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Mendelssohn-Remise

© Manfred Fuß

Mikrokosmos deutsch-jüdischen Lebens: Die Mendelssohn-Remise ist gefährdet

Ausstellung, Konzerte, Lesungen: Seit 20 Jahren bietet die Mendelssohn-Remise am authentischen Ort ein vielfältiges kulturelles Programm. Eine Mieterhöhung könnte dem ein Ende setzen.

Sie rücken Stühle, sie richten Mikros, sie erklären die Ausstellung, sie empfangen die Gäste: Ohne sie, die rund 40 ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer, wäre die kulturelle Arbeit der Mendelssohn-Remise nicht möglich. Nicht die Konzerte, nicht die Debatten und Lesungen und nicht die stimmungsvolle Ausstellung, die an das Wirken der Mendelssohn-Familie in Berlin erinnert.

Die Ehrenamtler, meist fortgeschrittenen Alters, halten den Laden am Laufen, sie können fast alles. Nur eines können sie nicht: Geld herbeizaubern.

Genau das wäre aber nötig. Denn die Mendelssohn-Remise, lauschig am Springbrunnenhof der Jägerstraße 51 gelegen und vom Gendarmenmarkt aus in wenigen Schritten zu erreichen, ist aufgrund einer Mieterhöhung stark gefährdet. Bisher konnte die Mendelssohn-Gesellschaft, Trägerin der Remise, mithilfe von Mitgliederbeiträgen, Spenden und Sponsoren die Miete auch ohne öffentliche Unterstützung stemmen.

Regelmäßig finden Konzerte statt - hier in der sommerlichen Reihe „Last Rose of Summer“.

© Manfred Fuß

„Aber eine Erhöhung um 40 Prozent können wir nicht aufbringen“, sagt Thomas Lackmann, Vorstandsmitglied der Gesellschaft und Leiter der Remise. „Wenn es dabei bleibt, müssen wir zum Ende des Jahres raus.“

Seit 20 Jahren ist in der ehemaligen Kassenhalle der Mendelssohn-Bank eine Ausstellung über die deutsch-jüdische Familie zu sehen, die Berlin in vieler Hinsicht prägte: Angefangen mit dem Philosophen der Aufklärung Moses Mendelssohn über seine Bankierssöhne Joseph und Abraham, die Komponisten-Enkel Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy bis hin zum Bankier Franz von Mendelssohn waren Familienmitglieder als Gelehrte, Künstler, Geschäftsleute und Mäzene aktiv.

Einige behielten den jüdischen Glauben, andere gaben ihn auf – am Beispiel der Familie lässt sich die Geschichte der Juden in Deutschland erzählen, und das am authentischen Ort. Der Ausstellungsraum mit seinem Ziegelgewölbe, von Granitsäulen getragen, bietet aber auch Platz für Veranstaltungen unterschiedlichster Art, meist mit Schwerpunkt auf deutsch-jüdischen Themen und Musik.

Das Team der Ehrenamtlichen mit Remisen-Leiter Thomas Lackmann (rechts).

© Manfred Fuß

Hier hat schon Christoph Waltz rezitiert, Daniel Hope für ein Benefizkonzert gespielt und Bundespräsident a.D. Joachim Gauck eine „Mendelssohn-Lektion“ über Toleranz gehalten. Zum Weltflüchtlingstag fand ein Abend „Emigrierte Rezepte“ mit „Bildern, Klängen, Geschichten und Gerichten der anderen“ statt, die Reihe „Sonntagsmusik“ präsentiert Klaviermusik, die aus dem Erleben der Natur inspiriert wurde.

Das Jahresprogramm der Remise kann sich in Ausstrahlung und Qualität mit dem öffentlich geförderter Kulturinstitutionen durchaus messen, im Jahr kommen durchschnittlich 10.000 Besucherinnen und Besucher in die Ausstellung, zu Veranstaltungen und Stadtspaziergängen.

Das Ende der Remise wäre gerade in diesen Zeiten ein deprimierendes Signal.

