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Kinder sollten grundsätzlich nicht fasten, auch während des Ramadan.

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Lehrer sind ratlos: Immer mehr muslimische Kinder fasten an Ramadan

Im Fastenmonat Ramadan fasten nicht nur erwachsene Muslime, sondern immer häufiger auch Kinder. In Berliner Schulen fühlen sich Lehrer und Erzieher überfordert.

Der muslimische Fastenmonat Ramadan hat begonnen. Erwachsene Gläubige sind angehalten, während des Tages nichts zu essen und zu trinken. Doch in einigen Familien fasten nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder. Das ist ein ernstes Problem für Schulen in Bezirken, in denen viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Denn immer häufiger kämen Schüler unterernährt und erschöpft zum Unterricht, berichten Lehrer.

Wie soll die Schule damit umgehen? Diese Frage wurde am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion im Neuköllner Schillerkiez diskutiert. Die Veranstaltung im Gemeindesaal der evangelischen Genezareth-Gemeinde wurde von der säkularen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee organisiert.

Das Fasten während des Tages soll die Muslime an das Gebot der Barmherzigkeit gegenüber den Bedürftigen erinnern und Selbstbeherrschung lehren. Nach Ansicht des Zentralrats der Muslime gilt diese Vorschrift aber nur „für jeden geistig zurechnungsfähigen Muslim“ ab der Pubertät. Kleine Kinder sollen demnach höchstens für kurze Zeit fasten, um sich daran zu gewöhnen. Nach Sonnenuntergang wird das Fasten gebrochen, dann essen die Familien gemeinsam – oft bis tief in die Nacht. Wenn  Eltern ihre Kinder daran teilnehmen lassen, kommen sie am nächsten Tag unter Umständen übermüdet in die Schule. Das mindert ihre Leistungsfähigkeit, am Ende auch auf Kosten der Noten.

Die Religionsfreiheit darf meines Erachtens nicht hinter der Schulpflicht zurückstehen, aber sie muss ggf. hinter dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zurückstehen.

schreibt NutzerIn ElsbethM

Eine Lehrerin tritt an das Saalmikrofon und sagt: „Ich möchte Verständnis aufbringen.“ Aber im Alltag falle ihr das schwer. Sie fühle sich verunsichert. Denn sie wisse nicht viel über den Islam. Im Gespräch mit muslimischen Eltern sei es daher nicht leicht für sie, die passenden Worte zu finden.

Lehrer sorgen sich, in den "AfD-Topf" geworfen zu werden

Außerdem fürchtet die Lehrerin, man könne ihr Diskriminierung vorwerfen, wenn sie Kindern aus Minderheiten Vorschriften mache. „Ich will nicht in den AfD-Topf geworfen werden!“

Das Publikum im Neuköllner Schillerkiez besteht vor allem aus Lehrerinnen und Erzieherinnen. Männer sind deutlich in der Minderheit. Umso mehr fallen die ernst blickenden Personenschützer des Landeskriminalamts auf. Sie schützen die kurdischstämmige Rechtsanwältin Seyran Ateş, die auf dem Podium sitzt. Die streitbare Islamkritikerin hat Morddrohungen erhalten, nachdem sie vor zwei Jahren die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet hat. In der Gemeinschaft gibt es weibliche Imame und offen lebende Homosexuelle. Das provoziert streng religiöse Muslime. Doch von denen ist an diesem Abend niemand gekommen.

Von den Lehrerinnen hingegen rennt Ateş offene Türen ein, wenn sie sagt: „Sie müssen keine Islamexperten sein“. Die Aufgabe der Lehrkräfte sei es nicht, religiöse Spitzfindigkeiten zu erörtern. Sie sollten vielmehr den Kindern die Regeln und Normen des Staates vermitteln. Denn die Schule habe einen Erziehungsauftrag.

Die Lehrer sollten die Schüler zu „mündigen Bürgern“ erziehen, fordert Ateş. Das müsse notfalls auch gegen den Willen der Eltern durchgesetzt werden.

In Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund setze sich seit Jahren eine „übertriebene Frömmigkeit“ durch, sagt der Psychologe und bekannte Islamkritiker Ahmad Mansour auf dem Podium. Ob Fasten oder nicht, das sei eine private Entscheidung.

Wer nicht fastet, kann zum Mobbing-Opfer werden

Doch in den Gemeinschaften herrsche oft großer sozialer Druck, glaubt Mansour. Kinder und Jugendliche wollten mit dem Fasten ihre Willenskraft unter Beweis stellen. Und wer nicht mitfaste, werde nicht selten von fastenden Mitschülern gemobbt.

Wenn kleine Kinder Nahrung und Essen verweigerten, sei das aus medizinischer Sicht problematisch, sagt Meryam Schouler-Ocak, Oberärztin an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité. Flüssigkeitsmangel könne zu Konzentrationsschwächen führen und die Leistung beeinträchtigen, zum Beispiel bei Prüfungen oder beim Sport. Deshalb empfiehlt sie das Fasten frühestens ab der Pubertät.

Es gäbe „nicht nur einen Islam“, sagt Mohammed El-Kateb, sondern verschiedene Auslegungen. Der vierte Podiumsteilnehmer ist Iman in der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee. Seiner Ansicht nach ist das Fasten eine freiwillige Angelegenheit. Doch eines steht für El-Kateb fest: „Ich bin absolut dagegen, dass Grundschuldkinder fasten“.

Der moderate Imam hat sogar einen alternativen Vorschlag: Anstatt auf auf Essen und Trinken zu verzichten, könnten die Kinder ihre Selbstbeherrschung auf andere Weise unter Beweis stellen. Zum Beispiel, indem sie für eine Weile auf Smartphone oder Fernsehen verzichteten. Diese Idee gefällt den Lehrerinnen im Saal.

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