zum Hauptinhalt
Die neue Generation der Berlin Flamingos.

© imago images / F. Anthea Schaap

„Deutscher Baseball könnte uns Amerikaner überholen“: Die Berlin Flamingos hoffen auf den großen Boom

Baseball findet in Deutschland kaum Beachtung. Im Flamingo-Park in Reinickendorf hingegen ist der Sport alles. Doch der Verein steht vor einem großen Problem.

Von Johanna Kast

„Leute, wir kriegen noch Eis“, ruft eine junge Softball-Spielerin ihren Team-Kollegen über die Sportanlage zu. Eine Kinderschar im Alter zwischen vier und neun Jahren huscht am frühen Dienstagabend über den Baseball-Court im Märkischen Viertel in Berlin. Sie haben gerade ihr Training beendet und tragen noch die typische Baseball-Uniform, wie man sie sonst nur aus amerikanischen High-School-Filmen kennt.

An der Königshorster Straße in Reinickendorf trainiert Berlins größter und mitgliederstärkster Baseball-Verein, die Berlin Flamingos.

Im gleichnamigen Flamingo-Park, der Heimstätte der Berlin Flamingos, erzählt der 9-Jährige Hugo freudig und mit Eis in der Hand von seinen Anfängen mit dem amerikanischen Kult-Sport. Er ist bis heute froh, dass er sich für Baseball entschieden hat, als sein Opa ihn vor die Qual der Wahl – Fußball oder Baseball – stellte. Besonders das „weite Werfen und Schlagen“ gefällt ihm.

Auf der Anlage scheint sich alles um Baseball und Softball zu drehen. Ganz im Gegenteil zu Rest-Berlin und Deutschland. „Die Anzahl der Menschen, die nicht einmal wissen, dass Baseball in Deutschland existiert, hat mich schockiert“, sagt der 25-jährige Amerikaner Taylor. Über ein Austauschprogramm für Baseballspielende verbringt er ein halbes Jahr in Berlin und spielt für die erste Herrenmannschaft der Flamingos.

Es fehlen große Sponsoren

Diese musste nach der letzten Saison aus finanziellen Gründen notgedrungen die Erste Bundesliga verlassen. Jetzt spielt sie in der Zweiten Liga Nord-Ost und steht mit 13 Siegen und einer Niederlage an der Tabellenspitze. Zu Spitzenzeiten kamen bis zu 500 Zuschauer nach Reinickendorf, um die Flamingos zu bejubeln.

Sportlich könne man immer noch mit Mannschaften aus der Bundesliga mithalten, erklärt der Vorstandsvorsitzende und Mitgründer des Vereins, Marcel Dieck. Auch die amerikanische Softball-Trainerin Brittany Jacobsen ist begeistert vom Niveau der Teams. Sie ist über das gleiche Austauschprogramm wie Taylor nach Berlin gekommen. „Ich sehe sehr viel Potenzial im deutschen Baseball. Die Bereitschaft zu lernen ist deutlich höher als die in den USA. Gäbe es die finanziellen Mittel, könnte der deutsche Baseball uns Amerikaner vom Niveau her überholen.“

Doch so reicht es aktuell nicht einmal für die erste Liga. Die Kosten für Busfahrten, Unterkünfte und hochwertige Trainingsbedingungen sind für einen Verein mit ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeitern quasi nicht zu stemmen.

Gäbe es die finanziellen Mittel, könnte der deutsche Baseball uns Amerikaner überholen, vom Niveau her überholen

Brittany Jacobsen, Softball-Trainerin

„Es fehlen große Sponsoren und Sponsoring-Beauftragte, die sich um nichts anderes kümmern“, sagt Marina Wägner, ebenfalls Vorstandsvorsitzende und gemeinsam mit Marcel Dieck treibende Kraft im Verein. In Bonn, Regensburg oder Hamburg würde es große Sponsoren geben, die in Baseball-Vereine investieren. Das Problem: Die Flamingos verlieren junge Talente an Baseball-Akademien und Internate dieser Vereine.

Leuchtturmprojekt für den Nachwuchs

Um Baseball in Berlin und deutschlandweit zu fördern, haben die Flamingos 2016 das Leuchtturmprojekt „FlaminGOschool“ zur Nachwuchsgewinnung gestartet. Sie bieten Baseball-AGs an Berliner-Schulen an. Bis heute kommen die meisten Kinder über diesen Weg zum Sport. In den USA sind Baseball und Ausbildung eng miteinander verbunden. „Jede High-School und jedes College hat ein Baseball-Team. Baseball ermöglicht vielen Amerikanern ein Studium oder eine Ausbildung“, sagt Taylor. Er vermutet, dass gerade deshalb so viele Menschen in den USA Baseball spielen.

Außerdem soll die Regelung, dass nicht mehr als zwei ausländische Spieler gleichzeitig auf dem Court stehen dürfen, den deutschen und europäischen Baseball weiter vorantreiben.

Aber vielleicht boomt Baseball hier schon bald von ganz allein. Die Major League Baseball (MLB) plant in eine Profilliga in Deutschland zu investieren. Während das einige Erstligisten dankend annehmen würden, sieht der Vorstand der Flamingos die Situation durchaus kritisch. Die Major League würde „nicht aus Wohltätigkeit nach Europa kommen“. Die MLB sei vor allem daran interessiert, eigene Vereine international zu vermarkten. Hilfreich wären die Gelder für den Traum einer eingleisigen Baseball-Liga allerdings.

500
Zuschauer konnten die Berlin Flamingos bei Heimspielen im Flamingo-Park zu Spitzenzeiten willkommen heißen.

Trotz einer durchaus unklaren Zukunft und mangelnden Fördergeldern brauchen sich die Flamingos keineswegs zu verstecken. Mit einer hochwertigen Baseballanlage, professionellen Spielerbänken („Dugouts“) und einer „very welcoming atmosphere“ begeistern die Berlin Flamingos Klein und Groß. Wichtig ist neben dem sportlichen Erfolg nämlich auch, im Kiez des Märkischen Viertels einen Raum für Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Kontexten zu schaffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false