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Unfall mit einer Radfahrerin und einem Betonmischer in Berlin-Wilmersdorf.

© Foto: Jörn Hasselmann

Update

Radfahrerin nach Unfall in Berlin gestorben: Stau hatte laut Notärztin keinen Einfluss auf medizinische Versorgung

Die Frau, die von einem Betonmischer überfahren wurde, ist tot. Die Staatsanwaltschaft ordnete am Freitag eine Obduktion an. Ein interner Vermerk der Feuerwehr wirft Fragen auf.

| Update:

Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft nach dem Tod einer 44 Jahre alten Radfahrerin auch „Aspekte fahrlässiger Tötung“ gegen zwei Klima-Aktivisten. Der 63-Jährige und der 59-Jährige hielten durch ihren Protest auf der A100 womöglich einen Feuerwehrwagen auf. Das sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Berlin am Freitag auf Tagesspiegel-Anfrage.

Die Radfahrerin war am Montag bei einem Unfall in Berlin-Wilmersdorf von einem Betonmischer überrollt worden. Sie war am Donnerstag für hirntot erklärt worden und ist am Donnerstagabend im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlegen. Die Frau wurde durch den Unfall unter dem Lastwagen eingeklemmt.

Die Staatsanwaltschaft spricht bei dem Ermittlungsverfahren von einem „hochkomplexen Sachverhalt“ und hat am Freitag eine Obduktion der Leiche der Frau beauftragt. Diese soll voraussichtlich Anfang kommender Woche stattfinden. Das Berliner Landeskriminalamt ist mit den Ermittlungen beauftragt. Es steht die Frage im Raum, ob der Protest der Klima-Demonstranten womöglich den Rettungseinsatz erschwert hat. Die Polizei hatte deshalb am Dienstag Ermittlungen wegen unterlassener Hilfeleistung und der Behinderung von Rettungskräften aufgenommen.

Mahnt Zurückhaltung in der Debatte an: Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke)
Mahnt Zurückhaltung in der Debatte an: Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke)

© Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Nach breiter Kritik an den Aktivisten auch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) oder Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mahnte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) Zurückhaltung in der Bewertung des Vorfalls an: „Ob eine Straftat vorliegt, entscheiden im Rechtsstaat die Gerichte“, sagt die Justizsenatorin. „Die Gewaltenteilung darf auch trotz hitziger Debatte nicht angetastet werden.“ Das sagte sie am Freitag dem Tagesspiegel.

Wir haben die Jugendbewegungen vor ein paar Jahren gesehen. Und ich denke, ohne diese Bewegungen hätten wir nicht die Fortschritte erzielt, die wir erzielt haben.

UN-Sprecher Stephane Dujarric

Auch die Vereinten Nationen äußerten sich zu dem Vorfall in Berlin: Ein UN-Sprecher hat Verantwortungsbewusstsein bei Klimaprotesten angemahnt - aber auch Verständnis für die Demos gezeigt. „Menschen müssen engagiert sein, aber natürlich müssen sie in jeder Situation verantwortungsbewusst sein, um anderen keinen körperlichen Schaden zuzufügen“, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Freitag in New York. „Aber ich bezweifle, dass es die Absicht jeglicher Proteste gewesen ist, die medizinische Versorgung zu verzögern.“

UN-Generalsekretär António Guterres teile die Wut und Frustration von Demonstrantinnen und Demonstranten über den Mangel an Fortschritten im Kampf gegen die Erderhitzung - Proteste seien wichtig. „Wir haben die Jugendbewegungen vor ein paar Jahren gesehen. Und ich denke, ohne diese Bewegungen hätten wir nicht die Fortschritte erzielt, die wir erzielt haben“, so Dujarric weiter.

Welchen Einfluss hatte die Verspätung auf die Rettungsarbeiten?

