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Antje Kapek, 41, ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus und Sprecherin für Stadtentwicklung.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Grünen-Fraktionschefin: Kapek: "Wir müssen Neubauprojekte schneller fördern"

Die Berliner Fraktionschefin der Grünen, Antje Kapek, fordert ein Bündnis mit Investoren und mehr Engagement des Senats.

Von Sabine Beikler

Frau Kapek, freuen Sie sich als Parteilinke auf ein Jamaika-Bündnis?

Auf einen Urlaub in Jamaika würde ich mich gerade sehr freuen. Politisch habe ich eine verhaltene Position zu Jamaika. Es ist richtig, dass Grüne für eine Regierungsbeteiligung verhandeln. Deutschland braucht eine sozial-ökologische Modernisierung. Dafür stehen wir Grünen. Ob dies mit CDU, CSU und FDP gelingen kann, ist nicht klar. Zumindest im Abgeordnetenhaus stehen CDU und FDP für Politik von gestern und Populismus.

Was fordern Sie von Jamaika für Berlin?

Berlin ist nicht nur ein Bundesland, sondern die deutsche Hauptstadt. Die künftige Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die in Bonn verbliebenen Bundesministerien endlich nach Berlin umziehen. Und es ist überfällig, dass ein Berlin-Gesetz geschaffen wird, in dem die Aufgabenteilung zwischen Berlin als Hauptstadt und der Bundesregierung geregelt wird.

Bleiben wir bei Jamaika. Was soll aus der Mietpreisbremse werden? Die CDU möchte sie am liebsten abschaffen, die FDP hält sie für eine Wohnraumbremse. Und die Grünen wollen eine richtige Mietpreisbremse. Wie soll die aussehen?

Wir Grünen halten die Mietpreisbremse für ein wichtiges Instrument, das aber noch zu viele Schlupflöcher hat. Diese müssen gestopft werden. Katrin Göring-Eckardt sagte im Rahmen der Sondierungen, die Grünen würden sich weiterhin für eine starke Mietpreisbremse einsetzen. Wohnungspolitik ist die soziale Frage des nächsten Jahrzehntes – vor allem in Berlin und anderen Großstädten. Es wird darauf ankommen, für alle Einkommensgruppen angemessenen Wohnraum zu haben.

Stadtentwicklungssenatorin Lompscher kündigte Anfang Oktober eine Bundesratsinitiative zum Mietrecht an. Darin soll die Modernisierungsumlage zentraler Punkt sein. Soll sie abgeschafft werden?

Sie soll deutlich gesenkt und auf Maßnahmen der energetischen Sanierung und Barrierefreiheit konzentriert werden. Damit stoppen wir das Geschäftsmodell „überteuerte Modernisierungen“. Ich erwarte von den Bundes-Grünen, dass sie in den Sondierungsrunden hart dazu verhandeln.

Berlin hat eine Bundesratsinitiative eingebracht, wonach künftig der Vermieter den neuen Mieter über die vorherige Miethöhe informieren muss. Ist das nicht zu wenig?

Die Grünen-Senatoren Ramona Pop und Dirk Behrendt arbeiten derzeit an einer Initiative zum Gewerbemietrecht. Bislang gibt es nur die Mietpreisbremse für privates Wohnen. Wir stellen jedoch fest, dass Läden verdrängt werden, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Es geht hier nicht um staatliche Subventionierung von Mieten, sondern um ein Instrument, mit dem man sich gegen Wucher schützen kann.

Fernab vom Mieterschutz ist in Berlin die Neubau-Stimmung im Keller. Landeseigene Wohnungsunternehmen schrieben einen Brandbrief an Stadtentwicklungssenatorin Lompscher. Investoren beschweren sich massiv, dass sie am Bauen behindert werden. Kümmert sich die Senatorin ausreichend um den Neubau?

Wir haben im ersten Jahr von Rot-Rot-Grün den Schwerpunkt auf die Mietenpolitik gelegt, weil diese in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurde. So haben wir Mieterhöhungen der Wohnungsbaugesellschaften zurückgenommen, Härtefallregelungen eingeführt und den Rückkauf von Sozialwohnungen veranlasst. Das sind wichtige Maßnahmen, um Bestandsmieter vor Verdrängung zu schützen. Gleichzeitig hat das ein Stück weit dazu geführt, dass der Neubau bisher nicht mit der gleichen Energie vorangetrieben wurde. Da müssen wir nachsteuern. Wohnungspolitik besteht nicht aus Bestandsschutz oder Neubau. Es muss ein Nebeneinander geben. Berlin ist eine wachsende Stadt, und wir brauchen neuen wie alten Wohnraum.

