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Schule: Meilenwerk – Berlins neues Oldtimer-Zentrum

Aus einem fast verfallenen Straßenbahndepot wird ein lebendiges „Forum für Fahrkultur

Früher war das ein Parkhaus für Straßenbahnen – das größte Depot in ganz Europa zu Kaiserzeiten, denn es wurde zwischen 1899 und 1901 gebaut. Bis zu 300 Triebwagen und Waggons der „Elektrischen" hatten auf den 22 Gleisen Platz, die die vier miteinander verbundenen Hallen an der Wiebestraße Ecke Sickingenstraße durchzogen. Und auch in den späteren Jahrzehnten war dieses Depot noch gewaltig. Doch dann, in den Sechzigern, verschwanden die Straßenbahnen aus dem eingemauerten Westen Berlins – und das einst so stolze Depot wurde überflüssig. Noch einige Zeit diente es als Demontagehalle für die überflüssigen Straßenbahnen, dann wurde es Lagerhaus und seit Anfang der Neunziger schließlich stand es leer. Für einige Zeit nutzten es Künstler Teile als Probebühne. Das Haus begann zu verfallen, wurde baufällig und schließlich wegen Einsturzgefahr abgesperrt. Aus dem einst so stolzen Depot mit seinen Backsteinmauern, der erst 1923 eingebauten filigranen Dachkonstruktion, die viel Licht ins Innere ließ und den großen Toren war - trotz Denkmalschutz - ein Fall für die Abrißbirne geworden.

Doch es kam anders – zum Glück. Und schon am 17./18. Mai wird das gewaltige Hallenareal bei einer großen Eröffnungsfeier als „Meilenwerk“ in neuem Glanz erstrahlen - als „Forum für Fahrkultur“, wie es im Untertitel heißt. Dahinter verbirgt sich ein in Deutschland so noch nie verwirklichtes Konzept für ein großes Oldtimer-Zentrum, in dem unter einem gemeinsamen Dach all das versammelt ist, was Oldtimerfreunde für ihre Fahrzeuge brauchen: komfortable und preiswerte Abstellplätze, Werkstätten für Restaurierung und Wartung, Spezialwerkstätten für Sattlerarbeiten sowie Fahrzeugelektrik und -elektronik, Shops für Accessoires, Zubehör und Spezialbekleidung, Modellautoshop, Technikbuchhandlung, Oldtimerhandel, Gutachter, technischer Prüfdienst, Versicherungsspezialist für die Veteranen, Oldtimervermietung, Veranstaltungsflächen, Clubräume, Tagungseinrichtungen und eine Gastronomie.

Und das alles so offen, dass nicht nur die Besitzer der alten Fahrzeuge sondern auch Besucher in die Hallen gelockt werden, in denen auf 88 Abstellplätzen in gläsernen Boxen in zwei Etagen übereinander einige der wertvollsten Veteranen parken. So parken, dass ihre Besitzer sie rund um die Uhr jederzeit herausholen und wieder einstellen können und Besucher sie, ohne dass wie in einem Museum Eintritt gezahlt werden muss, aus allen Perspektiven betrachten können – die höher geparkten Fahrzeuge von einer Galerie aus, die eine zweite Ebene in den immerhin zehn Meter hohen Hallen erschließt.

Ebenso offen wie die Einstellplätze sind die Werkstätten in den Hallen, in denen man durch große Fenster den Arbeiten an den Veteranen zusehen kann – Arbeiten, die meist hohes handwerkliches Geschick verlangen und viel Spezialwissen. Das gilt nicht nur für die mechanischen Werkstätten, in denen in mühevoller Klein- und Handarbeit aus oft schon verfallenen Fahrzeugresten wieder glänzende Modelle entstehen, die später auf Oldtimerveranstaltungen wertvolle Preise erringen. Und das gilt vor allen Dingen auch für die bei Oldtimern so wichtigen Leder- und Holzarbeiten. Auch die Fahrzeugwartung läuft nach anderen Regeln ab, als bei bei modernen Autos, die weder abgeschmiert noch aufwändig und regelmäßig gegen Korrosion geschützt werden müssen und nicht nach spezieller Verdeck- und Lederpflege verlangen, wie viele der alten Schätzchen, von denen es in Berlin-Brandenburg zwischen 10 000 und 15 000 geben dürfte.