Relevant für eine strafrechtliche Bewertung der Frage ist vor allem, ob den Straßen-Blockierern ein Vorsatz bei der Behinderung der Rettungskräfte zu unterstellen ist. Gleichzeitig wird wichtig sein, ob eine mögliche Verspätung des Spezialwagens der Feuerwehr die Behandlung der Patientin verschlechtert haben könnte und so ihre Überlebenswahrscheinlichkeit gesenkt hat.

Dagegen spricht ein Vermerk der Berliner Feuerwehr, über den zuerst die „SZ“ berichtet hatte. Demnach habe der Stau keinen Einfluss auf die Versorgung des Unfallopfers gehabt. Das soll in einem Schreiben der Notärztin stehen, die die Bergung des Opfers verantwortet hat. Es ist auch unterzeichnet vom Leiter des Rettungsdienstes der Feuerwehr. Der Vermerk soll SZ-Informationen zufolge am Dienstag an die Innenverwaltung gegangen sein. Einem „B.Z.“-Journalisten soll Thilo Cablitz, Pressesprecher der Berliner Innenverwaltung, gesagt haben, das Schreiben der Notärztin „lag weder vor, noch ist es bekannt.“

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Dem Bericht zufolge sei das Unfallopfer „bei Eintreffen unter dem mittleren Reifen des Lasters mit einem Bein eingeklemmt“ gewesen und an Ort und Stelle von einer Notärztin versorgt worden. Diese sei durch den Stau nicht gehindert worden.

Notärztin: Stau ohne Einfluss auf medizinische Versorgung

Während ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr, das den Betonmischer anheben sollte, noch im Stau steckte, sei von der Notärztin bereits entschieden worden, auf das Anheben zu verzichten, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Stattdessen habe sich der Betonmischer mit eigener Motorkraft fortbewegen sollen. „Ein Anheben wurde kurz erwogen, hätte aber wohl länger gedauert wie auch die medizinische Situation verschlechtert“, heißt es zur Begründung für die Entscheidung der behandelnden Notärztin.

„Zur Frage der technischen Rettung hat die Notärztin klar geäußert, dass sie sich auch bei der Verfügbarkeit von anderen technischen Möglichkeiten durch Rüstwagen oder Kran sofort für diese Methode entschieden hätte“, heißt es dem Bericht zufolge in dem Vermerk. Der drei Seiten lange Vermerk ist laut „Süddeutscher Zeitung“ unterzeichnet von dem ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes in Berlin. Dem Bericht zufolge hatte die Feuerwehr den Vermerk am Dienstagnachmittag an die Innenverwaltung geschickt.

Die Innenverwaltung wies die Darstellung der „SZ“ am Freitag zurück. „Das in Rede stehende, vermeintliche, dreiseitige Schreiben lag hier weder vor, noch ist es bekannt“, sagte Thilo Cablitz, Sprecher der Innenverwaltung, am Freitag. Die Innenverwaltung betonte, man habe den Aktivisten nie eine direkte Mitschuld an den Folgen des Unfalls gegeben. Nach dem Unfall hatte die Verwaltung mitgeteilt: „Ob die Blockierer:innen rechtlich eine Schuld daran tragen, bleibt durch die Justiz zu klären. Anders verhält es sich bei der moralischen Frage. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Leben anderer zu gefährden.“

Staatsanwaltschaft ermittelt

Der Unfall hat für bundesweites Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Denn ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lkw zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau auf der Stadtautobahn. Dieser soll durch eine Aktion der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ ausgelöst worden sein.

Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ hatten zuletzt wiederholt in der Hauptstadt Straßen blockiert. Die Polizei ermittelt gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Klimaaktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen.

Die Berliner Feuerwehr geht davon aus, dass sich die Rettung der Frau um mehrere Minuten verzögert hat, weil das Spezialfahrzeug im Stau stand. Allerdings gestand ein Sprecher ein, auch die Bildung einer Rettungsgasse sei problematisch gewesen. Da die Technik nicht zur Verfügung stand, mussten die Retter am Unfallort laut Feuerwehr improvisieren. Dadurch sei es zu Zeitverzögerungen gekommen. Angaben dazu, ob dies Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Radfahrerin hatte, machte die Feuerwehr nicht.