Aber es liegt an Wartezeiten und bürokratischen Hürden, bis der erste Spatenstich erfolgen kann. Die Bezirke kommen nicht hinterher. Und in einigen gibt es eine grundsätzliche ablehnende Haltung gegen Neubauprojekte. Warum gibt es keine Prämien für Bezirke oder Zielzahlen?

Wir führen in Berlin die sogenannte Sprinter-Prämie fort. Das ist eine Prämie für jeden Bezirk, der beschleunigte Baugenehmigungen erteilt. Flankierend wollen wir ein Förderungsprogramm in Höhe von etwa 20 Millionen Euro für Genossenschaften auf den Weg bringen. Außerdem müssen der Stadtentwicklungsplan Wohnen umgesetzt und die vereinbarten elf neuen Stadtquartiere entwickelt werden. Insgesamt brauchen wir mehr Engagement für Neubauten. Die Koalitionsfraktionen werden zur Entwicklung dieser Quartiere einen Antrag auf den Weg bringen. Aber auch der Bund ist in der Pflicht. Er muss Berlin endlich die BIMA-Grundstücke zum Verkehrswert überlassen.

Also geht Neubau zu langsam voran.

Wir entwickeln gerade Leitlinien für Beteiligung, der Stadtentwicklungsplan Wohnen wird überarbeitet. Das ist alles richtig. Aber wir müssen Neubauprojekte schneller fördern und umsetzen. Das bedeutet auch, dass Bezirke, die weniger Engagement zeigen, diesbezüglich aufgefordert werden müssen.

Bis 2030 braucht Berlin 194 000 neue Wohnungen und 100 000 Neubauwohnungen bis 2021, um die Anspannung auf dem Wohnungsmarkt zu lindern und den zu geringen Wohnungsbau der Jahre zuvor auszugleichen. Wie soll das geschafft werden?

Es gibt eine Reihe von Projekten im Stadtentwicklungsplan Wohnen wie zum Beispiel in Lichterfelde Süd, wo 2500 Wohnungen entstehen sollen. Das ist aber nicht ausreichend. Ich werbe deshalb für ein Bündnis für stadtverträglichen Neubau mit privaten Investoren.

Warum übergibt man Projekte wie Schulneubau nicht einem Generalunternehmer?

Schulneubau ist eine Mammutaufgabe. Das wird eine Verwaltung allein gar nicht stemmen können. Ich schlage deshalb vor, dass ein Generalunternehmer Prototypen entwickelt. Natürlich müssen der Rahmen und die Vorgaben in einem Vertrag geregelt werden.

Ein Investor wollte mit der Gewobag 600 Mietwohnungen am Thälmann-Park bauen. Der Bezirk will das nicht, der Senat könnte das Verfahren an sich ziehen, macht es aber nicht. Jetzt kommt als Zwischennutzung wohl erst einmal ein Recyclinghof dahin. Finden Sie das als Stadtentwicklungspolitikerin in Ordnung?

Der Senat muss nicht jedes Vorhaben an sich ziehen und die kommunale Planungshoheit aushebeln. Aber der Senat muss bei übergeordneten Projekten Gespräche mit den Bezirken führen und für eine gemeinsame Lösung werben. Das ist die Aufgabe der Landesebene.

Investoren und Wohnungsbaugesellschaften werfen der Linken Klientelpolitik vor, weil sie jede Eingabe von Anwohnerinitiativen berücksichtige. Haben sie recht?

Das ist keine Klientelpolitik. Wir haben in der Koalition beschlossen, dass Partizipation wichtig ist. Die Leitlinien zur Bürgerbeteiligung sollen Neubauprojekte nicht verhindern. Damit wollen wir Vorgaben formulieren, ab wann Beteiligung notwendig ist und wo die Grenzen von Beteiligung erreicht sind. Wir wollen keine Konfrontation, sondern einen konstruktiven Prozess. Beteiligung ist keine Verhinderungspolitik, sondern eine Verbesserung. In Berlin gibt es allerdings häufig diese Mentalität, die nur auf Konfrontation setzt. Das wollen wir ändern.

Nimmt Katrin Lompscher zu sehr Rücksicht auf Bürgerinitiativen?

Es ist nicht mein Eindruck, dass sie dies tut. Die Senatsverwaltung muss aber bei einigen Projekten eine stärkere moderierende Rolle einnehmen, damit einvernehmliche Lösungen gefunden werden.

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