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Die Expertenkommission für die Umsetzung des Volksentscheids trifft sich am Freitag zur zweiten öffentlichen Anhörung seit ihrer Einsetzung im Ende April. 

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Paul Zinken

Update

Berlins Finanzsenator zu Enteignungen: Kostenschätzung des Senats nicht mehr „up to date“

2020 schätzte der Senat die Kosten für die Enteignung großer Immobilienkonzerne auf bis zu 39 Milliarden Euro. Daniel Wesener hält das für überzogen.

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Berlins Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) hält die 2020 vom Senat angestellte Kostenschätzung für die Höhe der im Fall von Enteignungen fälligen Entschädigung für überholt. „Kostenschätzungen muss man auf jeden Fall korrigieren, sobald sie älter als ein halbes Jahr sind“, erklärte Wesener auf einer vom Bündnis „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ organisierten Podiumsdebatte darüber, wie viel die Enteignung großer Immobilienkonzerne kosten würde.

Wesener fügte hinzu: „Die Zahlen, die in der Vergangenheit im Raum standen, sind angesichts vieler Entwicklungen vermutlich nicht mehr ganz up to date.“ Er begründete seine Aussage mit der Zinsentwicklung und dem Fakt, dass durch den Vonovia-Verkauf mehr als 15.000 ehemals private Wohnungen in Landesbesitz gelangten.

Darüber hinaus hätten die in Berlin aktiven börsennotierten Immobilienunternehmen zuletzt erheblich an Wert verloren, zeitgleich seien für die öffentliche Hand die Finanzierungskosten deutlich gestiegen. Wesener ließ erkennen, dass er von einer Entschädigungssumme unterhalb der 2020 von der Stadtentwicklungsverwaltung taxierten Höhe zwischen 29 und 39 Milliarden Euro ausgeht. Die von der Initiative im Nachgang des Gesprächs verbreitete Lesart, Wesener halte eine „haushaltsneutrale Entschädigung“ für möglich, bezeichnete ein Sprecher der Finanzverwaltung als „sehr weit interpretiert“. [Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version war von Millionen statt Milliarden die Rede. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.]

Kostenschätzung nach dem Ertragswert

Darüber hinaus sprach Wesener sich dafür aus, eine neue Kostenschätzung nach dem Ertragswert und nicht wie 2020 geschehen nach dem Verkehrswert der Wohnungsbestände anzustellen. „Am Ende werden es die Gerichte sein, die die Entschädigungshöhe definieren“, sagte Wesener. Sollte es ein Gesetz geben, werde dieses vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden, zeigte sich der Finanzsenator überzeugt. Er warnte vor einer erneuten Pleite für das Land Berlin wie im Fall des Mietendeckels, dessen Ende Wesener als „doppelten Tiefschlag“ bezeichnete.

Kritik übte er an der Art und Weise, wie die vom Senat eingesetzte Expertenkommission für die Umsetzung des Volksentscheids arbeitet. „Ich persönlich glaube auch, dass mehr Transparenz gut wäre“, sagte Wesener und teilte damit die Kritik der Initiative, die die fehlende Möglichkeit öffentlicher Einsichtnahme in die dort laufenden Diskussionsprozesse wiederholt lautstark moniert hatte. Er habe die Kritik im Senat gemeinsam mit Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) wiederholt zum Ausdruck gebracht, sagte Wesener weiter. Zeitgleich betonte er die Unabhängigkeit der von Herta Däubler-Gmelin (SPD) geleiteten Kommission und verteidigte deren Einsetzung.

Für etwas Licht im Dunkel der Kommissionsarbeit sorgte mit Susanne Heeg ein von der Initiative entsandtes Mitglied des Gremiums. Die an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main lehrende Stadtforscherin rechnet damit, „dass es mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einer Minderheitenposition“ derer kommen wird, die gegen ein Enteignungsgesetz votieren. Im Umkehrschluss bedeutet das: Heeg rechnet mit einer Mehrheit für ein Enteignungsgesetz bei mindestens einem Minderheitenvotum. Weitere Mitglieder der Kommission bestätigten diese Prognose im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Es war das erste Mal, dass sich ein Mitglied der Kommission öffentlich zu deren Arbeit und zu den zum allergrößten Teil hinter verschlossenen Türen durchgeführten Beratungen äußerte. Die Kommission trifft sich am Freitag zur zweiten öffentlichen Anhörung seit ihrer Einsetzung im Ende April. Thema werden die Bewirtschaftung von Wohnimmobilien sowie die Auswirkungen einer Vergesellschaftung auf den Berliner Wohnungsmarkt sein.

Unter den Anzuhörenden befinden sich unter anderem Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, der Stadtsoziologe Andrej Holm sowie Maren Kern, Vorsitzende des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen.

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