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Ein Parklet ist Teil des „Projekts Graefekiez“.

© Corinna von Bodisco

„Projekt autofreier Graefekiez“ in Kreuzberg: Über 400 Parkplätze werden zu Grünflächen

Das „Projekt autofreier Graefekiez“ nimmt Formen an: über 400 Parkplätze werden entsiegelt und der Verkehr eingeschränkt. Ein Mobilitätsforscher sagt, kostenlose Stellplätze gehören der Vergangenheit an.

Das „Modellprojekt autofreier Graefekiez“ läuft bereits seit Jahren. Nun sollen über 400 Parkplätze rund um die Graefestraße in Berlin-Kreuzberg gestrichen und zu Grünflächen umgestaltet werden. Lade- und Lieferzonen sowie „Jelbi-Mobilitätsstationen“ für Elektroautos und E-Roller sollen eingeführt werden. Der Vorschlag kam vom Bezirksamt und wurde von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossen.

Begleitet wird das Projekt vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB). Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“, erklärt dem Tagesspiegel die Änderungen und Aussichten. Das WZB hatte am 14. Juni eine Veranstaltung durchgeführt: „Städte ohne Parkplätze: Zwischenbilanz und Aussichten im Projekt Graefekiez.“ Neben Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne) kamen auch Anjes Tjarks, Verkehrssenator der Stadt Hamburg und Rechtsanwalt Hubertus Baumeister.

„Vollständig autofrei wird der Graefekiez natürlich nicht“, sagt Knie zunächst. Es solle allerdings kaum noch Stellplätze für private Autos geben. Auch der Durchgangsverkehr wird eingeschränkt. Knie spricht von „großer Akzeptanz der Maßnahmen“. Mehr als die Hälfte der Anwohnenden findet die Umgestaltung gut, wie zwei Umfragen der WZB ergaben.

Man glaubt es nicht, Berlin hat noch erstaunlich viele Parkplätze

Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

„Das Auto wird in dem Kiez wenig gebraucht, nur für 10 Prozent der Wege“, so Knie weiter. „Also eine besondere Situation, die aber für Berlin gar nicht so ungewöhnlich ist. Wir schlagen vor, das in ganz Berlin anzuwenden, also Stellplätze umzuwidmen. Wir brauchen dringend mehr entsiegelte Flächen.“

Wer hat die über 400 Stellplätze bisher genutzt und wo sollen die Autos hin? „Man glaubt es nicht, Berlin hat noch erstaunlich viele Parkplätze“, sagt Knie. Man müsse sich daran gewöhnen, dass private Autostellplätze Geld kosten. Für die Anwohnenden sei es natürlich oftmals eine schwierige Umgewöhnung, nun 50 bis 100 Euro pro Monat zu bezahlen, nachdem sie jahrelang kostenlos geparkt hatten. Stellplätze gebe es überall, eine hohe Anzahl zum Beispiel auf den Flächen des Karstadt-Parkhauses am Hermannplatz. Viele Anwohnende würden diese Möglichkeit bereits nutzen.

„Klar ist, Autos können den Stadtraum nicht mehr kostenlos vollstellen“, resümiert Knie. „Wir benötigen den Raum für Grünflächen, Gewerbe und auch für sichere Schulwege, so unserer Erkenntnis.“ Die Anwohnenden würden das auch verstehen und begrüßen, schließlich werde ihre Leben im Kiez dadurch massiv aufgewertet.

Wie sieht es rechtlich aus? Das WZB schlägt dem Bezirk vor, die Umwidmung der Parkplätze nicht auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung durchzuführen, sondern durch das Berliner Straßengesetz. Bezirke können Flächen neu gestalten und umdefinieren, wenn es dem Gemeinwohl dient.

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