Thomas Lackmann, Vorstandmitsglied Mendelssohn Gesellschaft

Der Vermieter ist der Immobilienfonds Union Investment Institutional Property GmbH. Er stellt die Gesellschaft vor die Wahl, entweder die deutlich erhöhte Miete zu bezahlen oder einen neuen Mietvertrag mit viermonatiger Kündigungsfrist einzugehen, was nach Lackmanns Ansicht einem Rauswurf gleichkäme: „Sobald sie dann einen Mieter gefunden haben, der die höhere Miete zahlt, müssten wir in kürzester Zeit raus. Mit einer solchen Perspektive können wir kein Jahresprogramm planen.“

Das Ende der Remise wäre gerade in diesen Zeiten ein „deprimierendes Signal, denn hier werden die Mendelssohns erforscht und thematisiert als Mikrokosmos der deutsch-jüdischen Geschichte. Anders als Leipzig und Hamburg hätte Berlin kein Mendelssohn-Museum mehr – ein Armutszeugnis.“

Lauschiger Innenhof: Die Mendelssohn-Remise befindet sich im Erdgeschoss.

© Dorothe Nolte

Die Mendelssohn-Gesellschaft bemüht sich ebenso um neue Finanzquellen wie die Ehrenamtler. Es müsste doch wohlhabende Menschen geben, die die Anliegen der Remise fördern möchten, glaubt Renate Alweiß, die die sommerliche Konzertreihe „Last Rose of Summer“ mit organisiert. Aber wie an sie herankommen? Die Ehrenamtler haben schon viele Briefe an mögliche Förderer geschrieben, „aber bisher kamen höchstens warme Worte zurück“.

Thomas Lackmann wundert das wenig: Was die Mendelssohns im großen Stil taten – Kultur fördern durch Mäzenatentum – ist seiner Meinung nach in Berlin heute nicht üblich. Einzelne Spenden hätten auch nur begrenzte Wirksamkeit, es brauche eine strukturelle Förderung, um den Ort dauerhaft zu sichern.

Renate Alweiß (links) und Claudia Schroth engagieren sich ehrenamtlich für die Remise.

© Dorothe Nolte

Natürlich haben sich die Ehrenamtlichen schon an den Kultursenator gewandt, bereits im Dezember vergangenen Jahres, als die Mieterhöhungsforderung eingetroffen war. Ende Februar sei eine Mitarbeiterin vorbeigekommen, berichtet Claudia Schroth, und sei hellauf begeistert gewesen von der Arbeit, die hier geleistet wird. Mehrere Nachfragen hätten aber nur das Ergebnis erbracht, dass sich der Kultursenator außerstande sehe, die Remise aus eigenen Mitteln zu unterstützen.

Auf Nachfrage des Tagesspiegels möchte die Behörde das so nicht stehen lassen. „Der Erhalt der Mendelssohn-Remise als Begegnungs-, Veranstaltungs- und Ausstellungsort ist uns ein wichtiges Anliegen“, sie sei ein „Ort von herausragender kulturpolitischer Bedeutung“, heißt es. Der Senator habe gerade einen Brief an den Eigentümer geschrieben mit der Bitte, „das Mietverhältnis mit der Mendelssohn Gesellschaft in der bisherigen fördernden Weise fortzusetzen“, sagte ein Sprecher. Sollten sich Mieter und Eigentümer nicht einigen, sei es „möglich“, dass eine Unterstützung mit Mitteln des Landes „geprüft“ werde.

Aus Sicht der Remisen-Engagierten kämen dafür auch die Extra-Mittel für den Kampf gegen Antisemitismus in Frage, die die Koalition bereitgestellt hat. Die CDU-geführte Kulturverwaltung hat von den 20 Millionen bisher nur ein Bruchteil ausgegeben hat, wie Politiker von SPD und Grünen beklagen.

Vorerst bleibt den Ehrenamtlichen und der Mendelssohn-Gesellschaft nur die Hoffnung auf ein Entgegenkommen des Vermieters – und auf finanzkräftige Sponsoren oder wohlwollende Bürger, die bereit wären, die Remise mit Spenden zu unterstützen.

Transparenz-Hinweis: Die Autorin ist Mitglied der Mendelssohn-Gesellschaft.

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