Verdächtiger nach Attacke in Klinik untergebracht

Nach dem Betonmischer-Unfall war der Lkw-Fahrer von einem Mann mit einem Messer attackiert und verletzt worden. Mutmaßlicher Täter ist ein 48-jähriger aus dem Obdachlosen-Milieu. Er wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Das Landeskriminalamt (LKA) und ihre Behörde seien wegen der Komplexität des Falles und der vielen offenen Fragen früh in die Ermittlungen einbezogen worden, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Es sei noch zu früh, Angaben zum genauen Unfallhergang zu machen. Nach bisherigen Angaben der Polizei seien der Lkw und die Radfahrerin beide auf der Bundesallee in Richtung Bahnhof Zoo gefahren. Die Frau sei gestürzt und von dem Laster überrollt worden. An der Unfallstelle gibt es einen benutzungspflichtigen Radweg.

Umweltgruppe kritisiert Medien

Die Gruppe „Letzte Generation“ sprach den Angehörigen der Radfahrerin ihr Beileid aus. „Wir sind geschockt“, sagte Sprecherin Carla Hinrichs am Freitag. In sozialen Netzwerken werden die Aktivisten seit dem Vorfall verstärkt angefeindet.

„Wir hören viele Informationen bis hin zu Unwahrheiten, die von großen Medien verbreitet werden. Wir sollten uns an sichere Fakten halten, wie auch in der Klimakatastrophe“, sagte Aktivist Henning Jeschke am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Zur Zukunft der Protestaktionen sagte er: „Solange unsere höchsten politischen Organe unsere gemeinsame Verfassung mit Ansage brechen, da sie unsere Lebensgrundlagen zerstören, solange werden wir friedlichen Widerstand leisten.“

In einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ sagte Jeschke, die Bildung von Rettungsgassen könnten die Klimaaktivisten während ihrer Aktionen nicht sicherstellen. „Wir können an die Autofahrenden nur appellieren, sich so zu verhalten, dass es klappt. In der Mitte jeder Straßenblockade sind die Menschen nie festgeklebt, sodass sie aufspringen können“, erklärte er.

Die Bundesregierung soll unseren Protest beenden – jetzt –, indem sie die Krise in den Griff bekommt. Bis dahin geht der Widerstand weiter.

Umweltgruppe „Letzte Generation“

Am Freitagmorgen legte die „Letzte Generation“ mit einer Pressemitteilung nach. „Dass ein ganzes Mediensystem sich gegen uns wenden würde, damit haben wir nicht gerechnet“, teilte die Gruppe mit. Seit den Vorfällen am Montag sei „eine Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze“ über die Aktivisten hereingebrochen. „Vorher wurde uns neutrale, faktenbasierte Berichterstattung als journalistisches Grundprinzip verkauft. Heute lesen, sehen und hören wir in kaum einem einzigen Medium Berichterstattung nach diesem Prinzip“, heißt es in der Stellungnahme weiter.

„Der Unfall fand mehrere Kilometer von jedem unserer Aktionsorte statt“, erklärte die „Letzte Generation“. Auf der A100 hätten sich am Montag Demonstranten auf einer Schilderbrücke befunden. Die Polizei habe den Verkehr darunter selbstständig geregelt und auf eine Fahrspur reduziert. „Wir hatten die Polizei vor Betreten der Schilderbrücke informiert und um eine Umleitung von Einsatzfahrzeugen und das komplette Sperren der A100 für den Autoverkehr gebeten“, heißt es in der Mitteilung. Und weiter: „Die Bundesregierung soll unseren Protest beenden – jetzt –, indem sie die Krise in den Griff bekommt. Bis dahin geht der Widerstand weiter.“

