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© Christoph Papenhausen

Update

Siebentägige Demonstration geplant: Aktivisten errichten propalästinensisches Protestcamp an FU Berlin

Rund 50 Studierende haben sich am Donnerstagabend in dem Camp am Henry-Ford-Gebäude der FU eingefunden. Die Polizei will die Versammlung bis zum nächsten Donnerstag bewachen.

Von Christoph Papenhausen

An der Freien Universität (FU) Berlin in Dahlem haben propalästinensische Aktivisten ein Protestcamp errichtet. Laut Veranstaltern ist das Camp in der Nähe des Henry-Ford-Baus bei der Berliner Polizei angemeldet. Eine Sprecherin der Gruppe sagte am Donnerstag, dass 15 bis 20 Zelte aufgestellt werden sollen. Am Freitagmorgen teilte ein Polizeisprecher mit, dass sich „in der Spitze“ 65 Personen im Camp aufhielten.

Eine Woche lang wollen die Demonstranten hier nach eigenen Angaben einen „offenen Diskursraum schaffen“, um über „Rechtsruck, Repression und den Krieg in Gaza“ zu diskutieren. Im Laufe der Woche rechnen die Veranstalter vom sogenannten Palästinakomitee der FU mit jeweils 50 bis 150 Teilnehmern. Auch Aktivisten von anderen Hochschulen und Gruppen werden erwartet.

Die Polizei war am Donnerstagabend mit 100 Beamten vor Ort. Ein Sprecher teilte mit, dass die Versammlung rund um die Uhr überwacht, solange sie angezeigt ist – also bis nächsten Donnerstag. Sollte die Teilnehmendenzahl stabil und die Lage ruhig bleiben, werde die Zahl der Einsatzkräfte reduziert. Das Minimum seien jedoch 10 bis 15 Polizisten, sagte der Sprecher.

Eine Anzeige gab es nach Auskunft des Sprechers am Freitagmorgen nur gegen einen Passanten, der für die Veranstaltung wenig Verständnis übrig gehabt habe. Gegen ihn werde nun wegen einer Beleidigung ermittelt.

Demonstrierende fordern Umbenennung des Henry-Ford-Baus

Das Camp richte sich gegen jede Form von Diskriminierung – Antisemitismus eingeschlossen, sagten Caro Vargas und Cecilia Mastrangeli, die Sprecherinnen des Camps. Ein Gespräch über die Hamas oder den 7. Oktober sei nicht geplant, könnte sich aber im Laufe der Woche ergeben. Auch das Programm werde noch ausgearbeitet.

Laut Vargas ist die bisher einzig konkrete Forderung die Umbenennung des Henry-Ford-Baus. Der Namensgeber sei ein bekannter Antisemit, so die Veranstalter. Die Umbenennung solle den „Kampf gegen historische Ignoranz“ symbolisch unterstützen.

Unsere Universität sollte ein Ort des kritischen Denkens und des offenen Dialogs sein, nicht der Repression und der polizeilichen Gewalt.

Cecilia Mastrangeli, Sprecherin des Camps

Weitere Forderungen sollten im Laufe der Woche basisdemokratisch entwickelt werden. Wie genau die Forderungen an die Uni weitergeleitet werden sollen, sei allerdings noch nicht geklärt. Um eine Räumung des Camps durch die Polizei zu vermeiden, gebe es ein Sicherheits- und ein Awarenessteam.

„Wir stehen hier, weil wir nicht länger schweigen können. Unsere Universität sollte ein Ort des kritischen Denkens und des offenen Dialogs sein, nicht der Repression und der polizeilichen Gewalt“, sagte Mastrangeli.

In einer auf Instagram veröffentlichen Pressemitteilung teilte der Kanal „fu palestina committee“ vorab mit, dass das Camp gleichzeitig eine „direkte Antwort auf das neue Hochschulgesetz des Berliner Senats“ sei. Die Veranstalter kritisieren, dass die geplante Änderung des Berliner Hochschulgesetzes die Exmatrikulation von politisch engagierten Studierenden erleichtere.

