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Die Polizei guckt, prüft – und kann die vielen Dealer im Görlitzer Park doch nicht vertreiben.

© picture alliance / dpa

Drogenhandel im Görlitzer Park in Kreuzberg: Paradies für Dealer in Berlin

Kurz nach der Bluttat am Görlitzer Park ist dort wieder der Drogenalltag eingekehrt. Die Polizei bekommt die Lage nicht in den Griff. Ein Besuch.

Kein Dealer dreht sich vorsichtshalber um, als Sirenen durch die Wiener Straße gellen. Die Dealer im Görlitzer Park erkennen am Klang, dass die Feuerwehr kommt und nicht die Polizei. Bislang hieß es oft, dass etwa 100 Schwarzafrikaner in dem Kreuzberger Park Drogen verkaufen. Nein, es sind mehr, geschätzt 200, die dort warten – und das an einem nieseligen Sonntagmittag. Sie fallen vor allem deshalb auf, weil außer ein paar Joggern und Hundehaltern kaum jemand unterwegs. An jedem der zahlreichen Eingänge – bis auf dem zur Skalitzer Straße – stehen ganze Gruppen, in Höhe Falckensteinstraße ist es sogar ein Dutzend junger Männer, die es sich auf Campingmöbeln bequem gemacht haben. Auf der anderen Parkseite, kurz hinter dem Kinderbauernhof, hat ein weiteres Dutzend ein Feuerchen entfacht, um sich zu wärmen.

Die aggressivsten Verkäufer stehen am Kreuzungspunkt der Längsachse mit der Querung zwischen Falckenstein- und Glogauer Straße. Hier stellen sich mehrere Männer dem langsamen Radler in den Weg. Die meisten anderen begnügen sich mit den üblichen „Hallo“ zur Geschäftsanbahnung. In einer Viertelstunde sind nur zwei Kunden zu beobachten: Ein junger Mann, etwa 25, kommt schnellen Schrittes in den Park, Geld wechselt gegen Ware, händeklatschend und pfeifend macht der Käufer kehrt. Er war keine Minute im Park. Der zweite Kunde, Typ Ich-kiffe-hier-seit-30-Jahren, benötigt länger. Dreht sich erstmal einen Joint, um die Lage zu beobachten. Dann kauft auch er.

Die wenigen echten Spaziergänger versuchen die Dealer zu ignorieren, reden will kaum einer. Eine Mutter, die mit ihrem Dreijährigen im Kinderbauernhof war, sagt, dass sie immer froh sei, wieder rauszukommen. Doch die Dealer haben längst auch die Straße erobert. Zwei Dutzend Dealer stehen am U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof, die meisten auf der Treppe zu den Bahnsteigen. 50 Meter von hier sind in der Nacht zu Sonnabend zwei Jugendliche aus Guinea mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt worden. Als Tatverdächtige wurden der Wirt und sein Angestellter der Bar festgenommen, vor der die Bluttat geschah. Die beiden türkischstämmigen Männer wurden am Sonntag wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags dem Haftrichter vorgeführt, von diesem aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Es wird vermutet, dass sich der Barbetreiber über die Dealer geärgert hat. Wie berichtet, hatten Anwohner angekündigt, „die Sache selbst in die Hand zu nehmen“.

Schon bei der Versorgung der Schwerverletzten musste die Polizei eine „aufgebrachte und aggressive 15-köpfige Personengruppe“ bändigen, wie es im Bericht des Präsidiums hieß – Freunde der Niedergestochenen. Am Morgen drangen etwa zehn Personen in die Bar ein und randalierten. Am Mittag drangen erneut Personen in die Bar ein und legten Feuer. Die Polizei nahm neun Männer fest, aus Guinea und anderen westafrikanischen Staaten. Sie sind wieder auf freiem Fuß.

Nahezu alle Kriminellen die im Görlitzer Park mal festgenommen wurden, sind auf freiem Fuß

Wie nahezu alle Kriminellen, die 2014 im und am Park festgenommen wurden. 107 Festnahmen verbuchte allein die Soko, die von Mai bis Oktober im Einsatz war. Ganze neun der Festgenommenen kamen in U-Haft. Die anderen standen am nächsten Tag wieder an alter Stelle. Polizeipräsident Klaus Kandt hatte diese Zahlen im Innenausschuss genannt, verbunden mit dem Eingeständnis, dass die Polizei beim Versuch, den Drogenhandel zu unterbinden, gescheitert sei.

Vor drei Wochen veranstaltete die Polizeidirektion 5 eine „Präventionsaktion“: Mit Flugblätter wurden  „potentielle Käufer von Betäubungsmitteln auf von den Dealern verübte Straftaten hingewiesen“, wie es hieß. Kurz danach hatte diese für den „Görli“ zuständige Direktion ihre Soko wieder aufgelöst und dies mit mangelnder Unterstützung durchs Landeskriminalamt begründet. Am Sonntag war keine Polizei zu sehen.

Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte dem Tagesspiegel: „Die Situation dort bleibt brisant. Die Polizei wird den Görlitzer Park nicht den Dealern überlassen.“ Er betonte, dass in diesem Jahr der Druck deutlich erhöht worden sei. 2013 gab es 138 Einsätze im Park. In diesem Jahr waren es bereits 352. Dabei wurden 2249 Personen überprüft und 921 Platzverweise erteilt. Fast genau die Hälfte der 831 eingeleiteten Strafverfahren gab es wegen Drogenbesitzes. Die Zahl der „Einsatzkräftestunden“ geht in die Tausende. Erforderlich seien auch bauliche Veränderungen. Und genau die soll es geben, kündigte die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann am Sonntag an: Noch in diesem Jahr sollen einige Eingänge geschlossen und Sträucher zurückgeschnitten werden. Herrmann sagte, dass Polizei an den Eingängen sinnvoll wäre. Doch die habe ihren Wunsch mit Verweis auf Personalmangel abgelehnt.

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