hand mit Uhr Skulptur

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Kolumne „Berliner Trüffel“: Eine Skulptur für Depeche Mode

Die „Hand mit Uhr“ steht seit 1975 im Hansaviertel. Joachim Schmettaus Werk schaffte es sogar bereits in ein Musikvideo. Aber nicht bloß das macht diese Skulptur besonders.

Eine Kolumne von Christiane Meixner

Endlich mal eine Skulptur zur Zeit. Die „Hand mit Uhr“ im Hansaviertel hat lange nicht funktioniert, aber seit sie vor Jahren im Rahmen einer Privatinitiative restauriert wurde, leuchtet die Uhrzeit wieder weithin sichtbar – es ist nämlich eine digitale Anzeige.

Die monumentale Hand, deren Finger von oben einen Block aus Sichtbeton umgreifen, der zugleich als Sockel dient, stammt von 1975. Fünf Jahre zuvor hatte man in New York die erste Digitaluhr vorgestellt. Joachim Schmettau war also ziemlich weltläufig, als er seine Plastik in Berlin vor dem Gymnasium Tiergarten aufstellte.

Selbst Depeche Mode sind Fans

Ungleich bekannter wurde er mit seinem Erdkugelbrunnen auf dem Breitscheidplatz, aber eigentlich ist die „Hand mit Uhr“ viel avantgardistischer. Das fanden auch Depeche Mode: Ihr offizielles Video zum Synthpop-Song „Everything Counts“ entstand in Berlin, und irgendwann in der Schlussszene gruppiert sich die Band um Schmettaus voluminöses Werk.

Einen anderen Aspekt betrifft sein Material. Während das Bildhauer-Duo Matschinsky-Denninghoff mit silbrig schimmerndem Chromnickel experimentiert oder sich die Stahl-Künstlerin Gisela von Bruchhausen ihren Werkstoff vom Schrottplatz holt, verfällt Schmettau auf Neusilber.

Das glänzt ebenfalls, doch der 1937 Geborene färbt es dunkel wie Bronze. Da schwebt seine Plastik über dem Beton und ähnelt einem Relikt aus Jahrhunderten, in denen Monumentalfiguren noch einen repräsentativen Anspruch hatten. Die passende Gestalt zu dieser Hand möchte man sich gar nicht vorstellen, sie wäre mindestens so riesig wie der „Molecule Man“ von Jonathan Borofsky an den Treptowers.

Ein funktionierender Widerspruch

Undenkbar für die 1970er-Jahre, in denen Berlins kritische Realisten – die Studentenunruhen im Rücken – alles Institutionelle dekonstruierten. Also schneidet Schmettau das Körperteil abrupt über dem Handgelenk ab und verpasst ihm mit der Digitaluhr ein modernes Accessoire.

Dieser Widerspruch funktioniert immer noch. Jeder Gang Richtung Altonaer Straße rückt die Plastik in den Blick. Sie drängt sich nicht auf, aber die leuchtende Zeit in Signalfarbe lässt einen auch nicht los.

Die „Hand mit Uhr“ resultiert aus einem Kunst-am-Bau-Projekt, und wenn man es sieht, wünscht man sich mehr davon. Mehr Arbeiten von solcher Qualität.

Immer sonntags stellt die Serie „Berliner Trüffel“ Kunstwerke des öffentlichen Raums vor.

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