Versammlung, bevor das Camp aufgebaut wird

Gegen 14.30 Uhr begann vor der Mensa 2 der FU eine Kundgebung, zu der auch der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) aufgerufen hatte. Sie richtete sich ebenfalls gegen das Berliner Hochschulgesetz und wird von der Gruppe „hands off student rights“ veranstaltet. „Wir stehen heute hier, um gegen das neue Hochschulgesetz zu kämpfen, das genutzt wird, um Studierende einzuschränken und die Uni zu einem unpolitischen Ort zu machen“, sagte eine Rednerin vor ungefähr 60 Versammelten. „Es geht darum, Leute einzuschüchtern.“ Das Gesetz sei Teil eines übergreifenden Rechtsruck, der Deutschland und Europa erfasst habe, sagte eine weitere Rednerin.

Eine andere Sprecherin kritisierte, dass auch das Aufdecken von Machtmissbrauch und sexueller Übergriffe durch das geänderte Hochschulgesetz mit Exmatrikulation bestraft werden könnte. „Das Machtgefälle zwischen Professor:innen und Studierenden wird durch das Gesetz weiter verschärft“, sagte sie. Tatsächlich soll eine Exmatrikulation allerdings nur bei rechtskräftig verurteilten Straftätern möglich sein.

Erst Ende März hatte der Berliner Senat eine Verschärfung des Hochschulgesetzes beschlossen. Demnach soll die erst 2021 abgeschaffte Möglichkeit zur Exmatrikulation von Studenten für bestimmte Fälle wieder eingeführt werden. Mit der Verschärfung reagierte der Senat auf einen Angriff auf einen jüdischen Studierenden an der FU durch einen Kommilitonen.

Pro-Palästina auch bei der Kundgebung

Auch auf der Kundgebung war ein pro-palästinensischer Bezug erkennbar. Einige Teilnehmer trugen Kufiyas, die auch als Palästinensertücher bekannt sind. Die Rednerinnen erwähnten den Konflikt zwischen Israel und der Hamas immer wieder und solidarisierten sich mit den bisherigen Protesten. Eine Rednerin sprach von einem Genozid, den Israel an der palästinensischen Bevölkerung begehe.

Ein Demonstrant trug ein „I love Gaza“-Shirt und hielt eine Rede auf Englisch. Er kritisiert die deutsche Politik und Diskussionskultur. Deutschland konzentriere sich zu sehr auf den AfD und vernachlässige dabei, die eigene Rolle im Gaza-Krieg zu reflektieren. „Nieder mit dem Gesetz, nieder mit dem Senat, nieder mit dem Staat. Lang lebe die Student-Intifada“, rief er am Ende seines Redebeitrags.

„Es liegt an uns, dieses Gesetz zu verhindern“, sagt eine Rednerin zum Abschluss der Kundgebung. „Und genau deswegen werden wir wieder auf die Straße gehen. Und genau deswegen ist der Tag heute noch nicht vorbei.“ Anschließend löste sich der friedliche Protest auf. Rund 20 Polizisten waren vor Ort, gebraucht wurden sie jedoch nicht.

Camp ist auf öffentlichem Grund

Die Universitätsleitung teilte in einem Statement mit, dass sie weder die Veranstalterin sei noch die geplante Versammlung selbst genehmigt habe. Das Camp sei jedoch auf einer öffentlich zugänglichen Fläche geplant und falle damit unter den Anwendungsbereich des Berliner Versammlungsfreiheitsgesetzes. Oberste Prämisse sei es daher, die Arbeitsfähigkeit der FU und den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten.

„Wir gehen davon aus, dass die Polizei sicherstellen wird, dass das Camp ausschließlich der friedlichen und freien Meinungsäußerung dient“, teilte FU-Präsident Günter Ziegler mit, setzte jedoch auch klare Grenzen. „Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und andere Formen von Diskriminierung sowie jede Form von Gewalt, Aufrufe zur Gewalt und Sachbeschädigungen, stellen für uns rote Linien dar“, sagte er. „Sollte es zu solchen Verhaltensweisen kommen, werden wir Strafanzeige erstatten.“ (mit dpa)

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