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Ein Plakat an einer Hauswand weist auf das Angebot des Kindernotdienstes in Berlin hin.

© imago images/Emmanuele Contini

Hilfseinrichtungen am Limit: Berlin verhängt Belegungsstopp beim Kindernotdienst

Jugendhilfe-Träger kämpfen mit Personal- und Platzmangel. Vermehrt werden schwierige Kinder an den Notdienst „abgeschoben“. Nun geht die Jugendverwaltung einen drastischen Schritt.

Wegen des anhaltenden Personal- und Platzmangels in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe greift die Jugendverwaltung zu einer drastischen Maßnahme: Für den chronisch überlasteten Notdienst gilt ab sofort ein „differenzierter und zeitlich befristeter Belegungsstopp“, wie Verwaltungssprecherin Susanne Gonswa dem Tagesspiegel am Donnerstag bestätigte.

Kinder und Jugendliche, die bereits einen Platz in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe haben, dürfen bis auf Weiteres nicht mehr an den Notdienst überwiesen werden. Der Belegungsstopp gilt bis zum 31. August. Zuerst hatte die „B.Z.“ berichtet.

Gonswa betonte, dass der Kinder- und Jugendnotdienst seine eigentliche Aufgabe – die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen, die in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen von der Polizei zugeführt werden – weiterhin wahrnehmen wird. Auch für Kinder und Jugendliche ohne Meldeadresse in Berlin ist der Kinder- und Jugendnotdienst weiterhin die erste Anlaufstelle. Von dort aus werden die Hilfebedürftigen durch das Jugendamt weitervermittelt.

Träger schieben schwierige Kinder an den Notdienst ab

Anlass für den Schritt ist der Umstand, dass vermehrt Kinder- und Jugendliche mit Disziplin-Problemen von den Trägern stationärer Einrichtungen zum Notdienst „abgeschoben“ werden, wie Insider berichten. Dieser wiederum sei für Notsituationen ausgelegt und diene als erste Anlaufstelle. Eine dauerhafte Unterbringung von Kindern und Jugendlichen ist im Notdienst weder vorgesehen noch möglich.

Max Kindler (CDU), Jugendstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, zeigte Verständnis für den Schritt der Bildungsverwaltung. Klar sei aber auch, dass es sich dabei nur um ein Symptom tieferliegender Probleme handele, sagte Kindler. „Wir haben einfach Kapazitätsengpässe, das gilt für den Notdienst genau wie für die Träger in der Kinder- und Jugendhilfe. Auch die müssen ihre Mitarbeiter halten und brauchen dafür die Betreuung der Klienten extrem viele Fachkräfte“, erklärte er.

Gleichzeitig verwahrte er sich dagegen, dass sich Träger „einfach der schwierigen Fälle entledigen“. Er gehe davon aus, dass die Jugendverwaltung zusätzliche Kapazitäten aufbaue, sagte Kindler.

Tatsächlich waren diese in den vergangenen Monaten bereits signifikant erhöht worden. Laut Gonswa wuchs das Platzangebot im Berliner Notdienst Kinderschutz zuletzt von ursprünglich 39 auf insgesamt 57 Plätze, die Personalausstattung wurde um 14 Stellen erhöht.

Diese Steigerung wiederum führe aktuell dazu, „dass vermehrt freie Träger der stationären Jugendhilfe Kinder und Jugendliche aufgrund disziplinarischer Probleme in den Notdienst entlassen“, erklärte Gonswa. Mit dem Belegungsstopp soll eine Überlastung der Notdienste verhindert werden.

Diese wiederum hatten vor knapp einem Jahr mit einem Brandbrief auf ihre prekäre Lage aufmerksam gemacht. Darin war von regelmäßiger Kindeswohlgefährdung und einer strukturellen Überlastung die Rede, das System stehe „kurz vor dem Zusammenbruch“.

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