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Auch am Freitag setzten die Klimaaktivisten ihre Proteste in der Hauptstadt fort. Betroffen waren am Morgen nach Polizeiangaben der Bereich Spandauer Damm, Ecke Wiesendamm in Spandau sowie in Mitte die Torstraße, Ecke Rosenthaler Straße. Insgesamt zehn Menschen hätten sich an den Aktionen beteiligt, sieben davon seien am Asphalt festgeklebt gewesen, sagte eine Polizeisprecherin. Die Protestgruppe „Letzte Generation“ veröffentlichte bei Twitter Fotos zu den Aktionen und schrieb: „Wir setzen die Blockaden in #Berlin fort.“ 

Polizeigewerkschaft kritisiert „gewisse Empathielosigkeit“

Benjamin Jendro, Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, teilte am Freitag mit: „Die Klima-Klebenden haben den grauenhaften Unfall am Montag nicht verursacht und ob das Leben der Radfahrerin bei schnellerem Eintreffen des Rüstwagens der Feuerwehr hätte gerettet werden können, ist momentan rein spekulativ.“ Er forderte, sachlich zu bleiben „und die Justiz die Frage einer möglichen Kausalität rechtsstaatlich klären“ zu lassen.

Klar sei jedoch auch, dass Menschen in Not schnellstmöglich Hilfe brauchen. Die täglichen Blockaden in Berlin behinderten laut Jendro die Handlungsfähigkeit von Polizei und Feuerwehr massiv. „Die Blockierer müssen für sich selbst wissen, ob sie weiter Straftaten begehen und dieses Risiko auf sich nehmen oder nicht andere, demokratische Protestformen zielführender wären“, sagte er. Jendro kritisierte die erneuten Blockaden am Freitagmorgen. Sie zeugten von „einer gewissen Empathielosigkeit“.

Reaktionen aus der Politik

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey bekundete nach der Nachricht vom Tod der Frau ihre Trauer: „In diesem Moment sind unsere Gedanken bei der Verstorbenen, bei ihrer Familie, ihren Freundinnen und Freunden. Alles andere tritt in diesem Augenblick zurück“, erklärte die SPD-Politikerin am Freitag bei Twitter. „Es bleibt die Aufgabe der Polizei und der Gerichte, die Umstände ihres Todes rasch und sorgfältig aufzuklären.“

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Auch die Senatorin für Mobilität und Klimaschutz, Bettina Jarasch (Grüne), sprach ihr Mitgefühl aus: „Der Tod der Radfahrerin nach dem Unfall auf der Bundesallee ist eine schreckliche Nachricht“, teilte sie am Freitag mit. „Mein tiefes Mitgefühl gilt allen, die mit ihr einen geliebten Menschen verloren haben. Heute ist ein Tag der Trauer.“

Es bleibt die Aufgabe der Polizei und der Gerichte, die Umstände ihres Todes rasch und sorgfältig aufzuklären.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin

Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigte sich bestürzt über den Tod der Frau. „Die Nachricht vom Tod der verunglückten Radfahrerin in Berlin erfüllt uns mit tiefer Trauer“, sagte sie. „Wenn Protestaktionen dazu führen, dass die Sicherheit oder das Leben von Menschen gefährdet werden, ist das schlichtweg nicht akzeptabel“, sagte sie am Freitag. „Protest, in dessen Folge nur über die Protestform, nicht aber über die Sache geredet wird, dient dieser Sache nicht.“ Lang forderte, die Ermittlungsergebnisse abzuwarten, inwiefern die Aktion die Rettung der Frau verzögert habe.

Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner erklärte am Freitag, die Grenze des legitimen Protests sei dann erreicht, wenn die Gefährdung von Menschenleben in Kauf genommen werde. Grundsätzlich unterstütze Kanzler Olaf Scholz (SPD) jedes demokratische Engagement. „Die Form des Protests, die wir jetzt sehen, gerade in dieser Woche, ist aber nicht zielführend oder konstruktiv“, sagte Büchner. „Es darf nicht sein, dass Menschenleben gefährdet werden, und deswegen akzeptieren wir auch diese Form des Protests nicht.“ Das Engagement für den Klimaschutz dürfe „nicht außerhalb des Rahmens unserer Gesetze verlaufen.“

Er wolle „ausdrücklich keinen Zusammenhang herstellen“ zwischen den Klimaprotesten und dem Unfall der Radfahrerin, erklärte Büchner weiter. Das sei Gegenstand von Ermittlungen. Es sei auch grundsätzlich ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, eine ambitionierte Klimapolitik umzusetzen. Das Anliegen der Demonstranten, das Klima zu schützen, sei nicht nur nachvollziehbar, sondern auch unterstützenswert, betonte Büchner. „Was aber aufs Schärfste zu verurteilen ist, und das hat der Kanzler deutlich gemacht, sind die gewählten Mittel.“ Klebe- und Beschmutzungsaktionen seien „nicht geeignet, die Gesellschaft für den Klimaschutz zu mobilisieren“, sagte er.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte der Funke-Mediengruppe: „Wer mit seinem Protest Gesundheit und Leben von anderen riskiert, büßt damit jede Legitimität ein und schadet auch der Klimabewegung selbst.“ Protestformen, die Menschen gefährden, seien falsch. „Proteste einiger Gruppen tun aber inzwischen genau das“, sagte der Grünen-Politiker.

Unsere Demokratie funktioniert nicht so, dass ich meine persönlichen Ziele im Namen der guten Sache mit jedem Mittel durchsetzen kann.

Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag

Die SPD-Politikerin Katja Mast bezeichnete im „Spiegel“ Teile der Klimaproteste als „demokratiefeindlich“. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag bezog sich dabei auf erpresserische Aktionen. „Unsere Demokratie funktioniert nicht so, dass ich meine persönlichen Ziele im Namen der guten Sache mit jedem Mittel durchsetzen kann“, sagte Mast dem Magazin. „Kunst wird mutwillig zerstört, Straßen blockiert und Infrastruktur beschädigt – in Berlin kamen Rettungsfahrzeuge nicht rechtzeitig zu einer lebensbedrohlich Verletzen“, sagte sie. Demokratie dürfe sich aber nicht erpressbar machen. „Ich persönlich finde, dass die Justiz mit Wiederholungstätern hart ins Gericht gehen muss.“

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter mahnte in der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag) eine rasche Aufklärung des Unfalls in Berlin an. Er betonte: „Proteste, auch gegen die massiven Bedrohungen der Klimakrise, dürfen nicht das Leben anderer Menschen in Gefahr bringen.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Stephan Thomae, sagte der Zeitung, die Justizbehörden müssten jetzt prüfen, inwieweit die Klebeblockade mitursächlich für den Hirntod der Fahrradfahrerin gewesen sei. „Wenn dem so sein sollte, müssen die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgt werden.“

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte dem Nachrichtenportal „t-online“, es sei „beunruhigend“, wie die Anhänger der „Letzten Generation“ „immer militanter werden“. AfD-Fraktions- und Parteichefin Alice Weidel sagte dem Portal: „Auch wenn man mit persönlichen Schuldzuweisungen vorsichtig sein muss, so ist es nun endgültig an der Zeit, dass sich die „Grünen Straßenkämpfer“ hinterfragen und auch ihr politischer Arm im Bundestag und der Regierung ein Machtwort spricht. So kann und darf es nicht weitergehen.“

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ nannte den den am Donnerstag vermeldeten Hirntod der Frau eine „schreckliche Nachricht“. Im Gespräch mit dem ZDF-„heute journal update“ (Freitag) betonte sie, dass ziviler Ungehorsam keine Menschen gefährden dürfe. „Es ist auch eine Situation, die uns als Klimabewegung nachdenklich macht, unsere eigenen Sicherheitskonzepte zu überprüfen“, so Neubauer. (mit dpa)

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