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Matthias Kollatz (SPD), Ex-Finanzsenator, hat Erfahrung mit unzuverlässigen Melderegistern.

© picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Exklusiv

Nach Zensus-Schock: Berlins Ex-Finanzsenator Kollatz fordert Überprüfung der Melderegister

Das Land Berlin hat weniger Einwohner als gedacht und bekommt deswegen pro Jahr eine halbe Milliarde Euro weniger. Der SPD-Politiker Kollatz fordert, die Meldedaten der Berliner vorsorglich zu überprüfen.

Der Berliner SPD-Abgeordnete Matthias Kollatz fordert angesichts des Zensus-Ergebnisses und der sich daraus ergebenden Nachzahlungen für das Land Berlin die Melderegister zu aktualisieren. „Es wäre gut, dafür die Rückläufe bei der Europawahl zu nutzen“, sagte Kollatz dem Tagesspiegel. „Wenn die schon weggeworfen sein sollten, kann man die Rückläufe der kommenden Bundestagswahl nutzen, muss das aber auch wollen.“

Kollatz war von 2014 bis 2021 Finanzsenator und warnte schon in dieser Zeit vor möglichen Rückzahlungen in Folge des Zensus 2022. Am Dienstag wurde bekannt, dass Berlin rückwirkend ab dem Jahr 2022 rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr weniger aus dem Länderfinanzausgleich und den Bundeszuweisungen zusteht, da die Stadt rund 130.000 weniger Einwohnerinnen und Einwohner hat, als angenommen.

Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hatte auf Grundlage des Zensus 2011 die Einwohneranzahl fortgeschrieben. Entscheidend dafür sind außer den Geburten und Sterbefällen die An- und Abmeldungen bei den Berliner Meldebehörden. Die Statistiker kamen demnach auf eine Einwohnerzahl von rund 3,73 Millionen im Jahr 2022, tatsächlich waren es laut Zensus aber nur rund 3,6 Millionen.

Qualität von der Aktivität der Bürger abhängig

„Das Amt für Statistik bekommt die Daten für Berlin von den Meldebehörden und Standesämtern aus den Bezirken“, sagte Mark Hoferichter, Referatsleiter Zensus beim Statistikamt, dem Tagesspiegel. „Wenn dort Unschärfen vorhanden sind, setzen diese sich in der Bevölkerungsfortschreibung fort. Je länger die Fortschreibung dauert, desto größer die Abweichung zu den tatsächlichen Gegebenheiten.“

Die Qualität der Fortschreibung und der Register sei auch von der Aktivität der Bürgerinnen und Bürger abhängig, sagt Hoferichter – also inwiefern sie sich bei Zu- und Fortzügen tatsächlich an- und abmelden. Hier hat Berlin offenbar Nachholbedarf. Während die Bevölkerung im Bund nur um 1,6 Prozent niedriger ausfiel, waren es in Berlin 3,5 Prozent.

SPD-Politiker Kollatz vermutet, dass nicht alle beteiligten Behörden tatsächlich ein Interesse daran haben, die Qualität der Meldedaten zu verbessern. Tatsächlich hat Berlin jahrelang von der etwas zu hoch angenommen Einwohnerzahl profitiert, da Rückzahlungen erst seit dem Jahr 2022 gelten.

Großstädte eher von Abweichungen betroffen

Ein Sprecher der für das Meldewesen zuständige Senatsinnenverwaltung sagte dem Tagesspiegel, dass Abweichung im Zensus 2022 gegenüber der Bevölkerungsfortschreibung mit 3,5 Prozent „deutlich geringer“ sei als beim letzten Zensus 2011. Damals lag die Abweichung bei 5 Prozent. Zudem handle es sich nicht um ein „Berliner Spezifikum“, es betreffe auch andere Großstädte.

Das bestätigt das Statistikamt. „Viele Großstädte haben größere Abweichungen der Register und Bevölkerungsfortschreibung zum Zensus 2022, weil hier besonders mobile Personengruppen überproportional vertreten sind“, sagte Hofereiter. In Köln beträgt die Abweichung beispielsweise 5,9 Prozent.

Dennoch sollen laut Innenverwaltung die Gründe für Abweichungen nun analysiert werden. Es würden verschiedene „Ansätze verfolgt, die die Aktualität der Melderegisterdaten verbessern sollen, auch wenn sich Abweichungen nie vollständig werden vermeiden lassen“. So sollen die beteiligten Behörden darauf hinwirken, dass Wegzüge automatisiert erfasst werden.

Neu ist die Debatte für das Land Berlin nicht. Nach dem Zensus-Schock von 2011, der der Stadt ebenfalls Einnahmen-Rückgänge von jährlich rund einer halben Milliarde Euro bescherte, wurde eine verwaltungsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, die Vorschläge für die Verbesserung des Meldewesens erarbeiten sollte. „Der Bericht der zu diesem Thema eingerichteten Arbeitsgruppe ist ein internes Arbeitspapier und nicht zur Veröffentlichung vorgesehen“, heißt es von der Innenverwaltung.

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