Für alle diese Aufgaben gibt es im Meilenwerk Spezialisten – allerdings nur jeweils einen für jede Aufgabe, so dass sich die Werkstätten nicht gegenseitig Konkurrenz machen, sondern sich sinnvoll ergänzen und schließlich einen Komplettservice für jede Art von Oldtimern bieten. Um die Kosten niedrig zu halten und damit auch die Mieten, gibt es im Meilenwerk in einem Bereich gemeinsame Sozialräume und eine gemeinsame Infrastruktur für alle Werkstätten. Das verteilt die Kosten auf alle Schultern – ein Beispiel für die Synergieeffekte, die im Meilenwerk in allen Bereichen eine wichtige Rolle spielen, wie zum Beispiel auch im gemeinsamen Werbeauftritt nach außen.

Nicht alle Oldtimereigner wollen oder können ihre Veteranen regelmäßig in den Werkstätten versorgen lassen. Auch für die, die gerne selber schrauben, ist gesorgt – mit einer großen gut ausgesstatteten Mietwerkstatt. Und in den unentgeltlich zur Verfügung gestellten Clubräumen und dem angrenzenden Tagungsbereich kann man sich sowohl zu Clubtreffen als auch zum Fachsimpeln zusammensetzen. Apropos Treffen. Zu den zentralen Einrichtungen des Meilenwerks gehört eine rund 1000 Quadratmeter große Eventfläche mit modernster Medientechnik. Sie bietet Platz nicht nur für Oldtimerereignisse, Fahrzeugversteigerungen und Präsentationen, sondern auch für gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse aller Art. Da die Fläche unmittelbar an das Restaurant angrenzt, bereitet auch die gastronomische Versorgung keine Probleme.

Apropos Gastronomie. Sie wird zwar eine attraktive und anspruchsvolle Küche bieten – aber zu verträglichen Preisen. Denn der Kreis der Oldtimerbesitzer und -freunde setzt sich aus allen Schichten zusammen, und das Meilenwerk richtet sich keinesfalls nur an besonders zahlungskräftige Kreise, sondern auch an die, die genauer auf Euro und Cent blicken müssen und hier ebenso willkommene Besucher und Gäste sein sollen.

Als wir mit dem Meilenwerk-Initiator Martin Halder, der das Projekt nach zweijähriger Vorbereitung im letzten Sommer startete, und hier mehr als zehn Millionen Euro investiert, vor drei Wochen durch die Hallen gingen, sahen die noch arg nach Baustelle aus, die noch lange eine bleiben wird. Aber heute hat sich das Bild gewaltig gewandelt. Und immer klarer erkennt man, mit welcher Sorgfalt die alte Architektur der Hallen bewahrt und wiederhergestellt wurde, wie gut die bewusst in einem modernen und schlichten Stil gehaltenen Einbauten mit dieser Architektur harmonieren und wie geschickt die Materialauswahl für alle neuen Einbauten getroffen wurde. Und geradezu begeistert waren wir von den Sichtachsen durch die neuen alten Hallen, die wir hier allerdings noch als Zeichnungen zeigen müssen und deren Umwidmung ins Meilenwerk einen geradezu unvorstellbaren Wust an Bürokratie bedeutete.

Zwei große Oldtimer-Ereignissen locken bereits im Juli. So hat die Zuverlässigkeitsfahrt „2000 Kilometer durch Deutschland“ am 24. Juli nach langer Pause Berlin mit dem Meilenwerk wieder als Etappenziel. Auch die Oldtimertage Berlin-Brandenburg am 5./6. Juli finden hier eine neue Heimstatt, die so günstig im Stadtgebiet liegt, dass sie nicht nur mit dem Auto – hierfür gibt es rund 100 gebührenfreie Parkplätze – sondern auch mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Eine faszinierende kleine Stadt für Oldtimer, die mit ihrem großen Freigelände, einem neu entstehenden Park und einem Biergarten beste Voraussetzungen bietet, zu einem lebendigen Treffpunkt nicht nur für Oldtimerfreunde zu werden.

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